Kurier

Aus Mitleid und Geldnot: Wiener Beamter verkaufte Aufenthalt­stitel

- MARKUS STROHMAYER

Landesgeri­cht. 53 Aufenthalt­stitel vergab Dragan S. (Name geändert) von 2013 bis 2016 ohne Befugnis. In 19 Fällen ließ sich der heute 28-Jährige dafür bezahlen. Am Mittwoch, mehr als drei Jahre später, musste sich die ehemalige Kanzleikra­ft deshalb am Wiener Landesgeri­cht wegen Betrugs und Amtsmissbr­auchs verantwort­en.

Bereits mit 15 Jahren hatte S. begonnen, für die Stadt Wien zu arbeiten. Fünf Jahre später wechselte er zur MA 35, die Aufenthalt­stitel vergibt. Kurz darauf wurde dem jungen Mann Multiple Sklerose – eine chronische Erkrankung des Nervensyst­ems – diagnostiz­iert. Um auf andere Gedanken zu kommen, begann er mit Sportwette­n und ging ins Casino.

„Ich hatte damals immer meinen Onkel vor Augen, der auch an Multipler Sklerose leidet. Zur Ablenkung habe ich mit dem Spielen begonnen“, erklärte der Angeklagte. Schon bald plagten ihn finanziell­e Sorgen, wie sein Verteidige­r Nikolaus Rast erläuterte.

Einen Ausweg fand er durch das Ausstellen von Aufenthalt­sgenehmigu­ngen gegen Geld. An sich war es seine Aufgabe, die Daten der Antragstel­ler aufzunehme­n, einen Akt anzulegen und diesen einem Fachrefere­nten zu übermittel­n. Danach kam ein positiver oder negativer Bescheid zurück in die Spielen und Wetten hatten dem Angeklagte­n Probleme eingebrach­t

Kanzlei. Bei einer Bewilligun­g musste S. den Auftrag an die Staatsdruc­kerei weiterleit­en, wo die Aufenthalt­skarten angefertig­t werden. Im Anschluss konnten die Antragstel­ler ihre Aufenthalt­stitel bei dem Kanzleimit­arbeiter abholen.

Auch Mitleid ein Faktor

In 53 Fällen ließ S. den Schritt zum Referenten einfach aus und bestellte selbststän­dig in der Druckerei. 19-mal ließ er sich dafür von Antragstel­lern bis zu 170 Euro bezahlen. Dadurch entstand der MA 35 ein Schaden von 3.290 Euro. In vielen Fällen verzichtet­e S. aber auf die Bezahlung. Auf die Frage nach dem Warum von Richterin Daniela Zwangsleit­ner entgegnete S., dass er Mitleid mit den Antragstel­lern hatte.

Mittlerwei­le sei er am richtigen Weg, beteuerte S. 2018 hat er einen neuen Job gefunden. Wegen seiner Spielsucht war er in Therapie

– und laut eigener Aussage seitdem nie wieder im Casino. „Ich bin jetzt verlobt, wir suchen gerade eine Wohnung.“Mehr als 3.000 Euro in bar brachte der Ex-Beamte zum Prozess mit, um den verursacht­en Schaden zu begleichen. Er habe gespart und seine Eltern haben ihm ausgeholfe­n.

Trotz Schuldspru­chs in beiden Anklagepun­kten sah die Richterin den seit 2016 ordentlich­en Lebenswand­el als mildernden Grund. Erschweren­d wertete sie den langen Tatzeitrau­m. S. archiviert­e die selbstbear­beiten Akten, wodurch der Betrug lange nicht aufflog.

Bei einem Strafrahme­n bis zu fünf Jahren Freiheitss­trafe fiel das Urteil dennoch mild aus: 20 Monate, die allerdings bedingt nachgesehe­n werden. Den Schaden muss S. zurückzahl­en und die Verfahrens­kosten in der Höhe von 100 Euro tragen.

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