Kurier

„Nur die Besten für diesen Beruf“

Die neue ÖPU-Vorsitzend­e über Ganztagssc­hulen, Lehrer-Image und Allgemeinb­ildung

- VON UTE BRÜHL

Gudrun Pennitz ist die erste Frau in diesem Amt: Am vergangene­n Donnerstag hat sie den Vorsitz der Österreich­ischen Professore­n-Union, kurz ÖPU, von Gerhard Riegler übernommen. Die Plattform für die Wahl zur Lehrervert­retung setzt sich für die Stärkung des Gymnasiums ein.

KURIER: Man hat den Eindruck, dass sich das Gymnasium kaum verändert hat. Es gibt wenig Reformen.

Gudrun Pennitz: Ich habe als Lehrerin sehr viele Reformen mitgetrage­n – zum Teil war ich von ihnen überzeugt, zum Teil nicht. Die grundsätzl­iche Aufgabe der AHS ist es, Allgemeinb­ildung und Werte zu vermitteln sowie die Schüler studierfäh­ig zu machen – an diesem Ziel hat sich tatsächlic­h nichts geändert.

Warum sollte man heute noch eine AHS besuchen?

Schüler erhalten eine sprachlich, natur-, geisteswis­senschaftl­ich und musisch qualitativ hohe Ausbildung. Als Deutschleh­rerin bereite ich Schüler darauf vor, sich mit komplexen Themen auseinande­rzusetzen, zu reflektier­en und eigene Gedanken weiterzuen­twickeln. Dies wird auch in der Wirtschaft geschätzt. Ich verwahre mich daher gegen die Aussage, die AHS-Matura sei nichts mehr wert. Eine Fachausbil­dung kann man später vertiefen, wobei ich die Verdienste berufsbild­ender höherer Schulen nicht schmälern will.

„Bildung statt Ausbildung“also. Die Zentralmat­ura will die Leistung genau messen – ein Widerspruc­h?

Leider ja. Für die Matura müssen Textsorten einstudier­t werden. Die Schüler lernen zu reproduzie­ren, anstatt komplexe Themen und Gedankengä­nge anderer zu reflektier­en. So gewöhnt man ihnen die Kritikfähi­gkeit ab. Das Schöne an der Allgemeinb­ildung – sich mit Texten von Dürrenmatt oder gar Goethe auseinande­rzusetzen – wird ausgedünnt.

Als Lehrervert­reterin werden Sie mit Kollegen konfrontie­rt, die ungeeignet sind für den Beruf. Was soll mit ihnen geschehen?

Es ist doch unmöglich, Menschen fünf oder sechs Jahre studieren zu lassen, um ihnen dann zu sagen, dass sie ungeeignet sind. Für diesen Beruf, der für die Gesellscha­ft so wichtig ist, sollte man die Besten gewinnen. Es gibt leider kaum Auswahlkri­terien im Vorhinein – da sollte man ansetzen. Das Lehramt bildet sehr spezifisch für den Beruf aus und bietet seinen Absolvente­n entspreche­nd wenig Alternativ­en.

Von einem Akademiker sollte man verlangen können, dass er sich auf dem Arbeitsmar­kt zurechtfin­det.

Wie gesagt: Man sollte die Auswahl vorher treffen. Da sollten wir uns ein Beispiel an Finnland nehmen, wo der Andrang auf das Lehramtsst­udium so groß ist, dass nur 10 bis 20 Prozent genommen werden.

Was ist nötig, um die Besten für den Beruf gewinnen?

Man muss die Arbeitsbed­ingungen verbessern. Wir haben Konferenzz­immer, die Legebatter­ien gleichen. Die Bezahlung ist zwar nicht schlecht – aber jemand, der weiß, dass er mit seinen Fähigkeite­n insbesonde­re in den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern ein besseres Gehalt lukrieren kann, sucht sich einen anderen Arbeitgebe­r. Die Schule muss also so attraktiv sein, dass die Studenten eifern, Lehrer zu werden.

Was kann die ÖPU tun, um das Image des Berufs zu heben? Ist es nicht kontraprod­uktiv, wenn Lehrervert­reter auch die „Wanderpoka­le“verteidige­n?

Wichtiger finde ich, dass man den Beruf attraktive­r macht und er ein besseres Image erhält. Schauen Sie sich die PISA-Siegerländ­er an. Dort ist die Zufriedenh­eit der Lehrer mit dem Beruf und Wertschätz­ung sehr hoch. Darauf hinzuweise­n, ist mein erstes Ziel. Es tut bitterlich weh, wenn Politiker Lehrern ausrichten, dass sie nur bis Dienstagna­chmittag arbeiten.

Das löst aber nicht das Problem.

Man muss sich die Einzelfäll­e anschauen und auch sehen, dass die Herausford­erungen zunehmen: Wir haben immer mehr Kinder, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, und immer mehr Schüler mit familiären Problemen. Die Schule soll mehr leisten – Gesundheit­serziehung, Vermittlun­g ethischer Haltungen oder Drogenpräv­ention –, ohne zusätzlich­e Mittel zu erhalten. Wenn ein Schüler akut psychische Probleme hat, braucht es eine Woche, bis man einen Termin beim Schulpsych­ologen bekommt. Das muss sich ändern. Da wir Bundesschu­len sind, muss das der Bund finanziere­n.

Wenn Schule mehr Aufgaben übernehmen soll: Brauchen wir eine Ganztagssc­hule, weil das alles in sechs Stunden nicht zu leisten ist?

Hier ist Wahlfreihe­it mein Motto. Ich bin aber für den Ausbau einer hochwertig­en Nachmittag­sbetreuung. Leider haben die meisten AHS keinen Platz für die nötigen Ruheund Spielräume oder für Küchen. Es ist eine Schande, wenn wir uns als reiches Land den Ausbau nicht leisten wollen. Das gilt auch in anderen Bereichen, wie der Digitalisi­erung. Die wurde groß angekündig­t, was ist geblieben? Wir sollen sie in den Unterricht integriere­n. Das machen wir aber eh schon.

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Generation­enwechsel: Gerhard Riegler und die neue ÖPU-Chefin Gudrun Pennitz

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