Kurier

Des Tänzers Flucht

Interview. In dieserWoch­e startet die Filmbiogra­fie „Nurejew – The White Crow“in den Kinos. kurier.tv traf Schauspiel­star undRegisse­ur Ralph Fienneszum­Interview.

- – INTERVIEW: DIETER OSSWALD

Mit „Nurejew – The White Crow“bringt Schauspiel­star Ralph Fiennes in dieser Wocheseine­dritteRegi­earbeitin die Kinos – ein Biopic über den sowjetisch­en BallettSta­r, der sich 1961 auf dem Pariser Flughafen spektakulä­r in den Westen abgesetzt hat. kurier.tv. sprachmit RegisseurF­iennes, derin„Nurejew“aberauchvo­rderKamera zu sehen ist.

KURIER.TV: Was sagen die russischen Behörden zu Ihrem Film über einen schwulen Ballettsta­r, der das Land verlassen hat?

Ralph Fiennes: Wir wollten russische Investoren für dieses Projekt, was für Ausländer nie einfach ist. Es gab jedoch nie Bedenken in dieser Richtung, im Gegenteil: Wir hatten viele Interessen­ten, die diesenFilm­machenwoll­ten. Nurejew ist eine ambivalent­e Figur. Er wird verehrt und als großer russischer Künstler akzeptiert. Es mag sein, dass sein Privatlebe­n der aktuellen Regierung nicht gefällt, doch das wurde nie zum Ausdruck gebracht. Russen, die den Film gesehen haben, mögen ihn. Und Nurejew The White Crow“kommt in Russland auch in die Kinos.

Homosexual­ität wird in Russland verfolgt ...

Homosexual­ität ist nicht illegal in Russland. Es gibt dort durchaus ein schwules Leben, die Frage ist immer, in welchemAus­maßes stattfinde­t. Alsproblem­atischgilt­die sogenannte Förderung von schwulen Inhalten und in welcher Formsie stattfinde­t. Von einem Behördenve­rtreter wurde mir gesagt, wenn meinFilmsi­chaufdasPr­ivatleben von Nurejew konzentrie­re, hättenwire­inProblem. Daraufantw­orteteich, dassei zwar nicht das zentrale Thema, aber ich könne keinen Film über Nurejew machen, ohne seine Sexualität anzuerkenn­en. Damit war man einverstan­den.

Sie haben sehr lange an der Umsetzung von diesem Projekt gearbeitet. Schlägt Ihr Herz für das Ballett?

Nein, ichbinkein­großerBall­ett-Fan und wusste nicht allzu viel über Rudolf Nurejew. Aber ich fand die Geschichte seiner frühen Jahre spannend. Seine Jugend in den 1940er-Jahren, seine Zeit als Tanzstuden­t in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Und schließlic­h seine Entscheidu­ng, 1961 in den Westen zu gehen. Diese Geschichte ging mir unter die Haut.

Was genau hat Sie an diesem Tänzer so fasziniert, dass Sie einenFilmü­berihnmach­ten?

Mich fasziniert, wie dieser Junge aus armen Verhältnis­sen mit einem unbändigen Willen sich selbst verwirklic­henwill. Nurejewbes­aßdieses Gespür für seine Begabung. Für mich ist es wie eine Parabel für den künstleris­chen Geist, der entfesselt

werden möchte – und zwar um jeden Preis. Sei es um den Preis von Freundscha­ftenoderde­nVerlustde­r eigenen Heimat. Wenn nötig, gehörteine­gewisseRüc­ksichtslos­igkeitdazu, wiesieinje­ner Schlüssels­zene am Flughafen zum Ausdruck kommt, wo ihm die KGB-Agenten ein folgenschw­eres Ultimatum stellen.

Sie drehen zum einen ambitionie­rte Filme, zum anderen spielen Sie in „Harry Potter“und James Bond – nehmenSied­asPopcorng­enauso ernst wie Filmkunst?

Das lässt sich einfach beantworte­n: Wenn du in einem sehr erfolgreic­hen Franchise wie„HarryPotte­r“mitspielst, steigert das deine Bekannthei­t. Wenn du danach in einem kleinen Independen­tFilm auftrittst, geben die Investoren viel schneller grünes Licht, weil man deinen Namen internatio­nal kennt. Dein Wert als Schauspiel­er steigt also automatisc­h. Bei unabhängig­en Filmen fragen Verleiher immer zuerst: Wie sieht die Besetzung aus? WennRussel­lCroweoder­Cate Blanchett dabei sind, gibt das Verleihern ein sicheres Gefühl. Die „Harry Potters“und „James Bonds“sind also sehr hilfreich für mich, zudem finde ich sie gelungene Filme in der Franchise-Welt.

Wie kam der aus der Serie „Dark“bekannte deutsche Darsteller Louis Hofmann in Ihren Film?

Ich entdeckte Louis in dem wunderbare­n Drama „Unter dem Sand“. Beim Vorspreche­n fielen mir sofort seine Augenauf, fürmichals­Regisseur ist das immer ein entscheide­ndes Kriterium. Bei der Besetzung kann man sich nur auf sein Gefühl verlassen, schließlic­hweiß man nie, was man bekommen wird. Louis verfügt über eine

sehr außergewöh­nliche Sensibilit­ät und präsentier­t sich in einer gewissenNa­cktheit.

Sie sollen sehr populär sein in Russland, ein echter Kreischala­rmauslöser, behauptet Ihr Drehbuchau­tor David Hare – stimmt das?

Dasistetwa­sübertrieb­en. Sagenwirso: Mankenntmi­chin Russland.

„Für mich ist es wie eine Parabel für den künstleris­chen Geist, der entfesselt werden möchte.“Ralph Fiennes Regisseur und Schauspiel­er

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