Venus Williams, Veganerin
Neue Doku. Pflanzliche Ernährung im Spitzensport galt lange als rotes Tuch. Nun schwärmen immer mehr Top-Athleten von den Folgen ihres veganen Lebensstils. Was Experten zu dem Trend sagen.
Immer mehr Profi- und Hobbysportler verzichten auf Fleisch und Tierprodukte.
In seiner aktiven Zeit als Bodybuilder verzehrte Arnold Schwarzenegger bis zu 15 Eier – pro Tag. Dazu kamen Milchprodukte und Unmengen an Fleisch. Dieses, so wurde ihm und Millionen anderen Menschen jahrzehntelang suggeriert, sei für Muskeln und Männlichkeit schließlich unerlässlich. Wer „ein echter Kerl“sein will, isst am besten schon zum Frühstück ein Steak. Heute schwört der Ex-Gouverneur auf Mandelmilchsmoothies und Fleischersatzprodukte aus Erbsenprotein.
Was war passiert?
Der 72-Jährige ist einer von vielen (ehemaligen) Spitzensportlern, die tierische Produkte von ihrem Speiseplan verbannten und seitdem keine Gelegenheit auslassen, die positiven Folgen – von mehr Energie über Leistungssteigerung bis zu besseren Blutwerten und weniger Allergien – zu preisen. Einige von ihnen kommen im neuen, bereits im Vorfeld viel besprochenen US-Dokumentarfilm „The Game Changers“zu Wort, der kommende Woche in Österreichs Kinos anläuft: Der ehemalige Elitesoldat James Wilks erzählt darin, wie er nach einer schweren Verletzung in der Hoffnung, rasch wieder fit zu werden, Hunderte Ernährungsstudien durchackerte und schließlich zum Veganer mutierte.
Den Ausschlag gab eine fünf Jahre alte Studie, an der auch Forscher der MedUni Wien beteiligt waren: Anhand von Knochenanalysen fanden Mediziner damals heraus, dass sich Gladiatoren hauptsächlich von Getreide und Bohnen – also vegan – ernährt haben mussten.
Die Ergebnisse gaben Wilks zu denken. Wenn die einst stärksten und mutigsten Athleten ihrer Zeit ohne Fleisch Höchstleistungen erbrachten – warum sollte es zweitausend Jahre später nicht möglich sein?
Das Proteinproblem
Der Mega-Lifestyle-Trend der vergangenen Jahre breitet sich nun also auch in der Sportwelt aus: Neben Profis wie Lewis Hamilton und Venus Williams lassen auch immer mehr Hobbyathleten aus gesundheitlichen oder ökologischen Gründen Fleisch, Milch, Käse und Eier weg, berichtet der Wiener Sportmediziner Robert Fritz. Eine gute Idee? Immerhin galt Veganismus und Sport lange als Widerspruch – ohne tierische Proteine, so hieß es, könne man nicht leistungsfähig sein.
„Man kann auch mit veganer Ernährung Höchstleistungen erbringen. Es ist allerdings mit einem Aufwand verbunden“, sagt Fritz. Auch die Österreichische Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE) rät nicht per se ab. Vegane Ernährung sei aber nur dann geeignet, „wenn durch die Auswahl von entsprechenden Lebensmitteln – Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, Nüsse, Samen, Öle – der erhöhte Energiebedarf abgedeckt wird“.
Die größte Herausforderung für Veggie-Sportler: ausreichend Eiweiß, das für Muskelaufbau und Regeneration benötigt wird, zuzuführen. Essenzielle Aminosäuren, die der Körper nicht selber produzieren kann, aber unbedingt braucht, sind in tierischen Lebensmitteln hochwertiger vertreten. Fritz empfiehlt Veganern daher ein „hohes Profil an verschiedenen Aminosäuren“(siehe re.). Kalziummangel könne man durch Gemüsesorten wie Brokkoli oder Fenchel bzw. Sojadrinks vorbeugen.
Nicht jeden Bedarf deckt das Gemüseregal. „Meine veganen Sportler kommen an Nahrungsergänzung nicht vorbei“, sagt der Arzt. Das betrifft Eisen und Vitamin B12.
Eine Kopfsache
Und was sagt die Wissenschaft? Über eine schlechte Wirkung von Milchprodukten etwa gibt es keine allgemeinen Aussagen. Dass eine pflanzenbasierte Diät Cholesterin und Blutdruck senkt und somit gut für das Herzkreislaufsystem ist, konnten Forscher inzwischen belegen.
Die kollektive Veggie-Euphorie sei häufig auch eine Kopfsache, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Katharina Bruner: „Wenn man sich eine Zeit lang bewusst ernährt, fühlt man sich danach besser – egal, in welche Richtung.“Die Verbreitung einzelner Erfahrungen über sozialen Medien – vor allem durch Stars – trage das Ihre zum Hype bei: „Ernährung ist ein Religionsersatz geworden.“
Fleischesfrust
Mit ihrem Verzicht auf Fleisch taugen Arnie, Novak und Co. auf jeden Fall als Vorbilder. „Wir essen derzeit das Dreifache der empfohlenen Menge“, sagt Bruner. „Nicht Fleisch per se ist schlecht, sondern die Menge.“Über die ökologischen Folgen der globalen Fleischeslust wurde ausgiebig berichtet; auch medizinisch macht es Sinn, fleischfreie Tage einzulegen – nicht nur für Sportler: „Fleisch hat einen schlechten Einfluss auf die Darmflora, die das gesamte Gesundheitssystem beeinflusst“, sagt Bruner. In hoher Menge kann es zu Entzündungen führen, chronische Entzündungen anheizen und Darmkrebs begünstigen.
Formel-1-Pilot Lewis Hamilton hatte also allerlei gute Argumente parat, als er seine Teamkollegen im Juli zu einem veganen Grillfest einlud. Alle seien „begeistert“gewesen, verkündete er stolz auf Instagram. Die Gruppe der veganen „Game Changers“im Spitzensport könnte also noch weiter wachsen. Dass weder Muskeln noch Männlichkeit unter veganer Ernährung leiden, sollte endgültig bewiesen sein.