Kinder für den Staat
Der Premier spricht von „ungarischen Kindern“gegen den „Bevölkerungsaustausch“
„Kinder zu haben“sei die „persönlichste öffentliche Angelegenheit“, und keineswegs eine private. Das hat gesessen. Doch László Kövér meinte es genau so, wie er es gesagt hat. Der ungarische Parlamentspräsident weiß, dass es in Sachen Bevölkerung Spitz auf Knopf steht. Wenn man den Prognosen glauben kann, dann könnte die Einwohnerzahl Ungarns bis 2050 von 9,8 Millionen auf 8,3 Millionen sinken, schreibt die Financial Times – eines der zehn am schnellsten schrumpfenden Länder der Welt.
Ein Phänomen, das Ungarn mit beinahe ganz Europa teilt – insbesondere mit südosteuropäischen Ländern. Deshalb hat Viktor Orbán zum Bevölkerungsgipfel vergangene Woche in Budapest auch Kollegen aus Tschechien (Premier Andrej Babiš) und Serbien (Präsident Aleksandar Vučić) geladen.
Bei der Eröffnung des Gipfels wurde in einer Performance die Invasion von Menschen aus dem Süden und Osten dargestellt – um, in gewohnter Orbán-Manier, gleich klarzumachen, worum es eigentlich geht. Während nämlich andere europäische Staaten versuchten, das Problem der sinkenden Geburtenraten mit Immigration zu lösen, schlägt Orban in die Kerbe der extrem rechten „Identitären“und ihrer Theorie des „großen Austauschs“: Er möchte in Ungarn auf „ungarische Kinder“setzen.
Viktor Orbán selbst hat fünf Kinder. Und am schönsten wäre es, sagt er, wenn ungarische Paare es für selbstverständlich erachten würden, drei oder mehr Kinder in die Welt zu setzen. Dafür ist seine Fidesz-Regierung auch bereit, Geld locker zu machen. Im Februar stellte Orbán ein Gesetzespaket vor, das Anreize für Familien bieten soll: Steuererleichterungen für kinderreiche Familien, Fördergelder für 7Sitzer-Autos, einen günstigen 30.000-Euro-Kredit, den man nicht zurückzahlen muss, wenn man mehr als drei Kinder gebärt. Die Geburtenrate in Ungarn liegt bei rund 1,5 Kindern pro Frau. Das Ziel wären durchschnittlich 2,1 Kinder.
Verfallende Werte
Das Paket sei allerdings nicht mehr als ein „PR-Gag“, sagt Péter Krekó vom Think Tank Political Capital, der derzeit in Wien beim IWM forscht, zum KURIER. „Es verhilft Orbán zu Stimmen. Aber trotz großzügiger Familiengelder ist der Bevölkerungsrückgang immens – und auch Orbán konnte ihn bisher nicht auf halten“, sagt Krekó.
Während die Regierungspartei Fidesz die Schuld bei der Bevölkerung und deren „verfallenden Werten“sucht und glaubt, durch finanzielle Anreize die Geburtenrate erhöhen zu können, glaubt die Opposition, dass die Wirtschaftsund Sozialpolitik der Regierung die Menschen vertreibt und entmutigt, Kinder in Ungarn großzuziehen.
Die Regierung, die sich nach außen restriktiv gegen jegliche Migration zeigt, lade auf der anderen Seite Gastarbeiter ein, um die Lücken im Arbeitsmarkt zu schließen, die durch die Abwanderung entstehen, erinnert Krekó.