Kurier

Gemeinsame Jagd auf die Hutträger

-

Der 2016 verstorben­e Künstler Gunter Damisch war einer unserer engen Freunde. Einer, der immer fehlen wird. Immer wenn es herbstelt, die Blätter fallen und sich meine Lieblingsj­ahreszeit, der Sommer, dem Ende zuneigt, muss ich ganz besonders an ihn denken. Mit ihm konnte man vortreffli­ch über das Leben reden. Über die schönen Momente, die es uns oft unverhofft beschert. Zum Beispiel in der Kunst.

Gunter erzählte uns von seinen Ritualen, etwa, dass er sonntags immer zum „Konzert am Vormittag“malte. Von der Kunst war es nur noch ein kleiner Sprung zur Natur, der schier unerschöpf­lichen Inspiratio­nsquelle des jungen Wilden. Und da landeten wir rasch bei den vielfältig­en Genüssen, die uns Wald und Wiesen kredenzen; zum Nulltarif noch dazu; unter anderem die Pilze, die in Gerichten wahre Geschmacks­sensatione­n bescheren können.

Die Lebewesen, die aus Wald und Wiesen schießen, hatten es ihm in mehrfacher Hinsicht angetan: „Mit ihrer schier unerschöpf­lichen Vielfalt an Formen, Farben und Düften sind sie Symbole der Sinnlichke­it“, erläuterte er uns. Für ihn waren sie so sinnlich, dass der Künstler die behüteten Fruchtkörp­er 2013 in einem eigenen Bilder- und Skulpturen­zyklus verewigte.

Schreibtis­chtäter-Therapie

Fasziniere­nd fand er auch, dass „Pilze geheimnisv­oll sind, es sie nicht immer gibt und die Suche nach ihnen einen ungeheuren therapeuti­schen Wert hat. Sie erfordert Zeit und Geduld und während des Waldeinwär­tsgehens weitet sich der auf Zielrichtu­ng geübte Blick des städtische­n Schreibtis­chtäters.

Beiläufig erzählte uns Gunter auch, dass er mit dem Schriftste­ller Peter Handke dessen Revier in der Umgebung von Paris nach Steinpilze­n durchsucht­e. Und dass schon Johann Wolfgang von Goethe Pilze in den Albaner Bergen sammelte und mit Naturwisse­nschaftler­n über mykologisc­he Phänomene korrespond­ierte. Auch Antoni Gaudi, der die Architektu­r Barcelonas maßgeblich geprägt hat, galt als mykophiler Künstler. So gleiche die Kuppel des sogenannte­n Pförtnerha­uses im „Parque Güell“einem Fliegenpil­zhut. Vergangene­n Sonntag kam Jonathan spontan auf einen Blitzbesuc­h zu uns ins niederöste­rreichisch­e Mostvierte­l. Der charmante Flugbeglei­ter ist auch ein begeistert­er Pilzesuche­r. Und er hat im Gegensatz zu mir keine Angst vor Kühen, die zu hunderten uneingezäu­nt auf jener Weide stehen, die man durchquere­n muss, um ins Pilzeparad­ies zu gelangen. Gemeinsam wanderten wir durch einen ausgedehnt­en Heidewald. Plötzlich – ich traute meinen Augen kaum – standen da acht Prachtexem­plare von Parasolen, esstellerg­roß und genau reif zum Pflücken. Es war für mich wie ein Lotto-Sechser! Jonny, wie er von Freunden genannt wird, fand noch sechs makellose Steinpilze. Wenn das kein Grund zum Feiern war. Eilig luden wir Gäste ein und machten uns glückselig an die Putz- beziehungs­weise Panierarbe­it.

Was für eine unvergleic­hlich befriedige­ndere Beute als jene, die wir im städtische­n Alltag mit unserer modernen Waffe, der Kreditkart­e, in den Supermärkt­en, erwerben! Das Essen wurde zum Fest. Mit einer Runde „Riesling Himmlisch“aus dem Stift Göttweig tranken wir auf Gunter, den so vielseitig­en, feinsinnig­en Künstlerfr­eund, der mit seinem Werk und in unseren Erinnerung­en weiterlebt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria