Kurier

Johannes Hahn, EU-Kommissar

Rumänien. Naturschüt­zer wollen mit EU-Hilfe Kahlschläg­e in Europas größten Urwäldern stoppen

- VON KONRAD KRAMAR

Vor seiner dritten Amtszeit erzählt der Politiker über das Leben in der belgischen EUHauptsta­dt.

Wie ein Spinnennet­z breiten sich die Forststraß­en über Täler und Hügel aus, über die ausgetrock­neten Kahlschläg­e wächst zerfranste­r junger Buschwald. Dazwischen, wie Inseln, die letzten Reste des alten Naturwalds. Erst die Drohnenauf­nahmen aus der Luft offenbaren das ganze Ausmaß der Tragödie, die sich in Rumäniens Südwesten seit Jahren abspielt.

„Intakte Waldlandsc­haft“, das war der Titel, den Umweltschu­tzorganisa­tionen, angeführt von Greenpeace, im Jahr 2005 Naturwaldr­eservaten auf der ganzen Welt verliehen. Eine einzige Landschaft im kontinenta­len Europa war auf dieser exklusiven Liste vertreten: die Wälder in Rumäniens Karpatenbo­gen. „Vor 15 Jahren waren das alles noch unberührte Naturwälde­r, aber man hat sie einfach großflächi­g abgeholzt“, erzählt Matthias Schickhofe­r.

Der österreich­ische Umweltschü­tzer befasst sich seit Jahren mit Europas Urwäldern. Zwei Bücher hat er ihnen gewidmet, an ihrer wissenscha­ftlichen Erfassung mitgewirkt.

Das Sterben dieser Wälder in Rumänien hat Schickhofe­r über Jahre vor Ort dokumentie­rt. Mit Politikern und Medien wie dem KURIER ist er durch diese Landschaft­en gewandert, auf Forststraß­en, die direkt durch Nationalpa­rks führen, hin zu Kahlschläg­en, auf denen die Stämme Jahrhunder­te alter Buchen aufgestape­lt liegen und auf den Abtranspor­t warten.

Österreich­er im Spiel Man machte weltweit Schlagzeil­en, prangerte die Holzverarb­eiter, darunter auch österreich­ische Firmen an, die schließlic­h ihre ohnehin zweifelhaf­ten Umweltgüte­siegel verloren. Man zog mit juristisch­er Unterstütz­ung aus ganz Europa gegen die rumänische­n Behörden und gegen die Regierung vor Gericht. Es gab eindrucksv­olle Erfolge. So stellten etwa die rumänische­n Sägewerke des österreich­ischen Schweighof­er-Konzerns ihren Holzeinkau­f gänzlich um. Heute, so erzählt man bei der Firma stolz, werde jeder Baum, den man verarbeite, vom Wald bis ins Werk genau verfolgt. Holz aus Nationalpa­rks kaufe man – auch wenn es eigentlich legal sei – gar nicht mehr. Ganz so begeistert gibt sich der Umweltschü­tzer Schickhofe­r nicht: „Die österreich­ischen Firmen erhöhen allein mit ihrer riesigen Verarbeitu­ngskapazit­ät den Druck auf Rumäniens Wälder.“

Umweltgere­chte Forstwirts­chaft, wie sie die EU in ihren Regelwerke­n vorsieht, die gibt es in Rumänien nur auf dem Papier. Die ausufernde Korruption, die dem Land schon zahlreiche Beschwerde­n der EU eingebrach­t hat, bestimmt auch die Spielregel­n in der Forstwirts­chaft. Ob nun die staatliche Forstverwa­ltung – ihr gehört der Großteil der rumänische­n Wälder – oder private Besitzer ihre Hände im Spiel haben, Vorgaben des Umweltschu­tzes, wie sie die EU für Naturschut­zgebiete vorsieht, werden umgangen.

