György Konrád: Abschied von einem großen Europäer
Literatur. Er überlebt den Holocaust und wurde im kommunistischen Ungarn zum Dissidenten. Mit seinen Werken schuf er herausragende Beispiele von Erinnerungsliteratur. Am Freitag nun ist der Schriftsteller und frühere Präsident der Berliner Akademie der Künste, György Konrád, 86-jährig einer langen, schweren Krankheit erlegen.
Sein Romandebüt „Der Besucher“veröffentlichte er 1969. Der schonungslose Blick auf die offiziell verleugneten Zonen des sozialen Elends im Realsozialismus brachte ihn zunehmend in Opposition zum Regime. Er legte den Finger auf die Wunden verratener Ideale und zynischer Anpassung. Er konnte deshalb später nur im Untergrund veröffentlichen, Reiseund Berufsverbote folgten.
Stimme der Vernunft Seine Rolle als Citoyen, als moralische Instanz, die den Finger auf die wunden Punkte der Gesellschaft legte, streifte Konrád aber auch nach der Wende nicht ab. Immer wieder erhob er seine Stimme, wenn er die Menschenrechte und Grundfreiheiten gefährdet sah.
Im eigenen Land, wo der markant rechtsorientierte Ministerpräsident Viktor Orban seit 2010 mit autoritären Methoden und populistischer Rhetorik regiert, vermochten seine Einwürfe mit den Entwicklungen kaum mehr Schritt zu halten. Dennoch beruhige ihn, meinte er in einem Interview im Vorjahr, dass die EU auf die Ungarn am Ende des Tages eine weitaus stärkere Anziehung ausüben würde als Diktatoren.