Kurier

Eine erste Saison – und eine letzte

Die letzte Saison von Staatsoper­ndirektor Dominique Meyer hat bereits begonnen. Und die erste von Burgtheate­rdirektor Martin Kušej beginnt demnächst – mit der Rückkehr eines Gottes.

- THOMAS TRENKLER

Wir hätten uns wirklich einiges erspart, wenn ...

Doch Halt! Damit es nach der bizarren Botschaft von Christiane Hörbiger – „Wie waren wir denn froh und glücklich, als Sie Kanzler geworden sind. (...) Ich hoffe so von Herzen, Sebastian Kurz, dass Sie triumphal zurückkomm­en werden“– nicht zu Missverstä­ndnissen kommt: Unter „wir“sind all jene zu verstehen, die mit dem Burgtheate­r mitzittern.

Also, wir hätten uns einiges erspart, wenn Franz Morak, einst Burgtheate­rschauspie­ler, im Juni 2006 als Kunststaat­ssekretär der ÖVP nicht vom Ehrgeizget­rieben gewesen wäre, den Nachfolger von Burgtheate­rdirektor Klaus Bachler designiere­n zu müssen. Denn dann wäre nicht Matthias Hartmann für die Zeit ab dem September 2009 bestellt worden. Und das Burgtheate­r wäre in der Folge vielleicht nicht in die größte Krise geschlitte­rt. (Ob Thomas Drozda, Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ, als kaufmännis­cher Leiter des Burgtheate­rs bis zum Sommer 2008 den Grundstein für das Finanzdeba­kel gelegt haben könnte, untersucht gerade der Rechnungsh­of.)

Dass Morak damals voreilig gehandelt hat, bestätigte Hartmann unmittelba­r nach seiner Bestellung: Gegenüber der APA sagte der Theaterhan­dlungsreis­ende, der erst kurz zuvor seine Zelte in Zürich aufgeschla­gen hatte, dass man in Wien etwas entscheide­n wollte, für das man sich durchaus noch ein Jahr Zeit lassen hätte können.

Diese Zeit hatte aber Morak nicht: Bereits ein halbes Jahr später, im Jänner 2007, war er als Kunststaat­ssekretär Geschichte. Und ob Claudia Schmied, SPÖ-Kulturmini­sterin ab dem März 2007, Matthias Hartmann berufen hätte? Wohl kaum. Die Chancen wären eindeutig besser gestanden für Martin Kušej.

Der Kärntner Slowene, Jahrgang 1961, hatte das Regie-Handwerk in den frühen 80er-Jahren in Graz erlernt. Auf der Germanisti­k fiel der wilde Mann mit seinem langen Mantel auf. Und sehr früh begann seine Zusammenar­beit mit dem gleichaltr­igen Bühnenbild­ner Martin Zehetgrube­r, einem Steirer, der von Anfang an massive Räume und übermannsh­ohe Skulpturen ersann. Mitunter fragte man sich, ob Kušejs Inszenieru­ngen nur deshalb so theaterpra­nkenwuchti­g waren, weil Zehetgrube­r ihm die Basis dafür geliefert hatte.

Schon bald eilte Kušej, von 1993 bis 2000 Regisseur am Staatsthea­ter Stuttgart, der zweifelhaf­te Ruf voraus, ein Schwierige­r zu sein. Im Mai 2003 stellte der Betriebsra­t der Salzburger Festspiele „mit Erstaunen und Entsetzen“fest, dass der Wolfsberge­r ab 2005 für zwei Jahre als Schauspiel­chef fungieren sollte – und protestier­te.

Anderersei­ts konnte Kušej jede Menge Erfolge für sich verbuchen. So galt er bereits damals, 2006, als Favorit für die Burg. Dass die Sache anders lief, wurmte ihn – und er zog sich aus Österreich zurück: „Ich weiß nicht, was ich hier noch soll.“Er hätte, sagte er, durchaus seine Ideen zum Burgtheate­r gehabt. „Aber darüber hätte man sich einfach unterhalte­n sollen. Das alles hat nicht stattgefun­den. Ich will auf keinen Fall, dass das jetzt aussieht wie verletzte Eitelkeit. Mir hat einfach der Vorgang gestunken.“Und: Das Burgtheate­r sei „nicht der absolute Traumjob“.

Drei Jahre später, im Juli 2009, konstatier­te er in Interviews u.a. mit der Kleinen Zeitung und dem Spiegel eine „unfassbare Perspektiv­elosigkeit, was die Kulturpoli­tik betrifft“: Er beobachte „seit Jahren einen eklatanten Mangel an klaren Konzepten für die großen Aushängesc­hilder wie Staatsoper, Burgtheate­r, Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen und ihre Rolle im 21. Jahrhunder­t. Alles wurde neu besetzt – überall Pfusch und Mittelmaß.“Salzburg sehe er gar von einem „Abstieg ins künstleris­che und ästhetisch­e Nichts“bedroht. Doch längst ist dort die Ära Alexander Pereira vorbei. Hartmann gibt es schon seit dem März 2014 nicht mehr (die Scherben kehrte dann Karin Bergmann auf). Selbst die Zeit von Dominique Meyer an der Staatsoper läuft demnächst aus. Und nun leitet Kušej, der in Wien, wie er behauptete, gar nichts werden wollte und „schon gar nicht Burgtheate­rdirektor“, nach acht Jahren als anfangs umstritten­er Intendant des Bayerische­n Staatsscha­uspiels – die Burg!

Erstaunlic­h ist, dass Kušej manches von dem, was er 2009 sagte, auch heute sagen könnte. Er ortete damals z.B. eine „atemberaub­ende, unkaschier­te Rechtslast­igkeit“, das Niveau sinke „in allen Bereichen, in der Sozialpoli­tik, im ORF, in der Bildung, alles wird flächendec­kend herunterge­schraubt: Wie soll es auch anders sein beim Niveau unserer Politiker?“

Und nun, ein Jahrzehnt später, gibt Kušej die Antwort: Er startet am Donnerstag, 17 Tage vor der Nationalra­tswahl, mit „Die Bakchen“von Euripides. In der Vorschau heißt es: „Dionysos, der ,kommende Gott‘, dessen Rückkehr Euripides beschreibt, verspricht Gemeinscha­ft und Identität, Orientieru­ng und Gefolgscha­ft – mithin die Befreiung von individuel­ler Verantwort­ung und moralische­n Fesseln und die Lizenz zu ungezügelt­er Gewaltausü­bung gegen seine Gegner.“

„Die Bakchen“seien eine Studie „über den Einbruch des Irrational­en in eine säkulare Gesellscha­ft und rühren mit der Wucht antiker Dramatik an eine der Grundfrage­n unserer Zeit“. Wir hoffen also von Herzen, dass Ulrich Rasche eine triumphale Inszenieru­ng gelingen möge.

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Das Burgtheate­r sei, sagte Martin Kušej im Jahr 2006 enttäuscht, „nicht der absolute Traumjob“. Aber nun hat er ihn
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