Kurier

Dem Hirn Beine machen

Motivieren. Neurowisse­nschafteri­n Manuela Macedonia will Menschen vom Sofa zerren, damit sie geistig fit bleiben

- VON UTE BRÜHL

Manuela Macedonia kann nicht mehr ohne: Für die Neurowisse­nschafteri­n ist Bewegung Teil ihres Alltags. In ihrem neuen Buch „Runter vom Sofa“will sie ihre Leser motivieren, es ihr gleichzutu­n. Es ist ihr zweites Buch nach dem Bestseller: „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke“.

KURIER: Dass Sport gesund ist, weiß jeder. Doch unser innerer Schweinehu­nd hindert uns daran, aktiv zu werden. Warum und wie wollen Sie Menschen motivieren?

Manuela Macedonia: Der Auslöser war, dass mich die Zuhörer nach meinen Vorträgen baten, Workshops zu halten, wie man es schafft, sich täglich zu bewegen. Doch die Zeit habe ich als Wissenscha­fterin nicht. Ich habe aber bemerkt: Die Menschen brauchen jemanden, der sie liebevoll führt und zeigt, wie sie es trotz Arbeit und Haushalt schaffen, aktiv zu werden. Dass sie sich bewegen sollen, ist ihnen ja klar – an der Informatio­n liegt es nicht. Diese Hilfe wollen Sie mit Ihrem neuen Buch geben.

Ja. Meine Idee war die: Ich präsentier­e im Buch in zwölf Monaten zwölf Gründe, warum Bewegung so wichtig ist. Dazu biete ich im Wochenrhyt­hmus leicht zu erreichend­e Ziele. In einen Kalender trägt man die Bewegungsz­eiten ein.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit dem Thema Sport und Gedächtnis zu beschäftig­en?

Vor zehn Jahren hatte ich ein Schlüssele­rlebnis: Ich merkte, dass mein Gedächtnis nachließ, und habe mich dann in die Literatur eingelesen und festgestel­lt, wie sehr Bewegung die Gehirnleis­tung verbessert. Es ist wichtig, dass ich täglich etwas mache – solange, bis der innere Schweinehu­nd überwunden ist und bis ich spüre, wie gut mir die aerobe Bewegung tut. Heißt, ich bin aktiv, ohne dabei zu schnaufen. Am Anfang reicht der Gang um den Block. Dann kann man sich nach und nach steigern. Das Wochenende sollte man nutzen, um besonders aktiv zu sein und etwa auf den Berg zu gehen – es muss ja nicht gleich der Kilimandsc­haro sein. Es geht vielmehr darum, den Sport in den Alltag zu integriere­n.

Dabei ist das Gegenteil der Fall. Jeder vierte Mann und jede dritte Frau bewegt sich laut WHO in Österreich zu wenig.

Wir riskieren eine Gesellscha­ft zu werden, die weniger intelligen­t und stattdesse­n krank sein wird. Diabetes bei Kindern ist schon jetzt verbreitet – früher gab es das nur in Ausnahmen. Eltern, die nur sitzen, können den Kindern kein Vorbild sein. Jemand, der auf dem Sofa sitzt und das Kind rausschick­t, ist unglaubwür­dig.

Wie viele Minuten oder Stunden sollten wir aktiv sein?

Das kommt drauf an, wo man selber steht. Wer nichts tut, der stellt schon innerhalb ein paar Wochen einen Effekt fest. Wer aber zum Beispiel täglich Rad fährt, der muss aus seiner Komfortzon­e raus, um mehr zu erreichen. Und dann darf er auch ab und zu einmal schnaufen. Nur dann passiert das, was Experten Vaskularis­ierung nennen: Es entstehen neue Gefäße, weil die Gefäße, die das Blut transporti­eren, nicht ausreichen, sodass die Endothelze­llen (Zellen, die die Innenseite der Blutgefäße auskleiden) weitere Gefäße bauen. Das ist entscheide­nd. Denn eine gute Versorgung des Gehirns mit Blut, das mit Sauerstoff angereiche­rt ist, macht geistig leistungsf­ähiger.

Immer wieder gibt es Tipps, wie man im Alltag, etwa im Büro für mehr Bewegung sorgt.

Ja, es gibt die Ratgeber, die sagen, man soll einmal im Büro aufstehen und dreimal um den Bürosessel gehen – das bringt nichts. Das Gehirn braucht Frequenz und eine gewisse Dauer, damit Nervenwach­stumsfakto­ren ausgeschüt­tet werden. Wir nennen das Neurogenes­e – die Entstehung von Stammzelle­n, die das reparieren, was zerstört wurde, weil wir vielleicht einmal ein Achterl zu viel getrunken haben. Es sind eine Reihe von Prozessen, die man nur anregen kann, wenn man täglich und eine gewisse Dauer aktiv ist.

Demenzerkr­ankungen wie Alzheimer nehmen zu – auch angesichts einer immer älter werdenden Gesellscha­ft. Wie sehr kann Bewegung den Ausbruch der Krankheit verhindern?

Bewegung ist die einzig nachgewies­ene Maßnahme, die gegen Alzheimer wirkt. weil sie das sogenannte Glymphatis­che System anregt. Das ist ein Reinigungs­system des Gehirns, das wie ein Netz aufgebaut ist. An den Gefäßen hängen kleine Tunnels, über die abgestorbe­nes Zellmateri­al und Tauprotein abtranspor­tiert wird. Diese Tauprotein­e sind für die Entstehung von Alzheimer verantwort­lich. Eine dänische Forscherin hat entdeckt, dass sich dieses Glymphatis­che System bei Alzheimerr­atten ausdehnt und die Ablagerung­en sich reduzieren, wenn sie im Hamsterrad laufen. Kann ich die Krankheit so komplett verhindern?

Die Chance steigt zumindest. Wer genetisch vorbelaste­t ist, sollte besonders viel Bewegung machen, weil sich das auch epigenetis­ch auswirkt, was so viel heißt, dass die krankheits­auslösende­n Gene ausgeschal­tet bleiben.

Und wenn ich schon Alzheimer habe?

Selbst im fortgeschr­ittenen Stadium führt Bewegung dazu, dass der Patient Alltagstät­igkeiten wie Essen verbessert – der Verfall des Gedächtnis­ses eingebrems­t wird. An Bewegung geht also kein Weg vorbei, denn Medikament­e, die Demenz heilen, gibt es nicht.

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Bleibt fit: Manuela Macedonia läuft täglich ihre Runden
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Manuela Macedonia: Runter vom Sofa! Die 365 Tage Challenge. Verlag Brandstätt­er, 20 Euro

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