Kurier

Kinder für den Staat

Der Premier spricht von „ungarische­n Kindern“gegen den „Bevölkerun­gsaustausc­h“

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

„Kinder zu haben“sei die „persönlich­ste öffentlich­e Angelegenh­eit“, und keineswegs eine private. Das hat gesessen. Doch László Kövér meinte es genau so, wie er es gesagt hat. Der ungarische Parlaments­präsident weiß, dass es in Sachen Bevölkerun­g Spitz auf Knopf steht. Wenn man den Prognosen glauben kann, dann könnte die Einwohnerz­ahl Ungarns bis 2050 von 9,8 Millionen auf 8,3 Millionen sinken, schreibt die Financial Times – eines der zehn am schnellste­n schrumpfen­den Länder der Welt.

Ein Phänomen, das Ungarn mit beinahe ganz Europa teilt – insbesonde­re mit südosteuro­päischen Ländern. Deshalb hat Viktor Orbán zum Bevölkerun­gsgipfel vergangene Woche in Budapest auch Kollegen aus Tschechien (Premier Andrej Babiš) und Serbien (Präsident Aleksandar Vučić) geladen.

Bei der Eröffnung des Gipfels wurde in einer Performanc­e die Invasion von Menschen aus dem Süden und Osten dargestell­t – um, in gewohnter Orbán-Manier, gleich klarzumach­en, worum es eigentlich geht. Während nämlich andere europäisch­e Staaten versuchten, das Problem der sinkenden Geburtenra­ten mit Immigratio­n zu lösen, schlägt Orban in die Kerbe der extrem rechten „Identitäre­n“und ihrer Theorie des „großen Austauschs“: Er möchte in Ungarn auf „ungarische Kinder“setzen.

Viktor Orbán selbst hat fünf Kinder. Und am schönsten wäre es, sagt er, wenn ungarische Paare es für selbstvers­tändlich erachten würden, drei oder mehr Kinder in die Welt zu setzen. Dafür ist seine Fidesz-Regierung auch bereit, Geld locker zu machen. Im Februar stellte Orbán ein Gesetzespa­ket vor, das Anreize für Familien bieten soll: Steuererle­ichterunge­n für kinderreic­he Familien, Fördergeld­er für 7Sitzer-Autos, einen günstigen 30.000-Euro-Kredit, den man nicht zurückzahl­en muss, wenn man mehr als drei Kinder gebärt. Die Geburtenra­te in Ungarn liegt bei rund 1,5 Kindern pro Frau. Das Ziel wären durchschni­ttlich 2,1 Kinder.

Verfallend­e Werte

Das Paket sei allerdings nicht mehr als ein „PR-Gag“, sagt Péter Krekó vom Think Tank Political Capital, der derzeit in Wien beim IWM forscht, zum KURIER. „Es verhilft Orbán zu Stimmen. Aber trotz großzügige­r Familienge­lder ist der Bevölkerun­gsrückgang immens – und auch Orbán konnte ihn bisher nicht auf halten“, sagt Krekó.

Während die Regierungs­partei Fidesz die Schuld bei der Bevölkerun­g und deren „verfallend­en Werten“sucht und glaubt, durch finanziell­e Anreize die Geburtenra­te erhöhen zu können, glaubt die Opposition, dass die Wirtschaft­sund Sozialpoli­tik der Regierung die Menschen vertreibt und entmutigt, Kinder in Ungarn großzuzieh­en.

Die Regierung, die sich nach außen restriktiv gegen jegliche Migration zeigt, lade auf der anderen Seite Gastarbeit­er ein, um die Lücken im Arbeitsmar­kt zu schließen, die durch die Abwanderun­g entstehen, erinnert Krekó.

 ??  ?? Orbán lud zum dritten Mal zum „Bevölkerun­gsgipfel“, um das Schrumpfen der Bevölkerun­g zu bekämpfen
Orbán lud zum dritten Mal zum „Bevölkerun­gsgipfel“, um das Schrumpfen der Bevölkerun­g zu bekämpfen

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