Martin Kušej, Burgtheaterchef
Saisonstart. Die Theater gehen in eine überaus spannende neue Spielzeit. Alles schaut auf Kušejs Burg
Start der neuen Theatersaison. Im Zentrum steht das Wiener Burgtheater mit dem neuen Chef.
Kommende Woche beginnt die spannendste neue Theatersaison seit vielen Jahren. Flapsig formuliert heißt das Match Martin Kušej gegen Heimito von Doderer.
Der neue Burg-Direktor – der weder das Wort „Burg“, noch das Wort „Direktor“hören will – gestaltet seine erste Spielzeit in Wien. Mit einer Fülle von bemerkenswerten Neuproduktionen, aber auch mit Übernahmen aus seiner erfolgreichen Direktionszeit am Münchner Residenztheater.
Streitbar
Ein „rotes Tuch für gewisse Kreise“wolle er in Wien sein, hatte der streitbare Theatermacher angekündigt. „Es hat nicht lange gedauert, bis die reaktionären Besserwisser sich in Blogs oder Zeitungen aus der Deckung getraut haben. Wenn ich im September mit der Arbeit loslege und natürlich kein Blatt vor den Mund nehme, wird das sicher noch zunehmen.“Umso größer ist die Spannung, wie dem neuen Chef in der, Pardon, Burg, der Auftakt gelingen wird.
Doderer
Den Anfang macht aber das Theater in der Josefstadt mit einer Produktion, die nach einem programmierten Publikumsrenner klingt: Am Donnerstag hat die Dramatisierung von Doderers Ausnahme-Roman „Die Strudlhofstiege“Premiere, Janusz Kica inszeniert, Nicolaus Hagg hat den monströs wuchernden Text für die Bühne eingerichtet, Ulrich Reinthaller spielt die zentrale Figur des Melzer.
Für viele Zuschauer ist das eine gute Gelegenheit, eine Lücke zu füllen – gilt das schier unüberschaubare Werk doch als einer der großen nicht gelesenen Romane der Literaturgeschichte.
Am 11. September eröffnet das Volkstheater seine Saison – und zwar ebenfalls mit Doderer: Franzobl hat „Die Merowinger oder Die totale Familie“dramatisiert. Anna Badora inszeniert am Beginn ihrer Abschiedssaison selbst.
Gemetzel
Tags darauf geht es am Burgtheater endlich los, am Beginn des Premieren-Reigens steht wirklich schwerer Stoff: Euripides’ fast 2500 Jahre alte Metzelei „Die Bakchen“: Die Frauen von Theben verfallen dem wilden DionysosKult, was den Männern naturgemäß weniger gut gefällt.
Der, Pardon, Direktor, überlässt die erste Inszenierung einem Regie-Kollegen, dem gefeierten deutschen „Maschinentheater“-Regisseur Ulrich Rasche. Sein Stil der technischen Materialschlacht ist dem Stoff angemessen. In dem EnsembleStück wird sich gleich zeigen, wie gut alte und neue Burgtheater-Kräfte zusammenpassen.
Am 13. September folgt im Akademietheater „Vögel“des in Kanada lebenden gebürtigen Libanesen Wajdi Mouawad. Es geht um eine Liebe über die Fronten des Nahostkonflikts hinweg. Der israelische Schauspieler und Regisseur Itay Tiran inszeniert den Text auf Deutsch, Englisch, Hebräisch und Arabisch, etwas, was für Kušejs Intendanz typisch werden soll.
Am 14. September folgt die Übernahme von Kušejs Münchner Erfolgsproduktion „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, starbesetzt mit Norman Hacker, Johannes Zirner, Nora Buzalka und Bibiana Beglau.
Mephisto
Beglau – eine der zentralen Schauspielerinnen bei Kušej – spielt ab 27. September in „Faust“, ebenfalls einer Übernahme, den Mephisto, Werner Wölbern verkörpert die Hauptrolle.
Am 21. September hat im Burgtheater noch die Dramatisierung von Sally Potters Film „The Party“Premiere.
Der Tag der Wahrheit kommt für Martin Kušej aber vermutlich im November: Er inszeniert Heinrich von Kleists kaum spielbares Blutbad „Die Hermannsschlacht“– mit dem einst Claus Peymann sensationelle Erfolge feierte.
Bundesländer
In den Bundesländern setzt man auf Schiller. Am Linzer Landestheater startet Susanne Lietzow am 13. September mit „Maria Stuart“, tags zuvor inszeniert Fabian Alder in St. Pölten „Der Parasit“– eine Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt, wo man erst am 10. Oktober mit Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“einsteigt.
Zu Saisonbeginn gibt es am 14. September wieder das übliche Eröffnungsfest im Schauspielhaus Graz, ehe am 26. September mit dem Roman „Vernon Subutex“von Virginie Despentes (Regie: Alexander Eisenach) die erste Hauptproduktion über die Bühne geht.