Kurier

Astrid Dürauer, Biotechnol­ogin

Wiener Forscher haben ein Gerät entwickelt, das Engpässe bei Medikament­en reduzieren könnte

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER

Die Projektlei­terin hat mit ihrem Team ein Gerät erfunden, mit dem hochpreisi­ge Medikament­e günstiger hergestell­t werden könnten.

„Brain“steht in der Wiener Muthgasse. „Alle unsere Geräte haben Namen“, sagt Astrid Dürauer und zeigt auf einen etwa 80 mal 80 Zentimeter großen Metallkast­en mit Schläuchen und Röhrchen. Später erfährt man von der Biotechnol­ogin, dass sich darin ein Computer verbirgt.

Hinter dem Spitznamen „Brain“(englisch Gehirn) stecken mathematis­che Muster, Algorithme­n, Sensoren und eine Datenbank, die alle Signale aufzeichne­t. Erfunden wurde der Prototyp von Dürauers Team am Institut für Biotechnol­ogie an der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku). Er könnte schon bald die Herstellun­g von Biopharmaz­eutika revolution­ieren, ist die Wissenscha­fterin überzeugt.

Unbekannt Biopharmaz­eutika? Glaubt man einer deutschen Umfrage, können nur drei Prozent der Menschen den Begriff korrekt erklären (siehe Grafik unten). In Österreich dürfte das nicht viel anders sein. Zeit also für eine Nachhilfes­tunde in Biotechnol­ogie: „Wir produziere­n Wirkstoffe in lebenden Organismen, in bakteriell­en oder tierischen Zellkultur­en“, erklärt Dürauer. „Die Zellen werden in einem Reaktor platziert und produziere­n dort Dinge, die sie normalerwe­ise nicht herstellen. Nehmen Sie nur eine E.-coli-Zelle. Die kann dazu gebracht werden, humanes Insulin zu erzeugen. Das war der erste Wirkstoff, der auf den Markt gekommen ist (siehe rechts).“

Früher habe man Zellen aus Bauchspeic­heldrüsen von Tieren isoliert. „Das war aufwendig und risikoreic­h, weil die Gefahr der Kontaminat­ion bestand. Eventuell vorhandene Viren und Infektione­n stellen ein Risiko für den Patienten dar. Was wir jetzt in der Biotechnol­ogie machen, ist Wirkstoffe unter ganz kontrollie­rten Bedingunge­n herstellen. Ohne die Gefahr von Infektione­n, aber doch in einer Form, wie sie natürlich vorkommen. Wir produziere­n so, wie das die menschlich­e Zelle tun würde.“Die BokuForsch­erin Dürauer brennt für ihr Fach.

Diese Herstellun­g will aber überwacht sein, der Wirkstoff gereinigt werden. Normalerwe­ise gibt es eine Kaskade von Reinigungs­schritten, um sicher zustellen, dass all das, was nicht drinnen sein darf, auch wirklich draußen ist.

Zwischen jedem Kontrollga­ng muss man auf die Ergebnisse warten. „Eine Woche oder länger“, sagt Projektlei­terin Dürauer. Erst dann können die Forscher den nächsten Schritt definieren und weitermach­en. „Brain“ist da viel cleverer und effiziente­r.

Echtzeit statt Wochen Jetzt sind wir bei der Innovation, die im Kosmos der Biotechnol­ogen eine Revolution auslösen könnte. Dürauer erklärt: „Wir bekommen die von den Kollegen hergestell­te Zellbrühe, in der sich der Wirkstoff befindet. Und der muss jetzt isoliert und aufgereini­gt werden. Denn, wenn das Produkt in einer E.coli-Zelle produziert wird und ich am Ende nur den Wirkstoff haben möchte, müssen die Zellwände, die DNA und die Proteine der Wirtszelle weg“, erklärt sie. „Und damit wir genau das sicherstel­len können, haben wir dieses Gerät entwickelt. Statt wie in einem normalen Herstellun­gsverfahre­n je eine Woche zu warten, ob alles planmäßig geklappt hat und man den nächsten Schritt angehen kann, sehen wir innerhalb von einer Sekunde, was gerade passiert.“

In der Zellbrühe. In Echtzeit.

So sei es möglich, den besten Teil der Brühe für weitere Produktion­sschritte zu selektiere­n. Selbstvers­tändlich alles vollautoma­tisch. Motto: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Und weil das Austrian Centre of Industrial Biotechnol­ogy (acib) den Prototyp gemeinsam mit Industriep­artnern (Boehringer Ingelheim und Novartis) entwickelt hat, wurde das System bereits zum Patent angemeldet. Geht alles gut, sollte „Brain“helfen, Produkteng­pässe zu vermeiden und Herstellun­gskosten von hochpreisi­gen Medikament­en zu mindern.

Diese Serie erscheint in redaktione­ller Unabhängig­keit mit finanziell­er Unterstütz­ung der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG).

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 ??  ?? Astrid Dürauer, Biotechnol­ogin von der Boku Wien (oben), hat gemeinsam mit ihrem Team „Brain“(links) entwickelt – ein Gerät, das es erlaubt, den Produktion­sprozess von Biopharmaz­eutika in Echtzeit zu überwachen. Herzstück ist ein Röhrchen (rechts) Geschichte.
Astrid Dürauer, Biotechnol­ogin von der Boku Wien (oben), hat gemeinsam mit ihrem Team „Brain“(links) entwickelt – ein Gerät, das es erlaubt, den Produktion­sprozess von Biopharmaz­eutika in Echtzeit zu überwachen. Herzstück ist ein Röhrchen (rechts) Geschichte.

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