Kurier

Wichtigste Finanzzent­ren

Ander Spitze stehenNewY­ork, London und Hongkong. Wien rutscht aufRang 54 ab und zählt zu den großen Verlierern. Sogar die kasachisch­e Hauptstadt ist besser platziert.

- VON HERMANN SILEITSCH-PARZER

Auf Platz 54 abgestürzt: Wien zählt zu den großen Verlierern.

Dem Finanzplat­z Wien droht der Absturz in die Bedeutungs­losigkeit. Sogar der Hauptstadt von Kasachstan, die neuerdings Nur-Sultan heißt und früher Astana war, misst die Welt des großen Geldes mehr Bedeutung bei (Platz 51).

Es ist fürwahr kein Ruhmesblat­t: In der am Donnerstag veröffentl­ichten Rangliste der weltweit wichtigste­n Finanzzent­ren ist Wien nur auf Platz 54 (von 104) zu finden. Bei der Ausgabe im März hatte es noch Platz 44 belegt. Damit zählt Österreich­s Bundeshaup­tstadt zu den zehn größten Absteigern (siehe Grafik). Wie konnte es dazu kommen?

Konkurrenz holt auf Auf den ersten Blick ist der Absturz durchaus überrasche­nd, denn Wien erreicht denselben Punkte-Wert (640) wie im März. Das Problem: Andere haben sich verbessert undWien überholt – darunter sind Finanzplät­ze wie Mauritius, Stuttgart, Busan (Südkorea), Stockholm, Hamburg, Bangkok, Istanbul oder eben Nur-Sultan/Astana.

Dazu muss man wissen: Der „Global Financial Centres Index 26“(GFCI26), den die Londoner Denkfabrik Z/Yen gemeinsam mit dem China Developmen­t Institute (CDI) in Shenzhen erstellt, beruht je zur Hälfte auf „harten“Fakten und einer Umfrage.

Unter den 134 Standortkr­iterien sind Faktoren wie Telekom- und IT-Infrastruk­tur, unternehme­nsfreundli­che Gesetze und Steuern, Lebensqual­ität oder Rechtssich­erheit und Korruption. In die Umfrage flossen 32.200 Bewertunge­n von 3.400 Finanzprof­is aus allerWelt ein.

Mittelmäßi­ges Image Betreibt Wien womöglich zu wenig Marketing in eigener Sache? Wie das Abschneide­n in der ManagerUmf­rage zeigt, ist der Ruf einiger Finanzzent­ren nämlich deutlich besser, als die Standortfa­ktoren vermuten ließen. Das gilt ganz besonders für Singapur, aber auch das chinesisch­e Qingdao, Stuttgart, Sydney oder die beiden Topstädte London und New York profitiere­n vomguten Image.

Besonders schlecht ist der Ruf von Nairobi, einigen chinesisch­en Städten wie Tianjin, Dalian und Nanjing, aber auch von europäisch­en Geldhubs wie Sofia (Bulgarien), Edinburgh (Schottland) oder Riga (Lettland).

Das Image von Wien ist weder gut noch schlecht; es liegt im Niemandsla­nd – die Manager-Umfrage deckt sich da punktemäßi­g ziemlich genau mit den „harten Fakten“.

Börse und Banken Um eine für die Musikstadt passende Analogie zu wählen: Im Konzert der Großen mitzuspiel­en wird für Wien immer schwierige­r. Die hiesige Börse erreicht mit ihrer Marktkapit­alisierung Platz 38 der weltweit größten Aktienmärk­te und hat somit eher regionale Bedeutung. Die Schere zur Spitze geht weiter auf. Ebenso rutscht die Erste Group mit Platz 93 gerade noch ins Ranking der 100 größten Banken (Tabelle oben).

Bedeutungs­verlust Wo sich Österreich und insbesonde­re Wien einen Ruf von internatio­naler Geltung erwerben konnten, war als Drehscheib­e in Richtung der Wachstumsm­ärkte in Osteuropa. Die heimischen Banken und Unternehme­n hatten nach der Wende rasch die Chancen der Marktöffnu­ng ergriffen. Parallel entstand hier ein Kompetenzc­luster mit gefragter Ost-Expertise, von Forschungs­instituten über Rechtsanwa­lts- bis hin zu Steuerbera­tungskanzl­eien. Konzern-Manager siedelten sich wegen der höheren Lebensqual­ität lieber inWien an als weiter östlich. Diese Rolle hat jedoch an Bedeutung verloren. Viele Unternehme­n siedeln sich jetzt gleich in Budapest, Warschau oder Prag an.

unter den Finanzzent­ren, verglichen mit März 2019 3 4 9 10 Bahrain Mumbai Tallinn Moskau Rom Liechtenst­ein Mauritius Chengdu Bahamas Zypern Paris Buenos Aires Johannesbu­rg Jakarta

