Die Angst vor Wildschweinen
Jogger flüchtete auf Baum. Große Unsicherheit im Umgang mit diesen Tieren
Die Sonne ging schon unter. Es war Freitagabend im Lainzer Tiergarten, Wildschweine hatten einen Jogger, der abseits der Wege unterwegs war, auf einen Baum gezwungen. Er musste aus seiner misslichen Lage gerettet werden, weil sich die Tiere nicht fortbewegen wollten. Wer im Lainzer Tiergarten in Wien unterwegs ist, hat gute Chancen, Wildschweine zu sichten. 400 Stück leben hier. Doch wann sind sie gefährlich? Was tun, wenn man ihnen begegnet?
Der erste Tipp, um mit den Wildschweinen nicht aneinanderzugeraten: Die ausgewiesenen Wege nicht verlassen, das gilt für alle Wälder. Hier können Menschen von den Tieren eingeschätzt werden. Der Läufer hat das nicht befolgt: Er war in eine bei den Tieren beliebte Wiese gerannt. An dieser Stelle würden sie nicht mit Besuch rechnen, erklärt Herbert Weidinger, stv. Forstdirektor der Stadt Wien. Das war eine schlechte Ausgangssituation.
Wann droht Gefahr? Vorweg: Grundsätzlich sind Wildschweine friedlich. „Sie sind eher scheu dem Menschen gegenüber“, sagt Thomas Schön, Wiener Bezirksjägermeister. Gefährlich ist es, wenn Menschen zwischen Bachen (weibliche Wildschweine) und ihre Frischlinge geraten. Die Bachen kämpfen um ihren Nachwuchs. Wenn sich die bis zu 150 Kilo schweren Wildschweine bedroht fühlen, können sie auf Menschen losgehen. Sie erreichen Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 50 km/h. Mit ihren Eckzähnen können sie ihrem Gegenüber schwere Verletzungen zufügen. Auch in der Paarungszeit zwischen Oktober
Herbert Weidinger Stv. Forstdirektor in Wien
und März sind die Tiere aggressiver.
Helfen Hunde? Nein, Hunde können Wildschweine unrund machen: Darum gehören sie im Wald an die Leine.
Wie erkennt man, dass ein Wildschwein aggressiv ist?
Thomas Schön Jäger in Wien
Erste Warnzeichen: Das Wildschwein stellt den Schwanz auf und prustet. Bläst, wie der Jäger sagt. Wirklich vorsichtig sollte man sein, wenn das Tier seine Eckzähne aufeinanderschlägt. Und sich auf den Menschen zubewegt.
Was tun bei einer Begegnung? Versuchen, ruhig zu bleiben. Nicht schreien, sondern langsam von den Wildschweinen wegbewegen: Am besten in die Richtung, aus der man gekommen ist. Beim geordneten Rückzug Geräusche machen oder reden, das empfiehlt Weidinger. So können die Tiere die Entfernung einschätzen. Denn: „Sie sehen nicht so gut, wie sie hören.“ Das Wild nicht in die Enge treiben. Man sollte ihm nicht nachgehen, oder es berühren. Und die Spaziergänger sollten die Schweine nicht füttern – was viele im Lainzer Tiergarten aber tun wollen. „Der Instinkt ist uns verloren gegangen“, attestiert Weidinger die mangelnde Distanz.
Und wenn nichts hilft? „Zu 99 Prozent vertschüssen sich die Tiere“, sagt Schön. Falls sich die Situation nicht beruhigen lässt, dann empfiehlt sich die Variante des Joggers. Rauf auf den Baum oder einen Hochstand. Und (mit dem Handy) um Hilfe rufen. Wer den Spazierweg nicht verlassen hat, wird sicher schnell gefunden.
„Mein erster Tipp: Auf den Wegen bleiben. Hier rechnen die Tiere mit den Menschen.“
„Keine panischen Reaktionen: Wer den Tieren begegnet, sollte den geordneten Rückzug antreten.“