Kurier

Fesch muss er sein!

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Wann hat die Politik das letzte Mal eine Entscheidu­ng getroffen, die Ihren Alltag maßgeblich verändert hat? Ich musste da ein wenig im Archiv meiner Erinnerung blättern und stieß auf den 1. Jänner 1999. An diesem Tag erfolgte die Euroeinfüh­rung. Ich möchte nicht lange in dieser Reminiszen­z verweilen, weil da wird mir wieder bewusst, dass 1979 ein großes Bier vier Schilling kostete. Das sind umgerechne­t knapp 30 Cent. Um diesen Betrag darf man sich heute in einem österreich­ischen Wirtshaus einen Bierdeckel für zehn Minuten ausborgen. Eigentlich schreit das nach staatliche­r Preisregul­ierung. Ich finde, der Österreich­er hat das Recht, sich die Inflation zumindest schönzutri­nken. Die meisten politische­n Reformen, egal ob die Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungen, die Neubestell­ung des ORF-Stiftungsr­ats und die Parteispen­denobergre­nze, haben auf unser tägliches Leben ähnlich viel Einfluss wie ein beim Karneval in Rio geworfenes Konfetti. Manche Medien versuchen, Politik deswegen auf Schlagzeil­en wie: „Kann Hofer mit Kickl?“„Kann Kurz mit Kogler?“„Kann Pilz mit Ruhestand?“zu reduzieren. Damit bewegt sich die Politik zunehmend auf dem Niveau von einem Rosamund-PilcherFil­m. Ich fürchte, um dem Boulevard zu gefallen, werden irgendwann Koalitions­partner im Slim-Fit-Anzug ihre Vereinigun­g, vor einem Schloss in Cornwall und bei Sonnenunte­rgang, mit einem Kuss besiegeln. Der erste Politiker, der mir als Kind in Erinnerung geblieben ist, war Bruno Kreisky. Ich glaube, mit seiner Art würde sein Wahlerfolg bei der kommenden Nationalra­tswahl irgendwo zwischen JETZT und der KPÖ rangieren. Er hat nach jeder Frage doppelt so lange nachgedach­t wie gesprochen, ihm waren Umfragen ziemlich wurscht (Zwentendor­f) und in einen Slim-Fit-Anzug hätte man ihn auch nur ganz schwer pressen können. Der Kabarettis­t Klaus Eckel ist einer der Autoren dieser Kolumne. Zu finden auch unter kuriermits­chlag.at

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