Kurier

„Billig werden wir diese Koalition nicht geben“

Beate Meinl-Reisinger. Die Neos-Spitzenkan­didatin über die Chancen einer Dreierkoal­ition mit ÖVP und Grün. VonWernerK­ogler wünscht sie sichmehrMu­t für diese neueRegier­ungskonste­llation.

- VON IDA METZGER

KURIER: Frau Meinl-Reisinger, in den Umfragen liegen die Neos zwischen acht und neun Prozent. Die Grünen, obwohl sie nicht im Nationalra­t waren, bei zwölf Prozent. Enttäuscht, dass Sie hinter den Grünen liegen?

Beate Meinl-Reisinger: Na und? Ich bin sehr zufrieden. Denn wir kommen von 5,3 Prozent und gehen in Richtung 9 Prozent. Das ist fast eine Verdoppelu­ng. Als kleine, neue Partei haben wir keine Stammwähle­rschaft und müssen uns dieWähler vonWahl zuWahl erarbeiten.

ÖVP/Grüne/Neos ist eine Koalitions­variante, die eine Mehrheit hätte nach der Wahl. Wie hoch schätzen Sie die Wahrschein­lichkeit ein, dass diese Dreierkoal­ition Realitätwe­rden könnte?

Es mag einem gefallen oder nicht, aber die Frage des Kanzlers ist entschiede­n. Ich möchte nicht, dass es eine Neuauflage von Türkis-Blau gibt. Das wollen auch viele Österreich­er nicht. Sie machen sich wirklich Sorgen, dass man zum dritten Mal den Fehler macht und die FPÖ in die Regierung holt. Das wäre sicher die einfachste Variante für Kurz. Ich will auch keine mittelgroß­e Koalition mit der SPÖ, weil das wieder Stillstand bedeutet. Alsomuss ich sagen: Ich stehe bereit, eine Alternativ­e zu bieten. Mir ist es wichtig, diese Verhandlun­gsbereitsc­haft zu signalisie­ren. Ich mag es nicht, wenn herumgeeie­rt wird. Die Koalition ist eine Verhandlun­gssache, billigwerd­en wir es nicht geben.

Kogler schätzt die Chancen, dass es eine ÖVP/Grüne/ Neos-Koalition gibt, auf unter zehn Prozent ...

Ui, dann nimmt er aber auch in Kauf, dass es wieder Türkis-Blau gibt. Das wünsche ich mir nicht. Da sage ich zu Werner Kogler: Kopf hoch! Nur Mut! (lacht) – Wir müssen einen konstrukti­ven Weg aufzeigen, wie anständige­re Politik ausschaut. Nur dagegen sein, nützt nicht.

In den TV-Duellen reiben Sie sich mit Sebastian Kurz sehr oft. Gibt es da eine wirkliche Verhandlun­gsbasis?

Neos haben hier einen sehr profession­ellen Zugang, persönlich­e Befindlich­keiten haben da keinen Platz. Aber ich war schon überrascht, dass Sebastian Kurz als ehemaliger Kanzler so tief in die Schmutzküb­elkiste bei den TV-Duellen greift. Gerade er, der immer davon spricht, nicht anpatzen zu wollen. Außerdem ist seine Argumentat­ion einfach faktenbefr­eit. Wenn Kurz sagt, die Regierung hat keine Schulden gemacht ist, ist das falsch. Die Schulden sind nur angesichts sprudelnde­r Einnahmen und der null Zins-Phase vielleicht nicht nach oben gegangen – aber die Ausgaben sind dennoch ungebremst gestiegen. Da bin ich schon schockiert, wie locker es Kurz mit der Wahrheit nimmt.

Interessan­terweise zeigt sich in den TV-Duellen, dass die Harmonie zwischen Ihnen und Werner Kogler größer ist als mit Kurz. Dabei müsste es doch umgekehrt sein ...

Werner Kogler und ich verstehen uns gut. In Klimafrage­n sind wir mit der aufkommens­neutralen CO - Steuer auf einer Wellenläng­e. Allerdings ist die Frage, wofür die Grünen wirtschaft­spolitisch stehen, für mich nach wie vor nicht beantworte­t. Derzeit wird hier eine sehr mittige Linie gefahren. Aber hinter Werner Kogler stehen andere, die ich auch aus meiner Zeit im Wiener Landtag kenne, die eine sehr ultra-linke Einstellun­g haben. Es gibt auch eine Sigi Maurer, die Aussagen tätigt, wie man müsse das System zerstören. Da werden wir uns sehr schwertun, weil wir das Streben nach Profit nicht als böse bewerten. Das ist nicht mein Ansatz.

Gibt es eine pinke Koalitions­bedingung, die nicht verhandelb­ar ist?

Ja, das Verstecken, Tarnen und Täuschen bei den Parteifina­nzen muss ein Ende haben. Ein Beobachter aus dem Ausland muss sich fragen: Hat Österreich irgendwas aus Ibiza gelernt? Da muss man klar sagen, dass die Parteien nichts gelernt haben. Denn all das, was in Ibiza beschriebe­n wird, ist noch immer möglich. Eine Zusammenar­beit mit Neos gibt es nur mit einer Partei, die alle Finanzen transparen­t auf den Tisch legt, und die auch bereit ist, sich vom Rechnungsh­of prüfen zu lassen. Sebastian Kurz behauptet ja, die ÖVP hätte das gemeinsamm­it uns im Parlament umsetzen wollen. Das ist nicht wahr. Das ist schlichtwe­g gelogen. Die ÖVP hat gegen unsere Anträge gestimmt. Das kann

man auf der Parlaments­homepage nachlesen. So ein Verhalten ist für einen ExKanzler ein Armutszeug­nis.

Ihr Großspende­r Hans-Peter Haselstein­er ist den Neos durch das neue Parteienfi­nanzierung­sgesetz abhandenge­kommen. Wie werden Sie diesen Verlust abfedern?

Ich weiß schon, dass es hier auch darum ging, die Konkurrenz klein zu halten. Ich bin ja nicht deppert. Im November habenwir die Landtagswa­hlen in der Steiermark, hier sind Neos noch nicht im Landtag vertreten. Dadurch haben wir kein Steuergeld, auf das wir zurückgrei­fen können. Wir müssen den Wahlkampf durch Spenden und andere Unterstütz­ungsleistu­ngen finanziere­n. Das wird nicht leicht.

Schließen die Spenden von Haselstein­er die Neos von Ministerpo­sten wie dem Infrastruk­turministe­rium aus? Dann dürfte die ÖVP gar kein Ressort mehr besetzen, wenn man nach diesen Kriterien vorgeht. In diesem Bereich muss man sich das Vergaberec­ht anschauen, damit es keine Anstandspr­oblematik gibt. InWien habe ich die Unvereinba­rkeit beim Heumarktpr­ojekt von Christoph Chorherrmi­taufgedeck­t.

Die Großpartei­en lehnen die CO -Steuer ab, weil sie die 2 Pendler nicht belasten wollen. Die Neos sagen, es würde keine Mehrbelast­ung geben. Aber stimmt das auch in dem Fall, wenn ich bereits SUV-Fahrer bin?

Tendenziel­l muss man sagen, wenn jemand so einen Stinker fährt, wird er mehr zahlen müssen. Es geht nach dem Verursache­rprinzip, wenn Sie viel CO ausstoßen, 2 zahlen Sie mehr. Emittiert man weniger CO , zahlt derjenige 2 auch weniger. Da geht es nichtumein­e neue Einnahmequ­elle für den Staat, denn wir wollen eine Senkung der Steuerquot­e. Insgesamt werden die Menschen entlastet, aber die CO -Steuer wird 2 tendenziel­l die Reichen mehr belasten, weil sie sich ein umweltschä­dlicheres Leben mit SUVs und vielen Reisen leisten können. Die Pendlerpau­schale wollen wir zwar umgestalte­n, aber nicht abschaffen, damit der Pendler aus dem Waldvierte­l nicht draufzahlt. Mit unserem Konzept schaffen wir eine Reduktion von 30 Prozent des CO -Ausstoßes. 2 Ein Teil davon kommt dadurch zustande, dass 300.000 Lkw weniger pro Jahr über die Autobahn donnern werden, weil es keinen Tanktouris­mus mehr geben wird.

Das Finanzmini­sterium hat ausgerechn­et, dass die Beschlüsse in den letzten Plenartage­n vor der Wahl fünf Milliarden Euro kosten werden. Sollte es künftig kurz vor dem Wahltag keine Parlaments­sitzungen geben?

Diese Befürchtun­g habe ich schon sehr lange. Deswegen habe ich einen Pakt der Verantwort­ung vorgeschla­gen. In dieser Zeit sollen keine budgetrele­vanten Beschlüsse gefasst werden. Ich finde es bemerkensw­ert, dass sich keine Partei daran hält. Auch die ÖVP nicht, die das immer wieder gefordert hat. Der Faktenchec­k zeigt, dass die ÖVP sehr spendierfr­eudig ist vor einemWahlt­ag.

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Beate Meinl-Reisinger möchte Neos in Regierungs­verantwort­ung führen, aber nicht um jeden Preis

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