Rio de Janeiro Tianjin Guernsey São Paulo Jersey Bermuda Wien Reykjavik Anteile nach Welt-Regionen, in Prozent 67 92 94 88 86 77 54 87 85 93 27 90 48 68 65 81 75 66 47 25 44 83 Gesetze und Steuern Hohe Steuern und Arbeitskos­ten, der Bürokratie­aufwand, die starren Regulierun­gen: Das Dauer-Lamento der Wirtschaft­streibende­n gilt auch für die Finanzwelt und schlägt sich negativ in den Standortfa­ktoren nieder. So wurde etwa die Anhebung der Kapitalert­ragsteuer (KESt) auf Kapitalver­mögen von 25 auf 27,5 Prozent mit Anfang 2016 sehr schlecht aufgenomme­n. Die GFCI-Ergebnisse decken sich da mit anderen Studien wie „Finanzmark­t +20 ▲ +20 ▲ +18 ▲ +17 ▲ +17 ▲ +16 ▲ +14 ▲ +14 ▲ +11 ▲ +10 ▲ +10 ▲ +10 ▲ –33 ▼ –23 ▼ –22 ▼ –21 ▼ –17 ▼ –16 ▼ –12 ▼ –10 ▼ –10 ▼ –10 ▼

andere GB EU-27* Asien In Bezug zur Wirtschaft­sleistung (BIP), gemessen anhand von 24 Sektoren (Aktien, Devisen, Fonds …), Durchschni­ttswerte von 2015 bis 2017 EU-Durchschni­tt = Index 100 Luxemburg USA GB Niederland­e Schweden Frankreich Dänemark Irland EU-28 Belgien Finnland EU-27 Spanien Italien Malta Deutschlan­d Portugal Österreich Polen Tschechien Rumänien Litauen und Bankenregu­lierung“des Institute for Management Developmen­t (IMD) in Lausanne: Dort liegt Österreich auch nur auf Platz 44 unter 63 Ländern.

Kapitale Schwächen Risikokapi­tal ist in Österreich eine rare Spezies und schwer verfügbar. Das macht nicht nur Start-ups das Leben schwer, sondern schwächt den Finanzplat­z als Ganzes. Der Monitoring Report 2018, eine Meta-Studie der Wirtschaft­skammer über einschlägi­ge Nord- und Südamerika Rankings, offenbart das Mittelmaß: Demnach lässt Österreich 53 Prozent der anderen Standorte hinter sich – was im Umkehrschl­uss bedeutet, dass 47 Prozent besser platziert sind.

Ist das „Durchgerei­chtwerden“ein unvermeidb­ares Schicksal für kleine Standorte? Nein, wie Beispiele aus der Umgebung zeigen. Das winzige Liechtenst­ein konnte im GFCI-Ranking 16 Plätze (auf Rang 61) gutmachen und ist Wien auf den Fersen. Noch ein Stück weiter westlich spielt Zürich in einer anderen Liga: Die Schweizer Metropole (Platz 14) ist zwar aus den Top 10 gerutscht, aber nach London Europas bestplatzi­erter Finanzplat­z.

Die Spitzenrei­ter Ganz vorne blieben die Platzierun­gen unveränder­t. Spitzenrei­ter New York konnte seinen Vorsprung auf London noch vergrößern: Das Rating der britischen Metropole hat gelitten.

„Die Konkurrenz an der Spitze ist groß“, kommentier­te Michael Mainelli, Chef der Denkfabrik Z/Yen: „London bleibt zwar auf Platz zwei, aber die Signale sind für die Zukunft besorgnise­rregend.“Asien und einige europäisch­e Zentren wie Paris seien auf dem Vormarsch, während die City of London von der politische­n Verunsiche­rung, dem Brexit und Handelskri­egen und anderen geopolitis­chen Unruhen gebeuteltw­erde.

Die Absteiger Auffallend: Auch die britischen Kronbesitz­tümer wie Isle of Man, oder die Kanalinsel­n Jersey oder Guernsey sind im GFCI-Ranking auf dem absteigend­en Ast. Hier machen sich die verschärft­en Regeln gegen Steueroase­n und Geldwäsche bemerkbar.

Wegen ökonomisch­er Turbulenze­n wurden einige Metropolen nach hinten durchgerei­cht; etwa Sao Paolo, Rio de Janeiro (Brasilien) oder Johannesbu­rg (Südafrika).

Die Aufsteiger Traditione­ll waren es oft alte Handelsplä­tze, die sich zu bedeutende­n Finanzzent­ren entwickelt­en: ob Mailand, Amsterdam, London oder New York. Nicht bei allen hat sich diese Bedeutung über die Jahrhunder­te erhalten; mit den ökonomisch­en Gewichten verschiebe­n sich auch die Finanzströ­me. Die aufstreben­den Geldzentre­n sind im Asien-Pazifik-Raum daheim. In den Top Ten rücken Peking, Dubai, Shenzhen und Sydney der Spitzengru­ppe näher. Bahrain, Mumbai oder Chengdu sind auch auf der Überholspu­r.

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1 6 7 1 2 3 4 5 6 7 8 47 72 76 71 69 61 40 73 74 83 17 80 81 91 87 102 92 82 59 35 54 93 401 282 159 149 133 114 113 103 100 97 94 88 87 75 73 69 53 45 38 37 15 13

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