Aus Mitleid und Geldnot: Wiener Beamter verkaufte Aufenthaltstitel
Landesgericht. 53 Aufenthaltstitel vergab Dragan S. (Name geändert) von 2013 bis 2016 ohne Befugnis. In 19 Fällen ließ sich der heute 28-Jährige dafür bezahlen. Am Mittwoch, mehr als drei Jahre später, musste sich die ehemalige Kanzleikraft deshalb am Wiener Landesgericht wegen Betrugs und Amtsmissbrauchs verantworten.
Bereits mit 15 Jahren hatte S. begonnen, für die Stadt Wien zu arbeiten. Fünf Jahre später wechselte er zur MA 35, die Aufenthaltstitel vergibt. Kurz darauf wurde dem jungen Mann Multiple Sklerose – eine chronische Erkrankung des Nervensystems – diagnostiziert. Um auf andere Gedanken zu kommen, begann er mit Sportwetten und ging ins Casino.
„Ich hatte damals immer meinen Onkel vor Augen, der auch an Multipler Sklerose leidet. Zur Ablenkung habe ich mit dem Spielen begonnen“, erklärte der Angeklagte. Schon bald plagten ihn finanzielle Sorgen, wie sein Verteidiger Nikolaus Rast erläuterte.
Einen Ausweg fand er durch das Ausstellen von Aufenthaltsgenehmigungen gegen Geld. An sich war es seine Aufgabe, die Daten der Antragsteller aufzunehmen, einen Akt anzulegen und diesen einem Fachreferenten zu übermitteln. Danach kam ein positiver oder negativer Bescheid zurück in die Spielen und Wetten hatten dem Angeklagten Probleme eingebracht
Kanzlei. Bei einer Bewilligung musste S. den Auftrag an die Staatsdruckerei weiterleiten, wo die Aufenthaltskarten angefertigt werden. Im Anschluss konnten die Antragsteller ihre Aufenthaltstitel bei dem Kanzleimitarbeiter abholen.
Auch Mitleid ein Faktor
In 53 Fällen ließ S. den Schritt zum Referenten einfach aus und bestellte selbstständig in der Druckerei. 19-mal ließ er sich dafür von Antragstellern bis zu 170 Euro bezahlen. Dadurch entstand der MA 35 ein Schaden von 3.290 Euro. In vielen Fällen verzichtete S. aber auf die Bezahlung. Auf die Frage nach dem Warum von Richterin Daniela Zwangsleitner entgegnete S., dass er Mitleid mit den Antragstellern hatte.
Mittlerweile sei er am richtigen Weg, beteuerte S. 2018 hat er einen neuen Job gefunden. Wegen seiner Spielsucht war er in Therapie
– und laut eigener Aussage seitdem nie wieder im Casino. „Ich bin jetzt verlobt, wir suchen gerade eine Wohnung.“Mehr als 3.000 Euro in bar brachte der Ex-Beamte zum Prozess mit, um den verursachten Schaden zu begleichen. Er habe gespart und seine Eltern haben ihm ausgeholfen.
Trotz Schuldspruchs in beiden Anklagepunkten sah die Richterin den seit 2016 ordentlichen Lebenswandel als mildernden Grund. Erschwerend wertete sie den langen Tatzeitraum. S. archivierte die selbstbearbeiten Akten, wodurch der Betrug lange nicht aufflog.
Bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe fiel das Urteil dennoch mild aus: 20 Monate, die allerdings bedingt nachgesehen werden. Den Schaden muss S. zurückzahlen und die Verfahrenskosten in der Höhe von 100 Euro tragen.