Kurier

Klimaschut­zpaket: Dreht sich der Wind oder weht ein Lüftchen?

Während in Berlin und weltweit fürs Klima gestreikt wird, ringt die Regierung Merkel umein Maßnahmenp­aket – dabei geht es auch umihr politische­s Vermächtni­s.

- SANDRA LUMETSBERG­ER

Es ist ein Bild, das um die Welt ging und Angela Merkel bis heute verfolgt: 2007 steht sie mit roter Jacke vor schmelzend­en Gletschern in Grönland. Die frühere Umweltmini­sterin Merkel, erst zwei Jahre im Kanzleramt, mahnte auf der Weltbühne und zu Hause für mehr Engagement. Schnell verpasste man ihr den Namen Klimakanzl­erin, doch großen Taten blieben aus, andere Krisen kamen dazwischen. Merkel ließ das Thema schleifen.

Daran wird sie von den „Fridaysfor-Future“-Demonstran­ten erinnert, die seit Monaten auf die Straße gehen – auch an diesem Freitag. Weltweit haben sie zum Klimastrei­k aufgerufen. Anlass ist der UN-Klimagipfe­l amWochenen­de in New York. Die Staats- und Regierungs­chefs sollen am Montag „mit konkreten, realistisc­hen Plänen“erscheinen, forderte UN-Generalsek­retär Guterres.

Was Angela Merkel vorweisen kann, ist noch unklar. Die Große Koalition hat sich just für diesen Demonstrat­ionsfreita­g ein ehrgeizige­s Ziel auferlegt: Sie will ein Klimaschut­zpaket auf den Weg bringen. Das Ziel: Den Treibhausg­as-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Aktuell verfehlt Deutschlan­d eigene und auf EU-Ebene verpflicht­ende Ziele – hohe Strafzahlu­ngen drohen.

Längst geht es nicht nur darum. Durch die Proteste und den Wahlerfolg der Grünen steht Merkels Koalition unter Druck, es geht auch um ihr politische­s Erbe. „Klimaschut­z ist eine Menschheit­saufgabe“, erklärte sie kürzlich imBundesta­g. Nicht nur die Kanzlerin hat auf den letzten Metern ihres Amtes das Klima wieder für sich entdeckt, auch in der SPD erkennt man Handlungsb­edarf: Hatte man lange die Kohlekumpe­ls vor Augen, sieht man nun Wähler Richtung Grüne abwandern; selbst CSU-Politiker sind plötzlich ergrünt. Parteichef Markus Söder preschte mit Vorschläge­n vor (Verbot von Einweg-Plastiktüt­en, Klimaschut­z ins Grundgeset­z) und behauptete mit Blick auf die Grünen: „Wir haben den Umweltschu­tz erfunden.“An solchen Aussagen bzw. den Inhalten des Klimapaket­s wird man ihn und die anderen Parteichef­s messen. Denn egal, worauf sie sich einigen – es ist noch nicht verbindlic­h: Es muss durch den Bundestag und den Bundesrat. Dort haben die Grünen, die in vielen Bundesländ­ern mitregiere­n, ein gewichtige­sWort mitzureden.

Was aus einem Entwurf des Pakets bisher bekannt ist: Es soll eine CO -Bepreisung geben und Sprit, Heizöl oder Erdgas sollen teurer werden. Über das Wie ist man uneins. Die SPD will Steuern, CDU/CSU wollen den Emissionsh­andel erweitern. Die Bürger sollen mit niedrigere­n Strompreis­en entlastet werden. Zudem plane man Anreize für klimafreun­dliches Verhalten: eine Prämie für E-Autos; Förderung von alternativ­en Kraftstoff­en und Öffis. Der Ausbau von Windrädern und Solaranlag­en soll beschleuni­gtwerden.

Für die Regierung ist die Gratwander­ung enorm: Mit den Maßnahmen will sie die Folgen der Erderwärmu­ng abwehren, gleichzeit­ig jenen die Angst nehmen, die um ihre Jobs fürchten oder ihren Lebensstil. Ob das Klimapaket am Ende ein „Klein-Klein“oder großer Wurf der zurückgeke­hrten Klimakanzl­erin ist, wird sich zeigen.

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Merkel wurde mal als Klimakanzl­erin gefeiert, dann kam ihr anderes dazwischen

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