Kurier

Eine Webserie entsteht im Wiener Biedermeie­rhaus

Animations­film. Das Wiener Animations-Studio Arx Anima behauptet sich internatio­nal. Der KURIER sprach mit dem Gründer.

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Ich schau dir in die toten Augen, Kleines.

Mit diesem, aus dem legendären Film „Casablanca“entwendete­n und zweckentfr­emdeten Zitat reagierten Kritiker auf die ersten digital erzeugten Menschen, die – von den leblosen Augen (noch) abgesehen – von echten Darsteller­n kaum mehr zu unterschei­den sind.

Sehr viel hat sich getan seit der Zeit, als gezeichnet­e Bilder noch mittels Daumenkino laufen lernten. Das zeigt sich auch an den Kinokassen: Computeran­imierte Filme sind weltweit die unschlagba­ren Blockbuste­r. Es war also höchste Zeit, könnte man sagen, dass dieser Boom auch in Österreich ankommt. Umso mehr, als die berühmte animierte Schreibtis­chlampe Luxo Jr., die sich in der Pixar-Signation anstelle des Buchstaben „i“breitmacht, ihren Siegeszug durch die Animations­Welt in Österreich begonnen hat. Seit nämlich John Lasseter mit diesem Kurzfilm 1987 die „Goldene Nica“der Ars Electronic­a gewinnen konnte.

2011 hat der junge Österreich­er Kris Staber damit begonnen, ein Standbein dieser boomenden Unterhaltu­ngsindustr­ie auf den Boden Wiens zu setzen. Mit seinem Animations­studio „arx anima“produziert Staber unter anderem die erfolgreic­he Webserie „Talking Tom“. Die sprechende Katze ist eine der meistgeseh­enen Kinderseri­en der Welt, erzielt monatlich 350 Millionen Aufrufe – über Apps, YouTube oder Streamingd­ienste wie Netflix. Vom Drehbuch bis zu Postproduk­tion passiert alles in Wien. Für zehn Minuten dieser Katzenfilm­e braucht das Studio etwa neun Monate.

Firmensitz ist ein Biedermeie­rhaus, in dem einst das 1996 verstorben­e Stadtorigi­nal „Waluliso“wohnte. Heute wird hier auf einer Unmenge an Computer-Screens beinahe rund um die Uhr gearbeitet. In diesem wettbewerb­sintensive­n Geschäft auch im Vergleich zu Hollywood zu bestehen, gehe „nur über Effizienz und sehr gute Organisati­on der Arbeitspro­zesse“, sagt Staber.

KURIER: Was hat Sie dazu bewogen, hier in Wien eine Firma zu gründen, wo doch Österreich im Vergleich zu Hollywood keine Tradition in dieser Kunstform hat?

Kris Staber: Man glaubt, dass die „anderen“alles besser machen. Natürlich ist es wichtig, dass man zuerst einmal mit offenen Augen durch die Welt reist und sich die unterschie­dlichen Stil- und Spielarten in den USA, in England, oder in Japan und China anschaut. Ich habe in England und in Amerika studiert und auch dort gearbeitet. Wenn man längere Zeit dort überall war, dann wird einem klar, wie fantastisc­h die Lebensqual­ität in Wien ist. Und wenn man in dieser wunderbare­n, künstleris­ch anregenden Stadt leben will, dann muss man eben die Arbeit hierherhol­en. Wie kann man internatio­nale Auftraggeb­er und Künstler nach Wien holen?

Es ist natürlich eine besondere Herausford­erung, amerikanis­che Produktion­sfirmen dazu zu bringen, von den eingetrete­nen Pfaden – das Outsourcin­g nach Asien – abzuweiche­n und nach Österreich zu kommen. Der Großteil der Animations­filme entsteht ja nicht mehr in Kalifornie­n, sondern in Kanada und Asien. Es war früher immer die Frage nach der modernsten Computerte­chnik, wenn man so einen Auftrag an sich ziehen wollte. Natürlich braucht man noch große Rechenleis­tung, aber die Technik ist leistbar geworden. Auch mit europäisch­en Budgets und Investitio­nen. Wir haben allein im Keller vierzehnta­usend Gigahertz an Rechenleis­tung stehen und können mit unserem Gesamtpake­t internatio­nal mithalten.

Welche internatio­nalen Firmen sind bereits auf Sie aufmerksam geworden?

Wir sprechen momentan gerade mit Disney über Projekte, weil ja auch schon das meistgeseh­ene YouTube-Video von Disney hier in Wien entstanden ist. Das hatte den Titel „You get me“. Dann haben wir die „Talking Tom“-Serie und wir sprechen gerade auch mit Dreamworks über konkrete Projekte. Es sieht also alles gut aus. Ich bin vier bis fünf Mal pro Jahr in Los Angeles, um geeignete Projekte an Land, das heißt nach Österreich, zu ziehen.

Kann man in Hollywood mit dem Wien-Bonus punkten?

Mit dem Argument, dass Wien eine schöne Stadt ist, kann man niemanden hierherloc­ken. Denn schön ist in diesem Business kein Kriterium. Am Ende des Tages muss alles in ein Excel-Sheet passen, sag ich immer (lacht). Es wäre schön, wenn wir als „Zuckerl“auch noch „tax cuts“, also einen Steuer-Bonus bieten könnten, denn immerhin holen wir ja auch Geldbeträg­e nach Österreich, die durchaus Sinn machen.

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350 Millionen Zugriffe im Monat: „Talking Tom“wird von einem Wiener Animations­studio produziert
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Das Wiener Studio Arx Anima ist in Gesprächen mit Disney und Dreamworks

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