Kurier

Halbe-halbe für die Pension? Lob und Tadel für ÖVP-Modell

In der Karenzzeit. Väter sollen Teile ihrer Pensionsbe­iträge an die Mütter ihrer Kinder abgeben müssen

- VON MICHAEL BACHNER

Frauen gehen wesentlich häufiger und länger in Karenz und arbeiten danach sehr oft in Teilzeit, um weiter für das Kind da sein zu können.

Das drückt gewaltig auf das Einkommen und die spätere Pension. Im Durchschni­tt erhalten Frauen in Österreich um 43 Prozent weniger Pension als Männer.

Ein unhaltbare­r Zustand, sagen viele Fachleute und Politikeri­nnen seit Jahren.

Das automatisc­he Pensionssp­litting könnte hier etwas Abhilfe schaffen. Bisher gibt es das nur freiwillig.

Konkret: Seit 2005 können bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes die Pensionsbe­iträge freiwillig zwischen Mutter und Vater des Kindes aufgeteilt werden (in der Regel: bis zu 50 Prozent der Beiträge des Mannes).

Erst 1.300 Fälle

Genutzt wird das freiwillig­e Splitting jedoch kaum. Das liegt unter anderem daran, dass das Modell wenig beworben wurde und nahezu unbekannt ist. Seit 2010 gab es nicht einmal 1.300 Anträge.

Nun will die Volksparte­i einen Schritt weitergehe­n und bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes ein verpflicht­endes Pensionssp­litting einführen. Als Vorbild galt in der Vergangenh­eit stets die Schweiz.

Das Modell bei den Eidgenosse­n, eingeführt schon im Jahr 1998, ist recht simpel: Beide Elternteil­e werden in der Zeit der Karenz beim Pensionsan­spruch zusammenge­zählt, dann wird halbiert.

Das bedeutet: Der Mann zahlt in der Zeit der Karenz einen Teil seiner Pensionsbe­iträge auf das Pensionsko­nto der Frau ein – ihre Pension steigt dadurch. Die Schweizer Erfahrunge­n sind positiv, die Pensionslü­cke zwischen Männern und Frauen konnte erheblich verringert werden.

Die Reaktionen auf den ÖVP-Vorstoß sind dennoch gemischt. Aufgrund der langen Debatte hält etwa Neos den Vorstoß der ÖVP für einen „Wahlkampfs­chmäh“. in Österreich, in Jahren Pensionsex­perte Bernd Marin ist hingegen voll des Lobes: „Das Pensionssp­litting wäre eine ausgezeich­nete Sache. Ich fordere das schon seit Jahrzehnte­n. In einer liberalen Demokratie müsste es aber auch ein Opt-out, also eine Ausstiegsm­öglichkeit, geben.“ Pensionsan­trittsalte­r Das bedeutet: Die Pensionsbe­iträge würden automatisc­h zwischen dem Kindsvater und der Frau aufgeteilt. Nur wenn jemand definitiv nicht mit seiner Frau teilen will, könnte er diese Opt-outMöglich­keit nutzen. Neben vielen Vorschläge­n im anderen Pensions21,4 Zuwachs bzw. Rückgang an Personen bereich – von der automatisc­hen Anhebung des Antrittsal­ters mit steigender Lebenserwa­rtung (Neos) bis zur Grundpensi­on (Grüne) – hält Marin das verpflicht­ende Pensionssp­litting für jenen Vorschlag mit der größten Umsetzungs­wahrschein­lichkeit. Auch VP-Chef Sebastian Kurz nannte es als zweite große Maßnahme in der kommenden Legislatur­periode gleich nach der Steuerrefo­rm. Freilich ist Kurz derzeit nicht in der Regierung und muss für seine Projekte erst einen Koalitions­partner gewinnen.

Und seine potenziell­en Partner sind skeptisch. Erwerbstät­ige pro Pensionist (effektiv)

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Insbesonde­re die FPÖ legt sich quer, wie schon in der Zeit der türkis-blauen Koalition. „Eine derartige Vorgangswe­ise wäre nicht nur sehr ineffizien­t, sondern auch gegen die freie Entscheidu­ng der Familien. Obendrein geht eine solche Zwangsverp­flichtung komplett an der Lebensreal­ität vorbei“, sagt die blaue Frauenspre­cherin Carmen Schimanek. Ihr Nachsatz: „Männer und Frauen gegeneinan­der auszuspiel­en, indem man den Männern etwas wegnimmt, ist aus Sicht der FPÖ eindeutig der falsche Weg.“

Neos ist hingegen klar für das Splitting der Pensionsbe­iträge, ärgert sich aber über die ÖVP, weil es die Idee für sich reklamiert. Die pinken Anträge seien bisher stets abgelehnt worden. „Plötzlich kommt mitten im Wahlkampf die große Erleuchtun­g und ein Einsehen? So viel Dreistigke­it ist nicht zu fassen“, schimpft Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker. Er erinnert: „Während die Schweiz dieses automatisc­he Pensionssp­litting schon seit vielen Jahren kennt, geht in Österreich nichts weiter.“

SPÖ: Freiwillig reicht

Ähnlich der FPÖ kann sich auch die SPÖ nicht mit dem ÖVP-Vorschlag anfreunden.

Das freiwillig­e Splitting ist nach Auffassung von SPÖFrauenc­hefin Gabriele Heinisch-Hosek ausreichen­d. Ein automatisc­hes Pensionssp­litting würde hingegen den ersten Schritt zum Familiensp­litting darstellen, also die Abhängigke­it der Frau vom Mann erhöhen. Außerdem befürchtet Heinisch-Hosek, dass das verpflicht­ende Pensionssp­litting vor allem den höheren Einkommens­schichten zugutekomm­t und kein wirklich geeignetes Mittel gegen Frauenarmu­t darstellt.

Sie hält die roten Forderunge­n dagegen: eine Mindestpen­sion von 1.200 Euro unter Anrechnung der Kindererzi­ehungszeit­en, den Ausbau der betrieblic­hen Kinderbetr­euung und einen Rechtsansp­ruch auf den Wechsel von Teilzeit zu Vollzeit.

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18,5 13,6 Lebenserwa­rtung 26,5 +61 % 1,70

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