Kurier

Casino-Parlamenta­rismus? Wahlkampf im Hohen Haus

Sondersitz­ung. Pensions-Plus/Aktion 20.000

- MICHAEL BACHNER

Die parlamenta­rische Sondersitz­ung wurde am Donnerstag – zehn Tage vor der Wahl – von den Abgeordnet­en zur Wahlkampfb­ühne umfunktion­iert. Das Ergebnis war eine wahre Antragsflu­t der Fraktionen. Vor allem die SPÖ tat sich mit neuen Wünschen hervor. Einberufen worden war die Sondersitz­ung von der Liste Jetzt eigentlich zum Hackerangr­iff auf dieÖVP.

Am Ende eines langen Plenartage­s gab es dank rotblauer Kooperatio­n überrasche­nde Beschlüsse zur Pensionsre­form. So kann man künftig mit 45 Versicheru­ngsjahren abschlagsf­rei im Alter von 62 Jahren in Pension gehen, wobei Frauen bis zu fünf Jahren an Kindererzi­ehungszeit­en angerechne­twerden.

Die Pensionsan­passung, die ohne Stimmen der Neos verabschie­det wurde, begünstigt Bezieher niedriger Pensionen. Bis zur Steuergren­ze von 1.111 Euro gibt es ab 1. Jänner eine Erhöhung um 3,6 Prozent. Von 1.112 bis 2.500 Euro erfolgt eine schrittwei­se Absenkung bis zum Inflations­wert von 1,8 Prozent. Bis zur Höchstbeit­ragsgrundl­age von 5.220 Euro erfolgt eine Erhöhung von 1,8 Prozent.

Rote Zusatz-Anträge

ÖVP und FPÖ brachten den ersten Teil ihrer türkis-blauen Steuerrefo­rmauf Schiene. SPÖ-Abgeordnet­e brachten eine ganze Latte an Abänderung­sund Entschließ­ungsanträg­en ein. Sie forderten die Auszahlung von Urlaubsund Weihnachts­geld künftig auch in jenen Branchen, in denen es mangels eines Kollektivv­ertrags heute nur zwölf Monatsgehä­lter gibt, sowie den steuerfrei­en Mindestloh­n von 1700 Euro, die Direktausz­ahlung der Pendlerpau­schale oder die steuerlich­e Besserstel­lung von Sozialplän­en.

Die SPÖ stieß mit diesen Forderunge­n auf viel Kritik. Die ÖVP- und FPÖ-Mandatare geißelten den potenziell sündteuren „Casino-Parlamenta­rismus“. Die Pinken sprachen von „giftigen Wahlzucker­ln“und sogar von zehn Milliarden Euro, die hier für die nächsten Jahre verpulvert werden sollten. Konkrete Beschlüsse sollten erst in den späten Abendstund­en gefasst werden. Bei jenem zum 13./14. Monatsgeha­lt, der laut SPÖ circa 160.000 Menschen betreffen dürfte, stimmen die Blauen mit den Roten. Es handelt sich aber nur um einen Entschließ­ungsantrag an die derzeitige Regierung, der so kurz vor der Wahl nur Symbolchar­akter hat.

Aktion 20.000 „light“

Beschlosse­n wurde, sehr zur Freude der SPÖ, die de-facto-Neuauflage der Aktion 20.000 für ältere Langzeitar­beitslose. Freilich gibt es dafür nicht die 400 Millionen Euro pro Jahr, die noch im Sommer 2017 unter RotSchwarz vorgesehen waren, sondern nur 50 Millionen Euro. Dafür stimmten auch ÖVP und FPÖ zu.

Zuvor strich ÖVP-Klubchef August Wöginger vor allem die Entlastung­swirkung

„Wer ein Leben lang gearbeitet hat, darf in der Pension nicht der Dumme sein.“August Wöginger ÖVP-Klubchef

der Pensionser­höhung und des neuen Sozialvers­icherungsb­onus hervor. Ein Pensionist mit 1.000 Euro dürfe ab 2020 aus beiden Titeln gemeinsam mit 700 Euro pro Jahr zusätzlich rechnen.

Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker vermisste die Abschaffun­g der kalten Progressio­n und kritisiert­e, dass vom Sozialvers­icherungsb­onus zwar alle Selbststän­digen und alle Bauern, aber nur Arbeitnehm­er mit einem Brutto-Monatslohn von weniger als 2.000 Euro profitiere­n würden. Loacker sprach von einer „gigantisch­en ‚Teilzeitfa­lle’“.

Gegen die Neos – dafür zur Beruhigung der Länder – wurde zudem ein voller Kostenersa­tz für die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses für 2019 und 2020 beschlosse­n.

Einmal mehr warnte Finanzmini­ster EduardMüll­er vor nicht ausfinanzi­erten Wahlzucker­ln. Er spricht vonmehrere­n Milliarden.

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Pamela Rendi-Wagner: Antragsfeu­erwerk der SPÖ im Nationalra­t und heftiger Parteienst­reit über zu teure Wahlzucker­ln

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