Fall Waldheim verändert das Land
Aufgedeckt 1986. Erstmals wird über NS-Verbrechen offen diskutiert
2 Der Hintergrund Die ÖVP nominiert den früheren UN-Generalsekretär Kurt Waldheim als Präsidentschaftskandidaten. Im März 1986, zwei Monate vor der Wahl, veröffentlicht das Nachrichtenmagazin profil Waldheims Wehrstammkarte. Aus ihr geht hervor, dass Waldheim ab 1938 Mitglied der SA und des nationalsozialistischen Studentenbundes war. Und dass er am Balkan im Stab des später als Kriegsverbrecher hingerichteten Generalmajors Alexander Löhr gedient hatte. All das hatte Waldheim bisher verschwiegen. Waldheim erklärt zu seiner Kriegsvergangenheit im Fernsehen: „Ich habe meine Pflicht erfüllt, so wie hunderttausende Österreicher auch. Es handelt sich hier um eine groß angelegte Verleumdungskampagne. Sie werden nichts finden. Wir waren anständig.“
Die Affäre polarisiert das Land.
Die Konsequenzen
Als Präsident blieb Waldheim außenpolitisch weitgehend isoliert. Die USA erließen im April 1987 ein privates Einreiseverbot für Waldheim. Sein Name kam auf die Watchlist. 1988 ermittelte eine auf Waldheims Wunsch von Österreichs Regierung eingesetzte internationale Historikerkommission, dass er keine Verbrechen begangen, aber Detailkenntnisse von Mordbefehlen, Deportationen und Morden in seiner Umgebung gehabt hatte. Er habe deren Ausführung einige Male erleichtert, etwa durchWeitergabe von „Feindlageberichten“.
Infolge der Affäre diskutierte Österreich erstmals offen die Beteiligung von Österreichern an NS-Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus. Dies bewirkte eine Abkehr von der These, dass der Staat Österreich das erste Opfer der nationalsozialistischen Aggressionspolitikwar.