Kurier

Schwere grüne Hypothek

Causa Chorherr. Grünen-Chefin Hebein übernimmt eine schwereHyp­othek. Chorherr ist mittlerwei­le ausgetrete­n

- VON JOSEF GEBHARD UND CHRISTOPH SCHWARZ

Mit dem Skandal könnte der Einfluss vonWiens GrünenChef­in Birgit Hebein auf die Bundespart­ei sinken.

Tiefe Enttäuschu­ng über die Leichtsinn­igkeit eines langgedien­ten Spitzenfun­ktionärs. Aber auch trotzige Wut über ein – mutmaßlich – schweres Foul des politische­n Gegners.

So sieht das emotionale Wechselbad aus, durch das die Wiener Grünen derzeit aufgrund der Affäre rund um ihren Ex-Planungssp­recher Christoph Chorherr gehen müssen. Dieser zog am Donnerstag die Reißleine und legte seine Parteimitg­liedschaft zurück. „Auf Wunsch einiger Grüner“, wie er gegenüber ORFWien bestätigte.

Seit Tagen muss sich die Öko-Partei, die Begriffe wie „Anstand“und „saubere Politik“auf ihre Plakate geschriebe­n hat, mit der Causa herumschla­gen. Und diese passt so gar nicht ins Saubermann­Image der Partei.

Zuletzt wurden – wie berichtet – neue Details zu den Ermittlung­en der Justiz wegenmögli­cher Unregelmäß­igkeiten bei Flächenwid­mungen bekannt: Die Behörden untersuche­n, ob Immobilien­Firmen mit Spenden für das afrikanisc­he Schulproje­kt des damaligen grünen Gemeindera­ts Chorherr auf Umwidmunge­n in Wien Einfluss genommen haben – was der ExGrüne und sämtliche andere Beteiligte­n bestreiten.

Debatte zur Unzeit

Die Debatte kommt für die Grünen zur Unzeit. Nicht nur, weil inwenigen Tagen gewählt wird. Sondern auch, weil die Causa der neuen Vizebürger­meisterin Birgit Hebein den (nach Nachfolge-Querelen) ohnehin schwierige­n Einstand weiter erschwert. Hebein folgte in ihrer Funktion auf die Chorherr-Vertraute Maria Vassilakou, die ihr zahlreiche Baustellen hinterließ.

„Die Optik ist schlimm, da gibt es nichts zu diskutiere­n“, sagt ein grüner Funktionär zum KURIER. „Was mich beärgert: Von anderen Parteien unterschei­det uns, dass es Grüne in den Genen haben, sich für andere einzusetze­n. Viele engagieren sich unbezahlt in mehreren NGOs und helfen Menschen, denen es schlecht geht. Jetzt kommen die Leute und sagen, wir seien korrupt – und behandeln Chorherr, als sei er der ärgste Verbrecher.“

Dass es falsch war, Spenden von Immo-Firmen anzunehmen, darüber herrscht in der Partei aber Einvernehm­en: „Als das vor zwei Jahren erstmals bekannt wurde, hab ich ihm gesagt, dass das nicht geht. So haben das alle von uns gesehen“, sagt ein Grüner. „Ich glaube aber nicht, dass Chorherr korrupt ist.“

Und auch da scheint es breites Einvernehm­en zu geben: „Ich kenne Chorherr seit 25 Jahren. Er ist ein Idealist bis in die Zehenspitz­en und völlig von seinem Schulproso­nders jekt in Afrika überzeugt. Dabei war dann wohl etwas zu viel Idealismus im Spiel“, sagt ein anderer Funktionär.

Schlechte Erinnerung­en

Es ist nicht das ersteMal, dass Chorherr die Partei verärgert. Erst im Juni, nachdem er die Politik verlassen hatte, gab es Ärger. Er nahm einen BeraterJob für das Immo-Unternehme­n Soravia an, das auch auf der Spendenlis­te steht. „Das war nicht ganz so schlimm wie Eva Glawischni­gs Wechsel zu Novomatic, aber viel fehlt nicht dazu“, schildert ein Funktionär.

Hebein ist nun um Schadensbe­grenzung bemüht. Sie verspricht volle Aufklärung. Bei der Partei kommt das gut an: „Es ist gut, dass sie sich offensiv darum bemüht und von sich aus ankündigt, in dieser Causa den Stadtrechn­ungshof einzuschal­ten“, sagt ein Grüner. Ob das nicht vielleicht schon ihre Vorgängeri­n Vassilakou hätte tun sollen, darüber wagt keiner ein klares Urteil. „Im Nachhinein wäre das vielleicht besser gewesen. Damals war das aber nicht so klar.“

Einstweile­n übt man sich in Zweckoptim­ismus – und hofft, dass diese „aufgewärmt­e Geschichte“keinen großen Einfluss auf das Ergebnis der Nationalra­tswahl am 29. September habenwird.

Dabei ist gerade das Abschneide­n der Wiener Grünen von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Bundespart­ei: Wien war stets eine der grünen Hochburgen. Bei Nationalra­tswahlen lagen die Ergebnisse immer über dem Österreich-Schnitt. Im Jahr 2013 kamen die Grünen hier auf 16,4 Prozent. Und auch 2017, als die Grünen als dem Nationalra­t gewählt wurden, schaffte man in Wien noch 5,9 Prozent.

Dementspre­chend selbstbewu­sst traten die Wiener Grünen stets innerhalb der Partei auf. Sie sind dem linken Flügel zuzurechne­n, der nur allzu gerne den Pragmatike­rn widerspric­ht, die in der Vergangenh­eit durchaus auch mit der ÖVP koalitions­bereit waren. So torpediert­e die linke Basis etwa 2003 die Koalitions­verhandlun­gen zwischen ÖVP und dem damaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen.

Sollten die Wiener Grünen auf den letzten Metern vor der Nationalra­tswahl schwächeln, dann leidet darunter auch ihr Einfluss auf die (und in der) grünen Bundespart­ei. Spätestens dann hat Birgit Hebein noch einweitere­s Problem.

 ??  ??
 ??  ?? Ein Küsschen für die Nachfolger­in: Ganz so reibungslo­s verlief der Wechsel von Maria Vassilakou auf Birgit Hebein dann nicht
Ein Küsschen für die Nachfolger­in: Ganz so reibungslo­s verlief der Wechsel von Maria Vassilakou auf Birgit Hebein dann nicht
 ??  ?? Freund großen Gesten: Christoph Chorherr im Gemeindera­t
Freund großen Gesten: Christoph Chorherr im Gemeindera­t

Newspapers in German

Newspapers from Austria