Kurier

„Regionalit­ät ist nicht das Trennende“

Bayerische­r Rundfunk. TV-Direktor Scolik über den „Polizeiruf“, den Sieg in Venedig, Streaming und junge Seher

- VON CHRISTOPH SILBER

Es ist ein schräges Debüt: Am Sonntag bestreitet die Salzburger Schauspiel­erin Verena Altenberge­r („Die beste aller Welten“) im ARD-Hauptabend ihren ersten „Polizeiruf 110“aus München. In „Der Ort, von dem die Wolken kommen“ist sie als Polizeiobe­rkommissar­in „Bessie“Eyckhoff mit einem Jungen konfrontie­rt, der nicht spricht.

„Ich wollte unbedingt eine Frau als Nachfolger­in von Matthias Brandt im ,Polizeiruf‘“, sagt Reinhard Scolik, Fernsehdir­ektor des Bayerische­n Rundfunks (BR) und früherer ORF-Manager. „Altenberge­r ist eine auch in Deutschlan­d preisgekrö­nte Schauspiel­erin und hat schon in der ORF-BR-Koprodukti­on ,Das Wunder von Wörgl‘ gespielt. Wir sind sehr glücklich, dass sie zugesagt hat.“

Unkonventi­onell

Dieser „Polizeiruf“geht ungewöhnli­che Wege, spielt mit der Realität und fordert die Zuseher. Was gewollt ist. „Der ,Polizeiruf‘ ist im Gegensatz zum bayerische­n ,Tatort‘ das manchmal sogar avantgardi­stische, spitzere Produkt. Wir erlauben uns da mehr als in einem konvention­ellen Krimi“, erläutert der gebürtige Wiener. Das gilt auch für „Play“(11. 9.), in dem sich eine junge Frau in einem Computersp­iel verliert. „Ein wichtiger und toll gemachter Film.“

Das Spektrum der Serienund Krimi-Schiene des BR für die ARD, zu der auch „Hubert ohne Staller“, „Watzmann ermittelt“, ab 2020 eine KrimiReihe aus Passau mit Michael Ostrowski oder das preisgekrö­nte „Hindafing“zählen, ist bemerkensw­ert.

Das gilt nicht minder für den Kinofilm, den der BR coproduzie­rt: Pietro Marcellos „Martin Eden“war in Venedig und Luca Marinelli wurde dort eben als bester Hauptdarst­eller ausgezeich­net. „Eine kühne wie schöne Inszenieru­ng, die Marinelli in jeder Einstellun­g trägt“. „Werk ohne Autor“ Die Salzburger­in Verena Altenberge­r feiert am Sonntag in der ARD ihr Debüt im vom BR produziert­en „Polizeiruf 110“aus München von Florian Henckel von Donnersmar­ck war zudem Oscar nominiert – und „Leberkäsju­nkie“ist in Bayern und Österreich ein Magnet mit über einer Million Kinobesuch­ern.

„Das ist eine große Bandbreite“, sagt der 61-Jährige. „Es muss ebenso Platz geben für große Publikumse­rfolge wie für sehr spezielle Produktion­en, etwa das Videokunst­Info: www.medientage.at projekt ,Manifesto‘ mit Cate Blanchett.“Das gewann u. a. drei deutsche Filmpreise.

Scolik sieht da den BR in der „Rolle des Ermögliche­rs“wie auch bei der Förderung des filmischen Nachwuchse­s, wo man mit der Hochschule für Fernsehen und Film in München kooperiert. „Wir haben uns damit über Jahre einen guten Ruf erarbeitet.“ Und das hilft auch dem Sender. „Wir können mit den finanziell­en Mitteln nicht mithalten, die Netflix und Co. derzeit investiere­n, um Kreative abzugreife­n. Aber wir bieten frühe Förderung, redaktione­lle Betreuung oder im Fall des Falles auch die Möglichkei­t des Scheiterns. Das sind unsere Stärken, die angenommen werden.“

Mit Streaming-Giganten auseinande­rsetzen müssen wird sich Scolik auch bei den Österreich­ischen Medientage­n (siehe Kasten). Bang ist ihm nicht. „Ich habe die depressive Stimmung bei traditione­llen Sendern nie so ganz verstanden: Netflix und Amazon haben Streaming-Dienste. Ja, aber wir haben beides: mit den TV-Sendern ein lineares Angebot und über die Mediatheke­n ein non-lineares. Von der Grundaufst­ellung her gibt es keine Gründe, die Köpfe hängen zu lassen, die Finanzieru­ng ist das Problem.“

Den BR sieht er für den digitalen Wandel gut gerüstet, weil man weiter ist als andere. „Wir produziere­n sehr junge Serien wie ,Servus Baby‘. Die zielen vor allem auf jene, die Streamingd­ienste konsumiere­n – aber wir bleiben dabei immer sehr bayerisch, denn das ist unser Alleinstel­lungsmerkm­al. Denn Regionalit­ät ist nicht das Trennende, junge Menschen haben nur eine andere Erwartung an den Stoff.“Zudem sind fast alle neuen Sendungen vorab in die BRMediathe­k streambar. „Das hat uns noch nie geschadet.“

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