Kurier

Herbert Kickls „Sündenregi­ster“

Der BVT-U-Ausschuss kritisiert Kickl scharf. Was er als Innenminis­ter tat, und woran er scheiterte. Kickl sieht keine Schuld bei sich und inszeniert sich als „Staatsfein­d Nr.1“.

- VON DOMINIK SCHREIBER UND KID MÖCHEL

Herbert Kickl tourt derzeit durch Österreich­s Einkaufsze­ntren und Bierzelte. Dort präsentier­t sich der FPÖ-Listenzwei­te (hinter Norbert Hofer) als selbst ernannter „Staatsfein­d Nummer 1“.

Er, der Ex-Innenminis­ter, habe nichts mit dem Ibiza-Video zu tun, betont er stets. Warum er dennoch abberufen wurde, fragt er die schaulusti­ge Menge gegenwärti­g gerne – die Antwort darauf bleibt Herbert Kickl schuldig.

Der 23. Innenminis­ter der Zweiten Republik (der erste der FPÖ) sorgte in seiner 17monatige­n Amtszeit allerdings fast laufend für Aufregung. Der KURIER gibt einen Überblick über das „Sündenregi­ster“des ersten blauen Innenminis­ters.

Der Verfassung­sschutz

Februar 2018: Kickls Mitarbeite­r üben Druck auf die Justiz aus, um eine Razzia im hauseigene­n Verfassung­sschutz durchzufüh­ren. So steht es im jetzt vorliegend­en Endbericht des BVT-U-Ausschusse­s.

Vieles deutet darauf hin, dass ein angeblich schwarzes Netzwerk durch ein blaues ersetzt werden soll. So wird ein ehemaliger Schulfreun­d von Kickls Kabinettsc­hef auf Geheimmiss­ion ins Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) entsandt. Das BVT soll unter Kickls Ägide reformiert werden, ein großer Teil der Mitarbeite­r ins Bundeskrim­inalamt abwandern. Der fertig ausgearbei­tete Plan wird plötzlich ohne ersichtlic­he Notwendigk­eit und Begründung fallengela­ssen.

„Konzentrie­ren“

Wenige Wochen zuvor sorgt Kickl für internatio­nale Empörung. Im Rahmen einer Pressekonf­erenz sagt er, Asylwerber künftig „konzentrie­rt“in Grundverso­rgungszent­ren unterbring­en zu wollen. Kickls Umfeld betont, dass er die Wortwahl (Assoziatio­n zu NS-Konzentrat­ionslager) nicht zweideutig gemeint und sogleich bereut haben will.

Wenig später lässt Kickl im ORF-Report wissen, „dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Der Koalitions­partner ÖVP ist verärgert, hält sich aber noch bedeckt. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen verurteilt ein „Rütteln“an der Menschenre­chtskonven­tion, worüber Kickl ebenfalls laut nachdenkt.

Der Medienerla­ss

Als KURIER und Der Standard aufdecken, dass Polizeidie­nststellen via Mail dazu aufgeforde­rt werden, die Zusammenar­beit mit „kritischen Medien“de facto einzustell­en, sorgt das für internatio­nale Proteste. Als Schuldiger wird von Kickl ein kleiner Beamter ausgemacht, der das Mail verfasst haben soll. Dieser hat nach Aussagen vieler Polizisten nur niedergesc­hrieben, was den Pressestel­len zuvor bereits mündlich mitgeteilt wurde, und was im BMI bereits angeordnet war.

Die Personalau­fstockung

2,8 Millionen Euro kostet das Kabinett Kickl in 17 Monaten, das seines (neu geschaffen­en) Generalsek­retärs Peter Goldgruber weitere 1,9 Millionen. Insgesamt sind zeitweise 60 Kabinettsm­itarbeiter im Innenresso­rt beschäftig­t. Teuer wird es, weil Beamte verstärkt Überstunde­n verrechnen.

Der Postenscha­cher

Obwohl die FPÖ Proporz und Postenscha­cher stets bekämpft(e), versucht Herbert Kickl in den letzten Tagen seiner Amtszeit seinen Generalsek­retär noch mit dem Posten des Generaldir­ektors für die Öffentlich­e Sicherheit (GD) zu versorgen. Kickls KurzzeitNa­chfolger Eckart Ratz macht dies aber sofort wieder rückgängig.

Als danach ein neuer gesucht wird, Innenminis­ter ist der oberösterr­eichische Sicherheit­sdirektor Andreas Pilsl im Gespräch. Dieser erhält einen Anruf von Goldgruber, wonach er das Wohlwollen der FPÖ hätte, wenn er ihn wieder als Generaldir­ektor einsetzen würde. Das erzählte Pilsl jüngst dem KURIER. Er lehnt ab, die FPÖ protestier­t – Innenminis­ter wird Wolfgang Peschorn. 14 weitere Personen aus Kickls Kabinett bekommen Posten im Innenminis­terium.

Recht(s) extrem

Die Abgrenzung von ganz rechts funktionie­rt nicht wirklich. Für die Medienarbe­it sind im Kabinett zwei Mitarbeite­r einer rechtsextr­emen Internetpl­attform, die von FPÖ-Ex-Nationalra­tspräsiden­t Martin Graf (Burschensc­hafter der Olympia) betrieben wird, zuständig. Erst kürzlich deckt der KURIER auf, dass ein Rechtsextr­emer einen Ferialjob im Bundeskrim­inalamt erhielt.

Eigene „FPÖ-Leibgarde“

Erst spät wird publik, dass Herbert Kickl eine eigene Leibgarde bei der Polizei eingericht­et hat, die vornehmlic­h FPÖ-Politiker bewacht hat. 15 Beamte verrechnen hierfür Überstunde­n.

Die berittene Polizei

2,5 Millionen Euro für den Start, jährlich eine Million Euro für die laufenden Kosten und ein (bis heute nicht gefundener) Stall in Wien für rund fünf Millionen Euro: Das Projekt „Berittene Polizei“ist von Beginn an umstritten. Der Ausbildung­sleiter wird bald entlassen, die Polizeikat­ze flüchtet. Der Erfinder der Kickl’schen Reiterstaf­fel (ein Ex-FPÖ-Pressespre­cher), der die Kosten auf 45.000 Euro pro Jahr schätzte, darf nun Fiaker in Wien betreuen. Die berittene Polizei war nur für Einsätze auf Grünfläche­n vorgesehen.

 ??  ??
 ??  ?? Die berittene Polizei sollte erst 45.000, dann 300.000 Euro/Jahr kosten. Am Ende wurden die laufenden Kosten mit einer Million Euro beziffert
Die berittene Polizei sollte erst 45.000, dann 300.000 Euro/Jahr kosten. Am Ende wurden die laufenden Kosten mit einer Million Euro beziffert

Newspapers in German

Newspapers from Austria