Bloß keine Lederjacke
ARD. Schauspielerin Verena Altenberger gibt ihr Debüt im „Polizeiruf 110“(20.15 Uhr)
Es ist ein höchst ungewöhnlicher TV-Krimi. Die Münchner Polizei erwischt einen Buben beim Stehlen. Er kann weder sprechen noch zeichnen – dafür aber gut im Dunkeln sehen. Und er hat am ganzen Körper Narben, die auf Misshandlungen hinweisen. Wer der geheimnisvolle Bub ist und woher er die Verletzungen hat, soll Elisabeth „Bessie“Eyckhoff klären. Gespielt wird sie von Verena Altenberger, die damit heute, Sonntag, in der ARD (20.15 Uhr) ihren Einstand als Ermittlerin beim „Polizeiruf 110“feiert. Die Salzburgerin tritt damit in die Fußstapfen von Matthias Brandt, der bisher beim Münchner Ableger der TV-Krimireihe als Kommissar zu sehen war.
Verrückte Dinge
„Vor dem Dreh war viel Aufregung da, diese Rolle zu spielen. Auch, weil ich wusste: Die bleibt mir jetzt eine Zeit lang“, erzählt Altenberger im Gespräch mit dem KURIER. „Wäre es ein 0815Krimi gewesen, wo ich eine toughe Kommissarin in Lederjacke spiele, hätte mich das weitaus weniger interessiert. Da sind teilweise sehr verrückte Dinge im Drehbuch gestanden und ich hatte große Lust auf die Rolle, zumal das ein quotenstarkes Primetime-Format ist.“
Die Schauspielerin brillierte vor zwei Jahren als drogenkranke Mutter in Adrian Goigingers Drama „Die beste aller Welten“, mimt in der RTL-Serie „Magda macht das schon“eine polnische Pflegerin und stand soeben in Salzburg für eine TV-Doku von ServusTV über das Leben der berüchtigten, mit der Mafia verbandelten Virginia Hill vor der Kamera. Für den „Polizeiruf“, einst als DDRGegenstück zum westdeutschen „Tatort“gegründet, hat sie bereits zwei Fälle gedreht. Der zweite soll noch im Laufe des Jahres ausgestrahlt werden.
Altenbergers Bessie ist eine hemdsärmelige Ermittlerin, engagiert, offenherzig. Und sie trägt Uniform, denn Bessie ist noch keine Kommissarin, sondern Streifenpolizistin. „Über die Uniform wird auch ihr Autoritätskonflikt dargestellt“, sagt die 31Jährige.
Regie führte bei ihrem „Polizeiruf“-Debüt (Titel: „Der Ort, von dem die Wolken kommen“) Florian Schwarz. Er inszenierte bereits den unkonventionellen „Tatort“-Fall „Im Schmerz geboren“mit Ulrich Tukur, erhielt dafür den GrimmePreis. Und auch der neue „Polizeiruf“ist ein wenig anders: Denn im Laufe des düsteren, aber durchaus mit humorigen Momenten gespickten Films fängt der seltsame Bub dann doch an, ein bisschen zu sprechen. Er heißt Polou, sagt er, und der Wolf werde ihn fressen. Bessie hat den Verdacht, noch andere Kinder könnten sich an jenem Ort befinden, von dem Polou offenbar geflohen ist.
Die Psychologin schlägt eine abenteuerlich klingende Methode vor, um mehr zu erfahren: Hypnose. Bessie und der Bub sollen in Trance versetzt und miteinander verbunden werden. Für Altenberger ist dieser Erzählstrang ein Geschenk: „So konnten wir auch das Unbewusste der Figur erzählen, ohne einen Monolog mit Voice-over.“Ein mutiger, aber äußerst spannender Ausflug durch Träume und Ängste von Bessie und Polou beginnt.
Recherche am Sportplatz Vorbereitet hat sich Altenberger auf ihre Rolle in Gesprächen mit einer Polizistin, sie hat das Grundbuch für Polizeischüler gelesen und sogar die Übungen für die Aufnahmeprüfung am Sportplatz ausprobiert – um ein Gefühl zu bekommen, was eine Person wie Bessie gelernt hat. Was sie sich hingegen nicht neu aneignen musste, ist das Schießen – denn Altenberger besitzt einen Waffenschein. „Ich habe mich vor Jahren schon einmal auf eine Rolle vorbereitet, für die man viel schießen musste. Und da habe ich so viel gelernt, dass ich mir gedacht habe, ich könnte auch gleich die Prüfung machen. Aber das ist so wie wenn man einen Führerschein hat, nie fährt und Autos grundsätzlich ablehnt“, so Altenberger lachend. Die entsprechende Rolle konnte die Schauspielerin damals übrigens nicht ergattern. „Manche Leute sagen, wenn ich mich so intensiv vorbereite und die Rolle dann gar nicht bekomme, war das umsonst. Ich denke mir: Energie, die man in etwas hineinsteckt, kommt immer irgendwie zurück.“