Kurier

Es weihnachte­t schon

Wenn sie bei 32 Grad im Schatten über den Farbton des Christbaum­schmucks sinniert, braucht er dringend eine Auszeit im Badezimmer

- VON GABRIELE KUHN & MICHAEL HUFNAGL

SieKurzer Rückblick: Vergangene Woche habe ich mich mit der Verbal-Erotik ehelicher Kommunikat­ion beschäftig­t, bzw. mit dem Gegenteil dessen: Begriffe, die im Beziehungs­alltag unerwähnt bleiben sollten, damit alles flutscht. Doch manchmal stellt das Leben Fallen und so kam es, dass ich während der Sonntagsfr­ühstücksle­ktüre auf dem iPad wohlig berührt aufschrie: Jö, Christmas-Pre-Shopping bei XY! Dem Mann nebenan fiel in der Sekunde das Kipferl aus der Hand: Pre-wos? Habe ich da gerade das Wort Weihnachte­n vernommen? Sommerfrüh­stücks-Glück perdu, Alarmstufe Feuerrot.

Zum Sonderprei­s Ich lüge nicht, daher mutete ich ihm die ganze Wahrheit zu: Dass ich nämlich beim Online-Kaufhaus meines Vertrauens, wo ich heuer bereits zum Sonderprei­s Sommertisc­hwäsche, Sommergesc­hirr sowie Sommeracce­ssoires erstanden hatte, nun auch Weihnachts­tischwäsch­e, Weihnachts­geschirr und Weihnachts­accessoire­s erstehen würde. Zum So-nd-er-preis, versteht sich. Und dass ich erwäge, die heurigen Festtage im angesagten

Farbton „Blush“zu gestalten, in vier Monaten, bitteschön, sei es ja schon wieder so weit. Ich ergänzte: Außerdem gibt es dort 217 Christbaum­kugeln um 37 Euro sowie Indoor-Weihnachts­beleuchtun­g ab 5 Euro. Nun war die Stimmung so aufgeladen wie die Kumulonimb­usWolke, die über unserem Garten stand. Das Kipferl lag zerstört auf dem Teller, der Schaum des Cappuccino war in sich zusammenge­fallen, der Nachbar begann gerade heftig zu kärchern und der Mann hob an: Wenn du mitten im Sommer noch einmal das Wort Christmas-Pre-Shopping in meiner Gegenwart in den Mund nimmst, dann … Weiter kam er nicht. Es läutete an der Tür. WochenendS­onderzuste­llung: Zumindest die Herbst-Deko ist gesichert. Lesekabare­tt „Schatzi, geht’s noch?“: 30. 9., 26. 10. & 11. 11. Rabenhofth­eater, 3. 10. Bettfedern­fabrik, 11. 10. Burg Perchtolds­dorf gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKu­hn60

ErEs war einer dieser August-Tage, an denen die Hitze so aufs Gemüt drückt, dass man ernsthaft überlegt, ob der Griff zum Sommerspri­tzer nicht vielleicht doch zu viel der Bewegung und Anstrengun­g sein könnte. Da saß die Liebste also unter dem Sonnenschi­rm und sagte den Satz, der einen Ehemann augenblick­lich in den Alarmglock­en-Modus versetzt: „Schatzi, wir müssen reden.“Verstärkt durch eine Mimik, die den Verdacht nährt, ein Gespräch über den Wortlaut des gemeinsame­n Testaments stünde an. Oder darüber, dass eine grausam anstrengen­de Tätigkeit allmählich unvermeidb­ar sei, etwa das Putzen der Badezimmer­fliesenfug­en. Oder zumindest über die Neugestalt­ung des HaushaltsE­tats … weil das Gefühl für schwermüti­ge Gedanken zu unmögliche­n Zeitpunkte­n besitzt meine Frau wie niemand sonst.

Schockstar­re

Aber nicht einmal nach so vielen Jahren Ehe hätte ich auch nur im Ansatz antizipier­en können, welche Worte ihr über die bezaubernd­en Lippen perlen sollten. „Meinst du nicht …“, begann sie in jener Tonalität, die ein Interesse an meiner Meinung nur um des Friedens Willen vortäuscht, nachdem sie längst einen Beschluss gefasst hat. „Meinst du nicht, wir sollten nach so langer Zeit den Christbaum heuer ganz anders und in neuen Farben schmücken?“Ich habe keine Vorstellun­g über den Grad des Entsetzens, das in meinem Gesicht zu lesen gewesen sein musste. Ich weiß nur, dass ich nach einigen Sekunden Schockstar­re folgende Antwort wagte: „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“Und ich finde, vier Monate vor dem Heiligen Abend war das noch äußerst höflich formuliert. Danach machte ich mich trotzig schwitzend über die Fliesenfug­en her. Und summte demonstrat­iv laut „Es wird scho glei dumpa“. Solo-Programm „Abend mit einem Mannsbild“: 24. 10. Wien (Alt Erlaa), 12. 11. Wien (Martinschl­össl), 20. 11. Wien (Haus des Meeres) michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9

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