Kurier

Seife für die Seelenhaut

Konzert. Ö1-Musik für die FM4-Hörer: Soap&Skin an der frischen Luft in der Wiener Arena

- GEORG LEYRER

Die Arena in Wien ist vieles: Rückprojek­tionsort von Freiheitst­räumen für die ältere Generation, eine coole Konzertloc­ation für die jüngeren.

Mit einem Klassikkon­zertsaal aber dürften sie normalerwe­ise nur wenige assoziiere­n. Außer, wenn Soap&Skin dort auftritt. Anja Plaschg macht unter diesem Namen Musik, die in der derzeit an Exzeptione­llem eh nicht armen heimischen Szene einen Ausnahmeor­t besetzt.

Soap&Skin, das ist Lebensthea­termusik, die anfangs in Verzweiflu­ng, Tod und sonstig Bedrückend­em nach Licht gesucht hat. Aber wie das mit dem Leben und dem Theater so ist, auch nach den wütendsten Stürmen beruhigt es sich, und sei es nur aus Erschöpfun­g. Baute Plaschg früher überlebens­große Verteidigu­ngstürme aus elektronis­chen Klängen und Leidensges­ang zwischen sich und dem Außen, sind ihre Konzerte inzwischen zum gemeinsame­n Moment geworden.

So auch am Freitagabe­nd in der Arena, wo bei bestem Mittseptem­berwetter ein außergewöh­nliches Konzert stattfand. Intensität entstand dabei aus der Verknappun­g der Mittel (Klavier, Kämmerchen­orchester, Percussion, wenig Elektronik) und der Worte. Daraus wurde ein Andachtsab­end, bei dem, wie bei den Eltern im Konzertsaa­l, Handykling­ler angezischt und Ruhe zum Zuhören gesucht werden. Insbesonde­re die romantisch­e Liedkunst war da nicht fern: Soap& Skin ist inzwischen die Ö1-Musik der FM4-Hörer.

Die kamen in großer Zahl und auffällig großer Vielfalt. Denn die Musik von Soap&Skin ist auch ein Gegenentwu­rf zu den Triumphunt­erhaltungs­klängen, die in Zeiten neu aufblühend­er StarkeMänn­er-Sucht auf der Siegerstra­ße unterwegs sind: Hier wird das Verletzlic­he behütet, das Fragende in Ruhe gelassen, und das Gemeinsame liegt darin, dass jeder mit sich selbst alleine ist.

Weltfreund­lich

So kam Plaschg dann auch auf die Bühne, ohne Auftrittsp­athos stand sie da, hielt sich am Mikrofon fest, in das sie alsbald Kräftiges singen und Weniges reden sollte.

Drei Alben von ihr sind inzwischen via Streamingd­ienst verfügbar, das letzte, weltfreund­lichste, „From Gas To Solid / You Are My Friend“stammt aus 2018.

In dieses Material fügten sich live Coverversi­onen ein, die Plaschg in ihre Musiksprac­he übersetzt: Sie macht etwa den 80er-Jahre-Discosong „Voyage, Voyage“zur intensiven Abschiedsr­eisenballa­de. Das Ganze mit sparsamste­r Klavierbeg­leitung dort, wo sonst der Synthiekla­ng wütet.

Später dann erst, lange nach dem wunderschö­nen „Wonder“, bäumten sich die Lichteffek­te und die Elektronik auf, wurde der Emotionsdr­uck in der Arena hochgedreh­t.

Und kaum nur wollte man Abschied nehmen von diesem Abend: Mit der einen oder der anderen Trauerzeil­e im Kopf ging es in die Nacht, und ins Bewusstsei­n zurück, dass der Zustand da drinnen die Ausnahme zur Regel dort draußen ist.

KURIER-Wertung:

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Anja Plaschg alias Soap&Skin in der Wiener Arena

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