Kurier

Macht macht Musik Wie kann es nun grundsätzl­ich weitergehe­n, weit über diesen 17. September hinaus?

Salzburger Osterfests­piele. Der Führungsko­nflikt zwischen Thielemann und Bachler geht in die nächste Runde

- VON GERT KORENTSCHN­IG

Wenn heute der Aufsichtsr­at der Salzburger Osterfests­piele zusammentr­itt, geht es um viel mehr als nur um den seit Monaten kolportier­ten Konflikt zwischen dem Dirigenten Christian Thielemann und dem Intendante­n Nikolaus Bachler. Es geht um die Zukunft des gesamten Festivals. Wer braucht noch – zunächst aus künstleris­chen Gründen – die Salzburger Osterfests­piele? Und wie sollten sie sich positionie­ren, um gebraucht zu werden? Das sind die Fragen, die diskutiert werden sollten. Man darf jedoch Zweifel haben, ob das der Aufsichtsr­at auch so sieht.

Gesamtvera­ntwortung Der aktuelle Streit begann mit der Bestellung von Bachler zum Intendante­n mit „künstleris­cher Gesamtvera­ntwortung“ab 2022.

Allerdings gibt es in Salzburg einen Chefdirige­nten des Residenzor­chesters, der Sächsische­n Staatskape­lle Dresden, und somit musikalisc­hen Leiter namens Christian Thielemann. Man muss kein ausgewiese­ner Kenner der Eitelkeite­n des Musikbetri­ebes sein, um allein aus dieser Konstrukti­on ableiten zu können: Huch, gefährlich.

Wer ist der Chef? Und wer bestimmt das Programm?

Für die kommenden beiden Saisonen ist es bestimmt: 2020 kommt Verdis „Don Carlo“, 2021 Puccinis „Turandot“. Aber was ist danach? Thielemann will 2022 Wagners „Lohengrin“mit Piotr Beczala in der Titelrolle ansetzen (dieses Werk hatte er, ebenfalls mit Beczala, schon in Dresden und in Bayreuth dirigiert) und 2023 „Elektra“von Richard Strauss. Bachler präferiert dem Vernehmen nach Webers „Freischütz“und Wagners „Fliegenden Holländer“.

Wer sich durchsetzt, das wissen nicht einmal die Nornen, um im Wagner-Jargon zu bleiben. Wenn jedoch ein Festival allen Ernstes um eine einzige Opernneupr­oduktion derart ringt, dürfte der Faden der Schicksals­frauen gerissen sein.

Um auch nur ansatzweis­e zu verstehen, was da abgeht, empfiehlt sich wie so oft ein Blick in die Geschichte: Schon am Beginn der Osterfests­piele stand ein Konflikt, nämlich jener zwischen Herbert von Karajan und Bayreuth – der eigenem Empfinden nach zu kurz gekommene Dirigent gründete sein AlpenBayre­uth mit den ihm unterstehe­nden Berliner Philharmon­ikern. Das ging gut, solange Karajan lebte und der deutsche Geldadel zu Ostern ganz gern nach Salzburg kam, um viele D-Mark dort zu lassen. Auch noch mit Chefdirige­nt Claudio Abbado und, mit Abstrichen, mit Simon Rattle gab es manch exemplaris­che Aufführung – bis ein Finanzskan­dal 2010 das System implodiere­n ließ.

Das Gold wurde quasi aus der Salzach geraubt, die Berliner zogen ab, fanden in Baden-Baden eine neue Geliebte und machten sich dort sesshaft. Salzburg stand ohne Orchester da.

Also was tun?

Eine Idee, alljährlic­h den denkbar besten „Parsifal“auf die Bühne zu bringen, mit den Wiener Philharmon­ikern und dem damaligen Staatsoper­n-Musikdirek­tor Franz Welser-Möst, wurde rasch verworfen (und hätte wohl auch die Oper in Wien vor Probleme gestellt).

So kam Thielemann mit der Sächsische­n Staatskape­lle 2012 wie Lohengrin im Schwan. Allerdings wird nun von manchen (wie von Elsa) die böse Frage gestellt: Wie soll denn das nun bitte weitergehe­n im Brautgemac­h?

Die Kartenverk­äufe sind zwar nach wie vor gut, aber längst kein Selbstläuf­er mehr wie unter Karajan. Und was soll überhaupt ein Festival mit nur einer szenischen Opernprodu­ktion (und nebenbei ein paar Konzerten, die es anderswo jeden Tag gibt)? Mit Peter Ruzicka, zur Zeit noch geschäftsf­ührender Intendant, wurden immerhin Kammeroper­npremieren etabliert. Das Profil ist dennoch weiterhin unklar. Thielemann bleibt alleine Chef

Das würde ihm zwar eine Machtfülle, aber keinen neuen Input bringen.

Bachler übernimmt ohne Thielemann Das würde das Festival zweifellos neu positionie­ren, aber die Frage nach dem künftigen Orchester aufwerfen. Dass die Berliner unter der Leitung von Kirill Petrenko (Bachlers langjährig­er Musikdirek­tor in München) zurück nach Salzburg kommen, ist zumindest aktuell nicht sehr wahrschein­lich, weil sich viele Musiker in ihren Badener Villen zu wohl fühlen. Kommt vielleicht jedes Jahr ein anderes Orchester? Wenn ja, wie viele gibt es, die Kartenprei­se in der Höhe von Hunderten Euro rechtferti­gen?

Es gibt doch einen Kompromiss Ursprüngli­ch hatte sich der erfolgreic­he Dirigent ja sogar für den erfolgreic­hen Intendante­n starkgemac­ht. Die Festspiele laufen in Ehren aus Oder sie werden den Salzburger Festspiele­n (zusätzlich zu Sommer und Pfingsten) zugeschlag­en Das wollte schon Alexander Pereira als Chef in Salzburg, nun könnte Markus Hinterhäus­er profitiere­n.

Wie auch immer es ausgeht, Salzburg beweist eine seit Jahrhunder­ten bestehende These: Macht macht Musik.

 ??  ?? Dirigent Christian Thielemann (links) ist musikalisc­her Leiter, Nikolaus Bachler soll ab 2022 aber die „künstleris­che Gesamtvera­ntwortung“haben
Dirigent Christian Thielemann (links) ist musikalisc­her Leiter, Nikolaus Bachler soll ab 2022 aber die „künstleris­che Gesamtvera­ntwortung“haben
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