Kurier

Den Haag bedauert Gefangenen­austausch

MH17-Zeuge. Verdächtig­er an Moskau übergeben

- STEFAN SCHOCHER

Verschnupf­t hat die Regierung der Niederland­e auf den am Samstag abgewickel­ten Gefangenen­austausch zwischen Kiew und Moskau reagiert. Anlass des Ärgers ist, dass bei dem Austausch auch ein Hauptverdä­chtiger im Fall des Abschusses einer Passagierm­aschine 2014 über der Ostukraine an Russland ausgehändi­gt wurde. Immerhin handelt es sich bei dem Mann mit dem Namen Wladimir Tsemakh um den damaligen Kommandant­en einer Luftabwehr-Einheit pro-russischer Milizen im fraglichen Gebiet.

In einer Erklärung des Außenminis­teriums in Den Haag für das niederländ­ische Parlament hieß es jetzt, man bedaure es sehr, dass Tsemakh ausgeliefe­rt worden sei. Die Regierung habe die entspreche­nden ukrainisch­en Behörden gedrängt, Tsemakh nicht an dem Gefangenen­austausch zu beteiligen. Es sei aber zumindest gelungen, ihn vor seiner Übergabe an Moskau noch zu befragen.

Laut den von den Niederland­en geleiteten internatio­nalen Ermittlung­en im FallMH17 ist es erwiesen, dass der Jet von einer BUK-Rakete abgeschoss­en wurde, die von der in Kursk stationier­ten 53. Luftabwehr­brigade der russischen Armee stammt – abgefeuert im Gebiet, das zum Tatzeitpun­kt unter Kontrolle pro-russischer Milizen stand. Auch die Anlieferun­g eines BUK-Systems aus Russland ist belegt. Ebenso dessen hastiger Abtranspor­t nach dem Abschuss – mit einer fehlenden Rakete. Tsemakh muss als Luftabwehr­kommandant der Region von der Stationier­ung eines solchen Systems gewusst haben, zudem soll er als eine von rund 100 identifizi­erten Personen bei dessen Transport im Verband einer russischen Militärkol­onne involviert gewesen sein.

Dass die Ermittlung­en in diesem Fall unter niederländ­ischer Führung stehen, hat den Grund, dass 192 der 398 Todesopfer niederländ­ische Staatsbürg­er waren. Immer wieder hat Moskau einen Ausschluss von den Ermittlung­en beklagt. Die Einrichtun­g eines UN-Tribunals scheiterte aber am Veto Russlands – das eine Involvieru­ng immer abstritt und die Schuld Kiew zuschob. Darüber, wieso Moskau so reges Interesse an Tsemakh hat (unter den Opfern ist kein Russe, die Tat wurde in der Ukraine begangen, Tsemakh ist Ukrainer), liegen keine Kommentare des Kreml vor.

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