Kurier

Früchte in fremden Gärten naschen – wo beginnt der Diebstahl?

- VON BARBARA MADER

Kindheit amWiener Stadtrand. Ja, das warmitunte­r idyllisch. Da, wo die Stadt in Richtung Niederöste­rreich ausfranst, warenFelde­r, Gärten und unendliche Freiheit. Viel Auslauf und scheinbar keine Regeln. An einem Spätsommer abend im August gab es nichts Schöneres, als zwischen den in meiner Erinnerung meter hohenKukur­uz- Stauden Verstecken­zuspielen und dabei junge Maiskolben zu jausnen. Und es war nicht so, dass wir nicht wussten, was wir taten. Dass der Kukuruz jemand anderem als uns gehörte, war uns klar undmachte die Sache nur noch spannender. Wirnannten­unser Abenteuer nonchalant „Fladern“und hatten höchstens ein leichtes, aufregende­s Bauchkribb­eln, aber nicht einen Hauch von schlechtem Gewissen dabei.

Die Zeit des Kukuruz-Fladerns ist vorbei – nicht zuletzt, weil die Felder an der Grenze zur Vorstadt zusehends verbaut wurden. Unendlich ist hier gar nichtsmehr, schongarni­cht die Freiheit. Erwachsen sein heißt auch, dass einem bei aufregende­m Bauchkribb­eln leicht schlecht wird.

Und so habe ich, wenn ich heute über den Bis am berg streife, schon vorauseile­nde in schlechtes Gewissen, wenn ich bloß daran denke, von den Trauben des Grünen Veltliner, des Sauvignon blanc oder des Weißburgun­der, die dort angebaut werden, zu kosten. Wohlgemerk­t: Eine Beere, mehr nicht– danaschend­ieRehe, die sich in der Dämmerung zwischen den Reben tummeln, bedeutendm­ehrmit. Dochsprich­t meine innere Stimme heute immer diesen Satz, ebenfalls aus Kindheitst­agen bekannt: „Stell dirvor, dasmachena­lle!“Wenn jeder der unzähligen Wanderer, die hier durch die Weinberge spazieren, mitnascht ... dann bleibt am Ende nichts mehr für denWeinübr­ig! Unddannist­da die juristisch­e Komponente, bei der es ein „bisserl Kosten“wohl genausowen­ig gibt wie das fast schon liebevoll verharmlos­ende Wort„Fl adern “.

Was sagt der Jurist?

Der Strafrecht­lerRobert Lattermann hat dazu eine überrasche­nde Antwort: Es gibt ein „bisserl Kosten“sehr wohl, juristisch ausgedrück­t heißt das „für den eigenen Verbrauch“, was bedeutet, dass „die Wegnahmeni­cht insGewicht fällt“.

DasStrafge­setzbuch(§ 141, Absatz 4) sagt dazu Folgendes: Die rechtswidr­ige Aneignung von Bodenerzeu­gnissen oder Bodenbesta­ndteilen (wie Baumfrücht­e, Waldproduk­te, Klaubholz) geringenWe­rtes ist gerichtlic­hnicht strafbar.

Jurist Lattermann­konkretisi­ert: „Es muss sich um Bodenerzeu­gnisse handeln, die einen erkennbare­n Bezug zu Landoder Forstwirts­chaft haben. Diese darfman für den eigenen Verbrauch straffrei an sich nehmen, weil deren Wegnahme nicht ins Gewicht fällt. Anders ist das bei privaten Gärten. Einen kunstvoll angelegten Kräutergar­ten dürfen Sie nicht einfach leerpflück­en.“Doch auch für denWeinber­g hat der Jurist eine Einschränk­ung: Die Trauben müssen sich noch an der Rebe befinden. Bereits geerntet, dürfen sie nicht ohne weitersmit­genommenwe­rden. Wo es außerdem problemati­sch werden könnte, ist beim Abzupfen von Weinblätte­rn in großemStil, umdamit etwa gefüllte Weinblätte­r zu kochen: „Wenn das übertriebe­ne Ausmaßeann­immt, geht es in RichtungSa­chbeschädi­gung.“

Niemals würde man den kostbaren Reben schaden wollen! Abereinbis­serlkosten­wird manjawohl noch dürfen – jetzt haben wir’s schriftlic­h.

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