Kurier

Es wird ein Wein sein

Eigenwein. Wer imTopf eine reicheTrau­benernte schafft, muss mutig bleiben – und eigenenWei­nmachen

- VON AXEL N. HALBHUBER

Die Erntezeitm­acht Menschen kreativ, von Trocknen bis Einkochen. Für Terrasseng­artler liegt die Latte wegen geringer Erntemenge­n höher: Aus siebeneinh­alb Himbeeren macht man nicht einfach ordinäre Marmelade. Und die paar Trauben, die ein Topf-Weinstock im Schnitt trägt, verputzt man nicht einfach beim Fernsehen.

Also mache ichWein. Nur mit Hilfe von Schüssel, Sieb, Erdäpfelst­ampfer, Plastikfla­sche, Frischhalt­efolie und einem Stück Schlauch. Winzer und Weinkenner müssen an dieser Stelle gewarnt sein, die folgende Handlungsa­nleitung kann ihre Gefühle verletzen. Wer mit so simplen Mitteln seine Eigentraub­en zu Wein macht, muss Wein als dehnbaren Begriff verstehen.

Das beginnt bei der Traube. Wer sich einen Weinstock im Topf hält, muss auf Größe (wurzelt tief), Substrat (nicht zu dicht und nass, nicht zu trocken) und auf Standort achten. Wein wächst als Kübelpflan­ze gut, für üppige Frucht (die ohne zu schimmeln reift) braucht man aber eine zwängleris­che Liebe. Also nimmt man die Sorte, die viel verzeiht. Das tun edle Burgunderb­eeren eher nicht.

Meine einfachen, dafür chemisch unbehandel­ten Tafeltraub­en durften bis zur Verschrump­elung hängen, so sammelt sich reichlich Zucker an. Der macht aus dem Stock zwar eine Art Wespenfall­e ohne Funktion und die Lese zum kriegerisc­hen Akt, aber man braucht ihn für die Vergärung. Dabei wird Zucker zu Alkohol umgebaut, sieht man gut am Sturm: vorher Traubensaf­t, dann ein brodelndes Hybrid, am Ende Staubiger, fast Wein. Vergärung startet durch Hefe und nein, Backhefe (Germ) ist nicht geeignet.

Spontanaus­weg

Als Gartler hat man eher keine Reinzuchth­efe daheim, mache ich halt Bio-Wein: Ich lasse die Trauben nach Pflücken und Ausdrücken mit dem Stampfer ein paar Stunden in der Maische (für die im Text verblieben­en Winzer: auf der Maische) liegen, ein SaftTraube­nhaut-Gatsch. Auf der Schale leben nämlich auch Hefearten und mit Glück setzen die den Prozess in Gang, diese Spontangär­ung gilt als besonders elegant.

Deckt man diesen Gatsch anliegendm­it Frischhalt­efolie ab, erkennt man gut, wann es ordentlich gärt. Die freiwerden­den Gärgase (die im Weinkeller so gefährlich sind) heben die Folie. Außerdem sollten Kohlensäur­e-Kugerln sichtbar sein. Nach ein paar Stunden muss der Saft von der Maische (sonst wird er zu trüb und bitter), durch ein Sieb füllt man ihn in einen Gärbehälte­r, in Balkonmeng­e gesprochen (1,5 Liter): eine leere Mineral-Plastikfla­sche. Knifflig ist der Verschluss, es darf zwar kein Sauerstoff hinein, aber das Kohlendiox­id muss rauskönnen. Ich löse das mit gewundenem Schlauch, in dem zur Hälfte Wasser steht. Dann stellt man das für vier Wochen bei konstanter Temperatur (18–25 Grad) an einen ruhigen, dunklen Ort.

Nach dem Gärende zieht man den deutlich klareren Wein ab – vorsichtig, denn unten schlummert der feine, abgesunken­e und sehr nervöse Schlick (mit Schlauch, zur Not kann man durch ein Tuch filtern). Und füllt ihn zum Reifen ab. Winzer würden rufen: Alkoholgeh­alt messen! Das Weinschöne­n! Filtrieren! Aber erstens haben die hier schon aufgegeben. Und zweitens hältmein 2015-Terrassenw­ein bis heute. Er schmeckt scheußlich. Aber er ist da.

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