Casino-Parlamentarismus? Wahlkampf im Hohen Haus
Sondersitzung. Pensions-Plus/Aktion 20.000
Die parlamentarische Sondersitzung wurde am Donnerstag – zehn Tage vor der Wahl – von den Abgeordneten zur Wahlkampfbühne umfunktioniert. Das Ergebnis war eine wahre Antragsflut der Fraktionen. Vor allem die SPÖ tat sich mit neuen Wünschen hervor. Einberufen worden war die Sondersitzung von der Liste Jetzt eigentlich zum Hackerangriff auf dieÖVP.
Am Ende eines langen Plenartages gab es dank rotblauer Kooperation überraschende Beschlüsse zur Pensionsreform. So kann man künftig mit 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei im Alter von 62 Jahren in Pension gehen, wobei Frauen bis zu fünf Jahren an Kindererziehungszeiten angerechnetwerden.
Die Pensionsanpassung, die ohne Stimmen der Neos verabschiedet wurde, begünstigt Bezieher niedriger Pensionen. Bis zur Steuergrenze von 1.111 Euro gibt es ab 1. Jänner eine Erhöhung um 3,6 Prozent. Von 1.112 bis 2.500 Euro erfolgt eine schrittweise Absenkung bis zum Inflationswert von 1,8 Prozent. Bis zur Höchstbeitragsgrundlage von 5.220 Euro erfolgt eine Erhöhung von 1,8 Prozent.
Rote Zusatz-Anträge
ÖVP und FPÖ brachten den ersten Teil ihrer türkis-blauen Steuerreformauf Schiene. SPÖ-Abgeordnete brachten eine ganze Latte an Abänderungsund Entschließungsanträgen ein. Sie forderten die Auszahlung von Urlaubsund Weihnachtsgeld künftig auch in jenen Branchen, in denen es mangels eines Kollektivvertrags heute nur zwölf Monatsgehälter gibt, sowie den steuerfreien Mindestlohn von 1700 Euro, die Direktauszahlung der Pendlerpauschale oder die steuerliche Besserstellung von Sozialplänen.
Die SPÖ stieß mit diesen Forderungen auf viel Kritik. Die ÖVP- und FPÖ-Mandatare geißelten den potenziell sündteuren „Casino-Parlamentarismus“. Die Pinken sprachen von „giftigen Wahlzuckerln“und sogar von zehn Milliarden Euro, die hier für die nächsten Jahre verpulvert werden sollten. Konkrete Beschlüsse sollten erst in den späten Abendstunden gefasst werden. Bei jenem zum 13./14. Monatsgehalt, der laut SPÖ circa 160.000 Menschen betreffen dürfte, stimmen die Blauen mit den Roten. Es handelt sich aber nur um einen Entschließungsantrag an die derzeitige Regierung, der so kurz vor der Wahl nur Symbolcharakter hat.
Aktion 20.000 „light“
Beschlossen wurde, sehr zur Freude der SPÖ, die de-facto-Neuauflage der Aktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose. Freilich gibt es dafür nicht die 400 Millionen Euro pro Jahr, die noch im Sommer 2017 unter RotSchwarz vorgesehen waren, sondern nur 50 Millionen Euro. Dafür stimmten auch ÖVP und FPÖ zu.
Zuvor strich ÖVP-Klubchef August Wöginger vor allem die Entlastungswirkung
„Wer ein Leben lang gearbeitet hat, darf in der Pension nicht der Dumme sein.“August Wöginger ÖVP-Klubchef
der Pensionserhöhung und des neuen Sozialversicherungsbonus hervor. Ein Pensionist mit 1.000 Euro dürfe ab 2020 aus beiden Titeln gemeinsam mit 700 Euro pro Jahr zusätzlich rechnen.
Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker vermisste die Abschaffung der kalten Progression und kritisierte, dass vom Sozialversicherungsbonus zwar alle Selbstständigen und alle Bauern, aber nur Arbeitnehmer mit einem Brutto-Monatslohn von weniger als 2.000 Euro profitieren würden. Loacker sprach von einer „gigantischen ‚Teilzeitfalle’“.
Gegen die Neos – dafür zur Beruhigung der Länder – wurde zudem ein voller Kostenersatz für die Abschaffung des Pflegeregresses für 2019 und 2020 beschlossen.
Einmal mehr warnte Finanzminister EduardMüller vor nicht ausfinanzierten Wahlzuckerln. Er spricht vonmehreren Milliarden.