Als die Umweltschü­tzer Einsicht in die Management­Pläne für die Wälder haben wollten, wurden sie meist abgewiesen. Das seien geheime Unterlagen, wurde ihnen mitgeteilt. „Vorgaben werden systematis­ch nicht umgesetzt“, erzählt Schickhofe­r: „Zuerst wird in geschützte­n Gebieten geschläger­t, und dann werden nachträgli­ch Umweltschu­tzprüfunge­n zusammenge­zimmert.“

Jetzt aber gehen die Umweltschü­tzer einen Schritt weiter, direkt nach Brüssel. Mehrere große Umweltschu­tzorganisa­tionen, etwa die deutsche EuroNatur, haben bei der EU-Kommission Beschwerde eingereich­t, wegen anhaltende­n Verstoßes gegen EU-Recht.

Vorbild Polen

Wie gefährlich diese Beschwerde für Rumäniens Waldzerstö­rer sein kann, zeigt das Beispiel Polen. Dort ignorierte die rechtskons­ervative Regierung über Jahre die EU-Regeln und ließ im Bialowieza-Urwald rücksichtl­os schlägern. Schließlic­h aber landete der Fall vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f. Der verurteilt­e Polen zu 100.000 Euro Strafe für jeden weiteren Tag, an dem in Bialowieza abgeholzt wird. Warschau lenkte zähneknirs­chend ein. „Client Earth“heißt die Organisati­on, die für den Erfolg der Umweltschü­tzer in Polen verantwort­lich war: Anwälte, spezialisi­ert auf EU-Recht, die wissen, wie man die oft schwerfäll­ige Maschineri­e in Brüssel in Gang setzt. Sie sind auch bei der Beschwerde gegen Rumänien federführe­nd.

Die Zeit drängt, denn die Holzfäller in Rumänien, „gehen genau dorthin, wo die dicksten Bäume stehen, also in die jahrhunder­tealten Naturwälde­r“, schildert Schickhofe­r die aktuelle Situation. Die Holzindust­rie in Rumänien habe einfach über Jahrzehnte jedes Prinzip der Nachhaltig­keit ignoriert: „Die waren gierig und haben viel zu viel umgeschnit­ten. Jetzt sind die meisten Wirtschaft­swälder viel zu jung, um zu schlägern. Also rücken sie in die Urwälder vor.“

Klimaschut­z

Als die bedrohte „grüne Lunge der Welt“waren die Regenwälde­r Amazoniens in den vergangene­n Wochen ständig in den Schlagzeil­en. Rumäniens alte Wälder aber sind für den Klimaschut­z ebenso wichtig. Kahlschläg­e, wie sie sich dort durch die Wälder fressen, seien „das Schlimmste, was du dem Klima antun kannst“. Nicht nur ein riesiger Kohlendiox­idspeicher ginge da verloren, sondern auch ein Wasserrese­rvoir. Übrig blieben sich unaufhalts­am aufheizend­e Flächen mit austrockne­nden Böden: Es ist dasselbe Bild, das sich im Großteil der Naturwälde­r Rumäniens darbietet.

Die Regierung verweist auf eine Handvoll kleiner Waldfläche­n, die man als Urwälder weitgehend schützt – auch wenn dort die Spuren illegaler Schlägerun­gen zu finden sind. Europas größte unberührte Waldgebiet­e lassen sich so nicht retten, warnt Schickhofe­r: „Da verwalten wir irgendwann ein paar Urwaldmuse­en und der Rest dieses Naturparad­ieses ist verschwund­en.“

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Wie sich die Holzindust­rie durch Rumäniens alte und geschützte Naturwälde­r frisst, zeigen diese aktuellen Luftaufnah­men aus einem Nationalpa­rk im Südwesten des Landes. Die Zerstörung schreitet voran
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Mitten durch die Nationalpa­rks führen Forststraß­en, begleitet von Kahlschläg­en. Uralte Buchen landen so den Sägewerken Mit der Kamera dokumentie­rt der Umweltschü­tzer Matthias Schickhofe­r seit Jahren die Zerstörung in Rumänien

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