„Regionalität ist nicht das Trennende“
Bayerischer Rundfunk. TV-Direktor Scolik über den „Polizeiruf“, den Sieg in Venedig, Streaming und junge Seher
Es ist ein schräges Debüt: Am Sonntag bestreitet die Salzburger Schauspielerin Verena Altenberger („Die beste aller Welten“) im ARD-Hauptabend ihren ersten „Polizeiruf 110“aus München. In „Der Ort, von dem die Wolken kommen“ist sie als Polizeioberkommissarin „Bessie“Eyckhoff mit einem Jungen konfrontiert, der nicht spricht.
„Ich wollte unbedingt eine Frau als Nachfolgerin von Matthias Brandt im ,Polizeiruf‘“, sagt Reinhard Scolik, Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks (BR) und früherer ORF-Manager. „Altenberger ist eine auch in Deutschland preisgekrönte Schauspielerin und hat schon in der ORF-BR-Koproduktion ,Das Wunder von Wörgl‘ gespielt. Wir sind sehr glücklich, dass sie zugesagt hat.“
Unkonventionell
Dieser „Polizeiruf“geht ungewöhnliche Wege, spielt mit der Realität und fordert die Zuseher. Was gewollt ist. „Der ,Polizeiruf‘ ist im Gegensatz zum bayerischen ,Tatort‘ das manchmal sogar avantgardistische, spitzere Produkt. Wir erlauben uns da mehr als in einem konventionellen Krimi“, erläutert der gebürtige Wiener. Das gilt auch für „Play“(11. 9.), in dem sich eine junge Frau in einem Computerspiel verliert. „Ein wichtiger und toll gemachter Film.“
Das Spektrum der Serienund Krimi-Schiene des BR für die ARD, zu der auch „Hubert ohne Staller“, „Watzmann ermittelt“, ab 2020 eine KrimiReihe aus Passau mit Michael Ostrowski oder das preisgekrönte „Hindafing“zählen, ist bemerkenswert.
Das gilt nicht minder für den Kinofilm, den der BR coproduziert: Pietro Marcellos „Martin Eden“war in Venedig und Luca Marinelli wurde dort eben als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. „Eine kühne wie schöne Inszenierung, die Marinelli in jeder Einstellung trägt“. „Werk ohne Autor“ Die Salzburgerin Verena Altenberger feiert am Sonntag in der ARD ihr Debüt im vom BR produzierten „Polizeiruf 110“aus München von Florian Henckel von Donnersmarck war zudem Oscar nominiert – und „Leberkäsjunkie“ist in Bayern und Österreich ein Magnet mit über einer Million Kinobesuchern.
„Das ist eine große Bandbreite“, sagt der 61-Jährige. „Es muss ebenso Platz geben für große Publikumserfolge wie für sehr spezielle Produktionen, etwa das VideokunstInfo: www.medientage.at projekt ,Manifesto‘ mit Cate Blanchett.“Das gewann u. a. drei deutsche Filmpreise.
Scolik sieht da den BR in der „Rolle des Ermöglichers“wie auch bei der Förderung des filmischen Nachwuchses, wo man mit der Hochschule für Fernsehen und Film in München kooperiert. „Wir haben uns damit über Jahre einen guten Ruf erarbeitet.“ Und das hilft auch dem Sender. „Wir können mit den finanziellen Mitteln nicht mithalten, die Netflix und Co. derzeit investieren, um Kreative abzugreifen. Aber wir bieten frühe Förderung, redaktionelle Betreuung oder im Fall des Falles auch die Möglichkeit des Scheiterns. Das sind unsere Stärken, die angenommen werden.“
Mit Streaming-Giganten auseinandersetzen müssen wird sich Scolik auch bei den Österreichischen Medientagen (siehe Kasten). Bang ist ihm nicht. „Ich habe die depressive Stimmung bei traditionellen Sendern nie so ganz verstanden: Netflix und Amazon haben Streaming-Dienste. Ja, aber wir haben beides: mit den TV-Sendern ein lineares Angebot und über die Mediatheken ein non-lineares. Von der Grundaufstellung her gibt es keine Gründe, die Köpfe hängen zu lassen, die Finanzierung ist das Problem.“
Den BR sieht er für den digitalen Wandel gut gerüstet, weil man weiter ist als andere. „Wir produzieren sehr junge Serien wie ,Servus Baby‘. Die zielen vor allem auf jene, die Streamingdienste konsumieren – aber wir bleiben dabei immer sehr bayerisch, denn das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Denn Regionalität ist nicht das Trennende, junge Menschen haben nur eine andere Erwartung an den Stoff.“Zudem sind fast alle neuen Sendungen vorab in die BRMediathek streambar. „Das hat uns noch nie geschadet.“
Neuaufstellung