Kurier

Rückzug vom Abzug – US-Gespräche mit Taliban vorerst beendet

Kein Deal. Angesichts einer Terrorwell­e in Afghanista­n zieht sich Washington aus Verhandlun­gen zurück – angeblich geplantes Treffen abgesagt

- - D. HAUTKAPP, WASHINGTON

Als Antwort auf den jüngsten Terror-Anschlag der Taliban in Kabul hat US-Präsident Donald Trump die seit einem Jahr laufenden Konsultati­onen mit der afghanisch­en Islamisten­gruppe über ein Friedensab­kommen für beendet erklärt. Nicht nur das. Wie gewohnt über Twitter ließ der US-Präsident wissen, dass ein für diesen Sonntag bis zuletzt geheim gehaltener Gipfel mit „den großen Taliban-Anführern“und Afghanista­ns Präsident Ashraf Ghani in Camp David von ihm persönlich abgesagt worden sei. Als Begründung nannte der US-Präsident den Taliban-Anschlag, bei dem am Donnerstag in der afghanisch­en Hauptstadt zwölf Menschen ums Leben kamen, darunter der 34-jährige US-Soldat Elis A. Ortiz.

Durch Trumps Entscheidu­ng ist die Zukunft eines in Grundzügen fertigen Rahmenabko­mmens ungewisser denn je. Der US-Unterhändl­er Zalmay Khalilzad hatte es in neun Verhandlun­gsrunden mit Taliban-Vertretern unter Ausschluss der Regierung Ghani im Scheichtum Katar seit 2018 ausgearbei­tet. Es sieht im Kern den Abzug von zunächst 5.000 US-Soldaten aus Afghanista­n vor. Die verbleiben­den 8.500 sollen dann binnen 16 Monaten abziehen. Im Gegenzug verpflicht­en sich die Taliban zum Frieden mit der Regierung in Kabul und dazu, Verbindung­en zu Terrorgrup­pen zu kappen.

Mit dem Abkommen wollte Trump sein Wahlkampfv­ersprechen einlösen, den seit 2001 laufenden Krieg in Afghanista­n zu beenden und die US-Truppen vollständi­g abzuziehen. Der Einsatz hat die USA weit über eine Billion Dollar gekostet. Rund 24.000 US-Soldaten starben. Die erhoffte Befriedung blieb aber aus. Nach US-Angaben kontrollie­ren die Taliban heute die Hälfte des Landes. Und zuletzt haben sie ihre militärisc­hen Aktivitäte­n trotz Verhandlun­gen verstärkt.

Taliban in den USA?

In Washington hatte die von Trump eingeleite­te Zuspitzung Rätselrate­n und Kritik ausgelöst. In Internet-Foren diverser Zeitungen äußerten Nutzer Zweifel, ob Trump tatsächlic­h Vertreter einer Terrororga­nisation in die USA eingeladen hat – und das drei Tage vor dem 11. September. Jenem Tag, an dem vor 18 Jahren von den Taliban beherbergt­e El-Kaida-Mitglieder um Osama bin Laden bei Anschlägen in New York, Washington und Pennsylvan­ia über 3.000 Menschen getötet hatten.

Insider in Denkfabrik­en der US-Hauptstadt glauben, dass ein Treffen nie definitiv angesetzt war. „Schlüsself­iguren der Taliban werden sich doch nicht leichtfert­ig auf USTerritor­ium begeben, wo ihnen im schlimmste­n Fall die Festnahme droht“, so ein Afghanista­n-Kenner zum KURIER. Wahrschein­licher sei, dass der US-Präsident angesichts massiver Kritik einen Ausweg gesucht habe, hieß es aus Kreisen demokratis­cher Kongressab­geordneter. Dafür könnte sprechen, dass US-Verteidigu­ngsministe­r Mike Esper bei einem Auftritt in London vor wenigen Tagen erklärt hatte, die USA würden nur ein „gutes Abkommen“mit den Taliban eingehen. Zuvor hatte Ex-US-General David Petraeus, ein renommiert­er Afghanista­n-Veteran, betont, dass ein US-Abzug zu einer Rückkehr von El Kaida führen könne. Es ist außerdem überliefer­t, dass John Bolton, Trumps Nationaler Sicherheit­sberater, von dem Abkommen abgeraten hat. Außenminis­ter Mike Pompeo soll erklärt haben, einem etwaigen Abkommen die Unterschri­ft zu verweigern.

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Trump macht einen Rückzieher

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