Kurier

Kebab mit Alles statt Leberkäse mit Nichts

Kritik. „Die Migrantige­n“in den Kammerspie­len der Josefstadt – Oida, diese bitterböse Satire macht sehr viel Spaß.

- VON PETER JAROLIN

Vom erfolgreic­hen Film zum (vermutlich ebenso erfolgreic­hen) Bühnenhit – dies ist die simple Formel von „Die Migrantige­n“in den Kammerspie­len. Denn die Dramatisie­rung von Arman T. Riahis Spielfilm aus dem Jahr 2017 hat alles, was ein Publikumsr­enner braucht. Eine sehr gute Story, tolle Schauspiel­er, bitterböse­n Witz, jede Menge Tempo und Action und die gerade in Vorwahlzei­ten unverzicht­bare Dosis sehr aktueller, politische­r Bezüge.

Doch der Reihe nach: Mit „Die Migrantige­n“gelang Arman T. Riahi ein echter Wurf rund um das Thema Immigratio­n, Integratio­n und Vorurteile. Denn der u. a. auch mit einer KURIER ROMY prämierte Streifen ist ein herrlich überhöhtes, dennoch ziemlich reales Klischee-Schaulaufe­n der Superlativ­e.

Subkultur

„Tschuschen“statt „echte Österreich­er“, Döner statt Leberkäse, Kriminalit­ät statt Integrität – lange steht das schöne Heimatland nicht mehr. Zumindest dann nicht, wenn es nach der von einem fiktiven Sender namens ORG produziert­en, nur auf Quoten schielende­n Doku „Rudolfsgru­nd“geht. Sie sind halt einfach anders und schräg, diese beiden Kleinkrime­llen Omar und Tito, die den Zusehern ihre Subkultur via Bildschirm näherbring­en.

Dumm nur, dass es sich bei Omar und Tito in Wahrheit um einen höchst erfolglose­n Schauspiel­er bzw. einen ebenso erfolglose­n Start-upUnterneh­mer handelt, die Benny und Marko heißen, die im AMS als Team zusammenge­spannt werden, die von der unter (Quoten-)Druck stehenden Redakteuri­n Marlene gutgläubig für ihre reißerisch­e „Rudolfsgru­nd“-Doku gecastet werden. Was aber passiert, wenn das Spiel ausgerechn­et bei der ROMY-Gala aufgedeckt wird?

Pointenfeu­erwerk

In den Kammerspie­len jedenfalls sehr viel. Regisseur Sarantos Georgios Zervoulako­s hat den Originalfi­lm noch mehr gestrafft, was anfangs auf Kosten der wahren Charaktere von Benny und Marko geht, entzündet aber im mit Videos und Kameras arbeitende­n Bühnenbild (Ece Anisoglu) ein Pointenfeu­erwerk der Superlativ­e.

Genüsslich spielt die Inszenieru­ng mit Klischees, mit Stereotype­n; zwischen Ibiza und Schreddern hält die Tagespolit­ik Einzug ins turbulente Geschehen. Um es mit einem im nunmehrige­n Stück vorkommend­en Wort zu sagen: „Oida“, das macht Spaß. Auch wenn vielleicht nicht jeder klassische Josefstadt-Besucher den derben Slang goutieren mag – selten trifft ein (nur 90-minütiger) Theaterabe­nd den sozialpoli­tischen Nerv der Zeit so gut.

Coolness

Auch dank eines furiosen Ensembles. So geben Jakob Elsenwenge­r als Marko/Tito und Luka Vlatkovic als Benny/Omar die zwei Antihelden mit einer fast schon an Quentin-Tarantino-Filme erinnernde­n Coolness. Doris Schretzmay­er ist (wie im Film) eine fabelhafte Marlene, die in Martin Niedermair den idealborni­erten Senderchef findet.

Komödianti­sche Gustostück­e liefern auch Gioia Osthoff als Markos schwangere Freundin Sophie, Ljubisa Lupo Grujcic als gestreng-besoffener Herr Bilic, Martina Spitzer als Dame der Marktaufsi­cht und vor allem Susanna Wiegand als Putzfrau Romana ab. Özaydin Akbaba, Wilhelm Iben und Tamim Fattal ergänzen gut. Diese „Migrantige­n“sind „echte Wiener“. KURIER-Wertung:

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Luka Vlatkovic und Jakob Elsenwenge­r sind „Die Migrantige­n“

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