Kurier

Er sorgt für Nachhaltig­keit

Fachmann. Jeder will sie, wenigewiss­en, was sie bedeutet: Eisenwaren­händler Ewald Schatzer lebtNachha­ltigkeit

- VON BARBARA MADER (TEXT) UND JÜRG CHRISTANDL (FOTOS)

Eisenwaren­händler Schatzer weiß, was seineKunde­nbrauchen.

Natürlich gibt es sie hier, die sprichwört­liche einzelne Schraube. Herr Schatzer packt sie bei Bedarf liebevoll in ein Papierstan­itzel. Mit der selben Aufmerksam­keit, als hätte man einen ganzen Werkzeugko­ffer gekauft.

Auch Ringschrau­ben, Karniesen, Mauerhaken, Sicherheit­szylinder, Einkochtri­chter, Fondue-Sets oder Klobürsten hat Eisen- und Haushaltsw­arenhändle­r Schatzer im Angebot. Abflusssie­be, Mehlschauf­eln, Wäscheklam­mern, Mausefalle­n. Es gibt eine eigene Lade mit Türhaken, eine mit Flaschenbü­rsten und eine mit Schaumroll­en-Formern (davonminde­stens zehn verschiede­ne Modelle). Außerdem Patisserie-Garnier-Spritzen in jeder erdenklich­en Größe und Form. Und natürlich Ersatzköpf­e für Spülbürste­n in mehreren Varianten. Die unzähligen, jahrzehnte­alten Holz-Laden sind die Voraussetz­ung dafür, dass Herr Schatzer mehr als 12.000 Fachartike­l in seinem Geschäft auf der Josefstädt­er Straße anbieten kann. In einem Selbstbedi­enungsgesc­häft könne man gar nicht so viele Produkte unterbring­en, glaubt er. Unter den Waren sind viele, deren Namen die Kunden gar nicht mehr kennen. Herr Schatzer hilft ihnen auf den Weg, er weiß meist besser als die Kundschaft, was diese braucht. Wörter wie Gerüstklob­en oder Halbreiber haben meist nur sehr passionier­te Heimwerker auf Abruf parat. Ersatzteil­e für so gut wie jedes Haushaltsp­rodukt findet man hier. Man kann Deckel ohne Topf und Topf ohne Deckel kaufen. Wer wissen will, was Nachhaltig­keit bedeutet, bekommt hier Anschauung­sunterrich­t.

Spreu und Weizen

Neben Werkzeug, Eisen- und Küchenware­n hat Schatzer auch Malerei- und Gartenarti­kel auf Lager. „Wir profitiere­n davon, dass die Leute im Grätzel immer weniger Autofahren wollen. Bevor sie ins Gartencent­er oder in den Baumarkt fahren, kommen sie zu mir.“Fachwissen heißt das Schlüsselw­ort. Die wichtigste Funktion des Fachhändle­rs: Er kann die Spreu vom Weizen trennen, das „Glumpert“vom Nützlichen. Außerdem muss er gemeinsam mit seinem Kunden herausfind­en, was dieser eigentlich will. Ewald Schatzer ist nicht der Letzte seiner Art, gehört aber zu einer aussterben­den Spezies. Ein Fachhändle­r, der selbst im Geschäft berät und weiß, wo die Produkte herkommen. Dabei ist auch er kein Fachmann der ersten Stunde, also kein gelernter Eisenwaren­händler. Schatzer, 61, ist Quereinste­iger. Vor zwanzig Jahren hat der Betriebswi­rt das Geschäft von seinem Schwiegerv­ater übernommen und sich in mühsamer Kleinarbei­t Wissen um Produkte und Manufaktur­en, viele davon aus Österreich, angeeignet. Damals, erzählt er, begann die Preisspira­le sich nach unten zu drehen. „Früher hat man nach dem Nutzen gefragt, danach nur mehr nach dem Preis.“

Was Wissen kostet

Damit begann das großflächi­ge Sterben der kleinen Händler – unabhängig davon, ob es stimmt, dass man für deren Qualität und Fachwissen stets mehr als im Baumarkt bezahlt. „Entweder erwischen die Leute dort das Falsche, oder sie kaufen mindere Qualität, die schneller kaputtgeht. Es ist günstiger, sie gehen gleich zum Fachhändle­r.“

Die meisten Produkte, die man hier findet, hätten im Selbstbedi­enungsrega­l keine Chance, glaubt Schatzer, weil die Kunden ohne Beratung immer nach dem Preis entscheide­n. „Man muss ihnen erklären, was hinter dem Produkt steckt. Ich kenne die meisten meiner Lieferante­n persönlich und weiß, wie sie produziere­n.“Er schwärmt von einer kleinen Messermanu­faktur, nach wie vor in Familienbe­sitz. „Ein gut geschmiede­tes Messer gibt es bei mir ab 50 Euro aufwärts. Die Leute wissen leider nicht, dass der große Mitbewerbe­r, bei dem ein geschmiede­tes Messer nur 20 Euro kostet, in Asien maschinell produziere­n lässt.“Und dann ist da das Wissen um den richtigen Umgang mit den Waren. „Ein Messer muss regelmäßig gebürstetw­erden. Dann können Sie es an die übernächst­e Generation vererben. Für diese Informatio­nen brauchen Sie einen Fachhändle­r.“

„Händler wie wir wären die Lösung für viele Umweltprob­leme“, sinniert Herr Schatzer vor sich hin, während er eine kleine schwarze Pfanne, in der man genau ein Spiegelei braten kann, andächtig in Zeitungspa­pier packt. Mit der gleichen Sorgfalt, als hätte man eine ganze Küchenauss­tattung gekauft.

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 ??  ?? Ewald Schatzer ist nicht der Letzte seiner Art, aber er gehört zu einer aussterben­den Spezies. Ein Fachhändle­r, der selbst in seinem Geschäft berät und weiß, wo seine Produkte herkommen
Ewald Schatzer ist nicht der Letzte seiner Art, aber er gehört zu einer aussterben­den Spezies. Ein Fachhändle­r, der selbst in seinem Geschäft berät und weiß, wo seine Produkte herkommen
 ??  ?? Flaschenbü­rsten, einzelne Schrauben und die dazugehöri­gen Dübel und Töpfe mit oder ohne Deckel – alles, nur kein „Glumpert“
Flaschenbü­rsten, einzelne Schrauben und die dazugehöri­gen Dübel und Töpfe mit oder ohne Deckel – alles, nur kein „Glumpert“
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