Kebab mit Alles statt Leberkäse mit Nichts
Kritik. „Die Migrantigen“in den Kammerspielen der Josefstadt – Oida, diese bitterböse Satire macht sehr viel Spaß.
Vom erfolgreichen Film zum (vermutlich ebenso erfolgreichen) Bühnenhit – dies ist die simple Formel von „Die Migrantigen“in den Kammerspielen. Denn die Dramatisierung von Arman T. Riahis Spielfilm aus dem Jahr 2017 hat alles, was ein Publikumsrenner braucht. Eine sehr gute Story, tolle Schauspieler, bitterbösen Witz, jede Menge Tempo und Action und die gerade in Vorwahlzeiten unverzichtbare Dosis sehr aktueller, politischer Bezüge.
Doch der Reihe nach: Mit „Die Migrantigen“gelang Arman T. Riahi ein echter Wurf rund um das Thema Immigration, Integration und Vorurteile. Denn der u. a. auch mit einer KURIER ROMY prämierte Streifen ist ein herrlich überhöhtes, dennoch ziemlich reales Klischee-Schaulaufen der Superlative.
Subkultur
„Tschuschen“statt „echte Österreicher“, Döner statt Leberkäse, Kriminalität statt Integrität – lange steht das schöne Heimatland nicht mehr. Zumindest dann nicht, wenn es nach der von einem fiktiven Sender namens ORG produzierten, nur auf Quoten schielenden Doku „Rudolfsgrund“geht. Sie sind halt einfach anders und schräg, diese beiden Kleinkrimellen Omar und Tito, die den Zusehern ihre Subkultur via Bildschirm näherbringen.
Dumm nur, dass es sich bei Omar und Tito in Wahrheit um einen höchst erfolglosen Schauspieler bzw. einen ebenso erfolglosen Start-upUnternehmer handelt, die Benny und Marko heißen, die im AMS als Team zusammengespannt werden, die von der unter (Quoten-)Druck stehenden Redakteurin Marlene gutgläubig für ihre reißerische „Rudolfsgrund“-Doku gecastet werden. Was aber passiert, wenn das Spiel ausgerechnet bei der ROMY-Gala aufgedeckt wird?
Pointenfeuerwerk
In den Kammerspielen jedenfalls sehr viel. Regisseur Sarantos Georgios Zervoulakos hat den Originalfilm noch mehr gestrafft, was anfangs auf Kosten der wahren Charaktere von Benny und Marko geht, entzündet aber im mit Videos und Kameras arbeitenden Bühnenbild (Ece Anisoglu) ein Pointenfeuerwerk der Superlative.
Genüsslich spielt die Inszenierung mit Klischees, mit Stereotypen; zwischen Ibiza und Schreddern hält die Tagespolitik Einzug ins turbulente Geschehen. Um es mit einem im nunmehrigen Stück vorkommenden Wort zu sagen: „Oida“, das macht Spaß. Auch wenn vielleicht nicht jeder klassische Josefstadt-Besucher den derben Slang goutieren mag – selten trifft ein (nur 90-minütiger) Theaterabend den sozialpolitischen Nerv der Zeit so gut.
Coolness
Auch dank eines furiosen Ensembles. So geben Jakob Elsenwenger als Marko/Tito und Luka Vlatkovic als Benny/Omar die zwei Antihelden mit einer fast schon an Quentin-Tarantino-Filme erinnernden Coolness. Doris Schretzmayer ist (wie im Film) eine fabelhafte Marlene, die in Martin Niedermair den idealbornierten Senderchef findet.
Komödiantische Gustostücke liefern auch Gioia Osthoff als Markos schwangere Freundin Sophie, Ljubisa Lupo Grujcic als gestreng-besoffener Herr Bilic, Martina Spitzer als Dame der Marktaufsicht und vor allem Susanna Wiegand als Putzfrau Romana ab. Özaydin Akbaba, Wilhelm Iben und Tamim Fattal ergänzen gut. Diese „Migrantigen“sind „echte Wiener“. KURIER-Wertung: