Schwere grüne Hypothek
Causa Chorherr. Grünen-Chefin Hebein übernimmt eine schwereHypothek. Chorherr ist mittlerweile ausgetreten
Mit dem Skandal könnte der Einfluss vonWiens GrünenChefin Birgit Hebein auf die Bundespartei sinken.
Tiefe Enttäuschung über die Leichtsinnigkeit eines langgedienten Spitzenfunktionärs. Aber auch trotzige Wut über ein – mutmaßlich – schweres Foul des politischen Gegners.
So sieht das emotionale Wechselbad aus, durch das die Wiener Grünen derzeit aufgrund der Affäre rund um ihren Ex-Planungssprecher Christoph Chorherr gehen müssen. Dieser zog am Donnerstag die Reißleine und legte seine Parteimitgliedschaft zurück. „Auf Wunsch einiger Grüner“, wie er gegenüber ORFWien bestätigte.
Seit Tagen muss sich die Öko-Partei, die Begriffe wie „Anstand“und „saubere Politik“auf ihre Plakate geschrieben hat, mit der Causa herumschlagen. Und diese passt so gar nicht ins SaubermannImage der Partei.
Zuletzt wurden – wie berichtet – neue Details zu den Ermittlungen der Justiz wegenmöglicher Unregelmäßigkeiten bei Flächenwidmungen bekannt: Die Behörden untersuchen, ob ImmobilienFirmen mit Spenden für das afrikanische Schulprojekt des damaligen grünen Gemeinderats Chorherr auf Umwidmungen in Wien Einfluss genommen haben – was der ExGrüne und sämtliche andere Beteiligten bestreiten.
Debatte zur Unzeit
Die Debatte kommt für die Grünen zur Unzeit. Nicht nur, weil inwenigen Tagen gewählt wird. Sondern auch, weil die Causa der neuen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein den (nach Nachfolge-Querelen) ohnehin schwierigen Einstand weiter erschwert. Hebein folgte in ihrer Funktion auf die Chorherr-Vertraute Maria Vassilakou, die ihr zahlreiche Baustellen hinterließ.
„Die Optik ist schlimm, da gibt es nichts zu diskutieren“, sagt ein grüner Funktionär zum KURIER. „Was mich beärgert: Von anderen Parteien unterscheidet uns, dass es Grüne in den Genen haben, sich für andere einzusetzen. Viele engagieren sich unbezahlt in mehreren NGOs und helfen Menschen, denen es schlecht geht. Jetzt kommen die Leute und sagen, wir seien korrupt – und behandeln Chorherr, als sei er der ärgste Verbrecher.“
Dass es falsch war, Spenden von Immo-Firmen anzunehmen, darüber herrscht in der Partei aber Einvernehmen: „Als das vor zwei Jahren erstmals bekannt wurde, hab ich ihm gesagt, dass das nicht geht. So haben das alle von uns gesehen“, sagt ein Grüner. „Ich glaube aber nicht, dass Chorherr korrupt ist.“
Und auch da scheint es breites Einvernehmen zu geben: „Ich kenne Chorherr seit 25 Jahren. Er ist ein Idealist bis in die Zehenspitzen und völlig von seinem Schulprosonders jekt in Afrika überzeugt. Dabei war dann wohl etwas zu viel Idealismus im Spiel“, sagt ein anderer Funktionär.
Schlechte Erinnerungen
Es ist nicht das ersteMal, dass Chorherr die Partei verärgert. Erst im Juni, nachdem er die Politik verlassen hatte, gab es Ärger. Er nahm einen BeraterJob für das Immo-Unternehmen Soravia an, das auch auf der Spendenliste steht. „Das war nicht ganz so schlimm wie Eva Glawischnigs Wechsel zu Novomatic, aber viel fehlt nicht dazu“, schildert ein Funktionär.
Hebein ist nun um Schadensbegrenzung bemüht. Sie verspricht volle Aufklärung. Bei der Partei kommt das gut an: „Es ist gut, dass sie sich offensiv darum bemüht und von sich aus ankündigt, in dieser Causa den Stadtrechnungshof einzuschalten“, sagt ein Grüner. Ob das nicht vielleicht schon ihre Vorgängerin Vassilakou hätte tun sollen, darüber wagt keiner ein klares Urteil. „Im Nachhinein wäre das vielleicht besser gewesen. Damals war das aber nicht so klar.“
Einstweilen übt man sich in Zweckoptimismus – und hofft, dass diese „aufgewärmte Geschichte“keinen großen Einfluss auf das Ergebnis der Nationalratswahl am 29. September habenwird.
Dabei ist gerade das Abschneiden der Wiener Grünen von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Bundespartei: Wien war stets eine der grünen Hochburgen. Bei Nationalratswahlen lagen die Ergebnisse immer über dem Österreich-Schnitt. Im Jahr 2013 kamen die Grünen hier auf 16,4 Prozent. Und auch 2017, als die Grünen als dem Nationalrat gewählt wurden, schaffte man in Wien noch 5,9 Prozent.
Dementsprechend selbstbewusst traten die Wiener Grünen stets innerhalb der Partei auf. Sie sind dem linken Flügel zuzurechnen, der nur allzu gerne den Pragmatikern widerspricht, die in der Vergangenheit durchaus auch mit der ÖVP koalitionsbereit waren. So torpedierte die linke Basis etwa 2003 die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und dem damaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen.
Sollten die Wiener Grünen auf den letzten Metern vor der Nationalratswahl schwächeln, dann leidet darunter auch ihr Einfluss auf die (und in der) grünen Bundespartei. Spätestens dann hat Birgit Hebein noch einweiteres Problem.