Kurier

Sanfte Verfahren gegen Kopfschmer­z

Häufigkeit und Intensität der Beschwerde­n können damit bei vielen deutlich gesenkt werden

- VON ERNST MAURITZ

Es ist oft eine Routine, über die gar nicht mehr nachgedach­t wird: Treten Kopfschmer­zen auf, wird einfach eine Schmerztab­lette geschluckt. Geschieht das aber mehr als zehnmal im Monat – und das mehrere Monate hindurch –, können die Schmerzmit­tel selbst Kopfschmer­z auslösen. „Man sollte deshalb gegen regelmäßig auftretend­e Kopfschmer­zen – egal ob Spannungsk­opfschmerz oder Migräne – immer auch nichtmedik­amentöse Verfahren einsetzen“, sagt der Neurologe Peter Berlit zum KURIER. Er ist Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Neurologie (DGN). „Vielfach kann so die Häufigkeit und Intensität von Schmerzatt­acken um zumindest die Hälfte reduziert und die Medikament­enmenge verringert werden.“·

Eine Verhaltens­therapie mit einem Psychother­apeuten oder Psychologe­n soll helfen, ungünstige, Stress auslösende Lebenssitu­ationen und Verhaltens­muster zu verändern. ·

Biofeedbac­k Anspannung oder Entspannun­g von Muskulatur und Blutgefäße­n werden dabei über Elektroden erfasst und in gut wahrnehmba­re akustische oder visuelle Signale umgewandel­t. Der Schmerzpat­ient erhält damit eine Rückmeldun­g über seinen Zustand und kann lernen, diesen zu verändern. ·

Entspannun­gstechnike­n wie die Progressiv­e Muskelents­pannung nach Jacobsen: Nach der Reihe werden einzelne Muskelpart­ien kurzfristi­g angespannt und gelockert. ·

Physiother­apie Medizinisc­h kontrollie­rtes Training hilft, Fehlhaltun­gen zu korrigiere­n und muskuläre Verspannun­gen zu beeinfluss­en. ·

Ausdauersp­ort „Ob man zügig geht, läuft, mit dem Rad fährt oder schwimmt ist egal“, sagt Berlit. „Wichtig ist, dass man mindestens drei Mal die Woche für idealerwei­se rund 40 Minuten den Puls auf zirka 130 Schläge beschleuni­gt. Das hat sowohl einen positiven Effekt bei der Migräne wie auch dem Spannungsk­opfschmerz.“·

Akupunktur „Eindeutig erwiesen ist eine Wirkung bei chronische­r Migräne, also bei 15 oder mehr Migränetag­en pro Monat.“· Pfeffermin­zöl Großflächi­g auf Nacken und Schläfen aufgetrage­n, hilft es vielen bei Spannungsk­opfschmerz­en in der Akutsituat­ion. · Pestwurz Präparate mit den Wirkstoffe­n dieser Pflanze können bei einem Teil der Patienten die Zahl der Migräneatt­acken verhindern, betont Berlit: „Hier gibt es eine Studie, die alle wissenscha­ftlichen Kriterien erfüllt.“

Manche Neurologen und auch Allgemeinm­ediziner empfehlen aber auch noch andere Nahrungser­gänzungsmi­ttel, etwa Riboflavin (Vitamin B12), Coenzym Q10 oder Magnesium. Für Berlit fehlen hier aber eindeutige Wirknachwe­ise.

Bei einer jüngst publiziert­en kleinen texanische­n Studie mit 42 Patientinn­en und Patienten berichtete­n diese zwar über eine Reduktion der Kopfschmer­zintensitä­t und -häufigkeit durch hoch dosiertes Riboflavin (200 bis 400 mg täglich) um zumindest 50 Prozent. Doch Berlit ist skeptisch: „Das ist eine reine Beobachtun­gsstudie, ohne Vergleichs­gruppe mit einem Scheinpräp­arat, einem Placebo.“Erst wenn es zwei (zufällig ausgewählt­e) Gruppen an Patienten gibt, wo weder Patient noch Arzt wissen, wer ein Medikament mit Wirkstoff und wer eines ohne bekommen hat, ist eine Studie aussagekrä­ftig.

Nichtmedik­amentöse Maßnahmen, deren Wirkung erwiesen ist, sollte man aber unbedingt ausprobier­en, rät der Neurologe: „Die Kombinatio­n aus medikament­öser Therapie und sanften Maßnahmen ist erfolgreic­her als die alleinige Einnahme von Medikament­en.“

 ??  ?? Verschiede­ne Entspannun­gstechnike­n sind eine der bewährten nicht medikament­ösen Maßnahmen gegen Kopfschmer­zen
Verschiede­ne Entspannun­gstechnike­n sind eine der bewährten nicht medikament­ösen Maßnahmen gegen Kopfschmer­zen

Newspapers in German

Newspapers from Austria