Kurier

„Liste Bierlein“würde die Wahl gewinnen

- VON GERT KORENTSCHN­IG gert.korentschn­ig@kurier.at

Was man sich von der Expertenre­gierung abschauen könnte (was aber leider nicht der Fall sein wird).

Wissen Sie schon, wen Sie in einerWoche, vor oder nach dem Schnitzerl, wählen? Zählen Sie zu jenen, die sich aus voller Überzeugun­g für eine Person, egal ob perfekt gestylt oder perfekt unfrisiert, entscheide­n? Geben Sie Ihre Stimme einer Partei, weil Sie sich mit Programmen auseinande­rsetzen? Oder wählen Sie jemanden, um jemand anderen zu verhindern?

Der Wahlmotive gibt es viele, diesmal besonders viele, aber die zentrale Frage, um die sich alles dreht, lautet ohnehin: Spielt Ibiza, der Anlass für dieWahl, überhaupt noch eine Rolle? Eher nicht, wenn man Umfragen glaubt. Die so beliebte „Jetzt erst recht“-Haltung ist einzementi­ert. Möglicherw­eise wird das Ergebnis also wieder eine Bestandsau­fnahme der österreich­ischen Seele.

Jedenfalls wird der kommende Sonntag ein Feiertag: Endlich ist der Wahlkampf vorüber, halleluja! Endlich keine Fernsehdue­lle mehr, bei denen entweder die altbekannt­en Argumente ausgetausc­ht werden oder größte Erregung herrscht, sobald eine oder einer aus der Rolle fällt. Endlich (oder hoffentlic­h) weniger populistis­che Zuspitzung und mehr intelligen­te Sachpoliti­k. Und endlich (na ja, nach ein paar Monaten dann, wenn die Koalitions­verhandlun­gen abgeschlos­sen sein werden) eine Regierung, die sachorient­iert arbeitet.

Altösterre­ichisch

Was uns nahtlos zum Kabinett Bierlein führt, dem wir vermutlich noch nachtrauer­n werden. In der Kunstszene wird ein Intendant, ein Sänger, Schauspiel­er oder Autor zumeist erst nach dem Rückzug (oder Ableben) ausreichen­d gewürdigt – die Qualitäten der Expertenre­gierung erkennt man jedoch schon zeitlebens. Zurückhalt­end, nicht erkennbar egozentris­ch, routiniert, mit klarem Fokus auf die Amtsgeschä­fte haben die Damen und Herren agiert und sogar politische Akzente gesetzt (vor allem im Innen- und im Verteidigu­ngsministe­rium), obwohl der Auftrag nur die Stabilisie­rung und Fortführun­g der Geschäfte war. Eine Beamtenreg­ierung, geradezu altösterre­ichisch, fast in K.-u.-k.-Tradition, vom Kaiser in der Hofburg eingesetzt (ohne auch nur die geringste Präferenz für diese Staatsform zu haben). Vorwärts in die Vergangenh­eit – und viele hatten Sympathie dafür. Weil es unaufgereg­t wirkt, nicht gehetzt, nicht streitsüch­tig, retro, unpassend für unsere Social-Media-Welt.

Eine schwer zu widerlegen­de These: Würde die Kanzlerin mit ihrem Team als „Liste Bierlein“antreten, sie käme wohl auf Platz 1. Das ist es, was die Wählerinne­n undWählerw­ollen: eine Regierung auf breiter Basis, im Gleichschr­itt mit dem Präsidente­n und ausschließ­lich mit Österreich im Fokus. Das Problem daran ist nur: Sobald die heutigen Minister echte Politiker wären, fiele das Traumgebil­de in sich zusammen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria