Dagi, Arnie und die Gene
Alt sein macht stark. Wir müssen uns nicht von jedem Mainstream mitreißen lassen, sondern schwimmen oft dagegen an und erlauben uns unsere eigene Meinung.
Das hat übrigens nichts mit Altersstarrsinn zu tun, liebe junge Freunde: Vielerlei modisches Vorurteil hält einfach der angehäuften Lebens-Erfahrung nicht stand. Und wir müssen nicht mehr bei jeglicher (auch gedanklichen) Mode mitmachen. Denn wir müssen nicht mehr „in“sein. Wir sind es. Da ist die Sache mit den Genen. Erst das verpönte rosa TShirt macht das weibliche Kind zum Mädchen? Und man braucht nur dem männlichen Kind die Puppe als Lieblingsspielzeug aufdrängen, dann wird es nie ein pistolenschwingender Klein-Macho? Wie lange haben wir alle daran glauben wollen. Aber leider: weit gefehlt. Spätestens wenn eine nach „68 sozialisierte Mädchen-Mutter zur Buben-Oma wird, erlebt sie das Überraschende, das gar nicht so überraschend ist: die Macht der Gene. Sie steht im Übrigen einer gleichberechtigten Gesellschaft nicht im Wege.
Das Binnen-I
Zum Glück wissen wir ja als aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts längst, dass ein guter Politiker ein guter Politiker ist, egal welches Geschlecht er hat. Ein guter Manager, ein guter Schreiber etc. ebenso. Apropos gegen den Mainstream geschwommen: Ich schreibe das als alter Mensch, der unsere nuancenreiche und grammatikalisch vielschichtige Sprache liebt, sehr bewusst nicht politisch korrekt mit Binnen-I. Neben allen Argumenten der Verständlichkeit, der Sprachverschandelung – diese GenderMode, die übrigens Emmanuel Macron (!!) in Frankreich abgeschafft hat, kostet Zeit, LebensZeit, und davon habe ich nichts mehr sinnlos zu verschenken. Aber zurück zu den Genen: Dieser Tage frage ich mich, ob sie auch unseren Umgang mit dem Altwerden bestimmen. Gerade durften wir alle mit „Arnie“Schwarzenegger mitleiden, der mit lächerlichen 72 jammert: „Altern ist scheußlich. Es ist nicht schön. Vor allem für eine Person wie mich, die einen außergewöhnlichen Körper hatte.“Ach nein, wie traurig. Erinnert mich an Freunde, die das erste graue Haar oder die sich lichtende Haarpracht in die Depression trieb. Nicht dass ich andeuten will, Männer seien eitel. Aber vielleicht kommen sie mit Veränderungen schlechter zurecht, hängen an der Vergangenheit, wollen ihre Jugend krampfhaft festhalten (manchmal auch in Form einer Harley-Davidson oder einer neuen Kindfrau).
Freilich: Auch Frauen finden das Altern nicht schön. Aber sie schicken sich wohl tatkräftiger ins Unvermeidliche. Wie unsere „Dagi Nazionale“Koller, die sich vom (eingestandenen) Schock des 80ers nicht lähmen lässt, sondern neu durchstarten will: „Man muss sich Aufgaben stellen, auch wenn der Körper einem hin und wieder Grenzen aufzeigt.“Genau das vergisst man so leicht, wenn die Jahrzehnte sich auf den Schultern stapeln: Wir haben nicht nur eine Vergangenheit, wir haben auch eine Zukunft. Immer noch. Wie lang sie dauert, ist eine Frage, die nicht zählt: Das haben wir auch mit 30 nicht gewusst. Was wir damals aber gewusst haben, das war, dass die Gegenwart zählt und die Zukunft voller neuer Chancen ist. Warum sollte das im Alter nicht mehr stimmen? Eben. altnaund@kurier.at
Ruth Pauli ist alt (69) und schreibt immer noch. Früher war sie lange Jahre innenpolitische Kolumnistin beim KURIER.