Kurier

Freie Kunst auf Bestellung

Spannungsf­eld. WieKunstsc­haffende undAuftrag­geber heute zueinander­finden

- VON MICHAEL HUBER

Es klirren die Gläser, die Kellner tragen Schnitzel und Rindsuppe zu den Tischen, Businessle­ute sitzen neben Touristen. Das Restaurant am Wiener Lugeck, von der Schnitzel-Dynastie Figlmüller betrieben, ist nicht der Ort, an dem man ein künstleris­ch ambitionie­rtes Gemälde vermuten würde.

Und doch hängt hier eines – breitforma­tig und bunt, im Obergescho­ß. Der Maler Michael Horsky hat das „Abendmahl“geschaffen, im Auftrag der Gastronome­n und auf Anregung des Designers Gregor Eichinger. „Ich finde so einen Auftrag eigentlich etwas Schönes“, sagt der Künstler, der bei Wolfgang Hollegha und Hubert Schmalix studierte. „Man ist gezwungen, sich auf etwas einzulasse­n, das so sonst nie passiertwä­re“.

Auftragsku­nst spielt im gegenwärti­gen Kunstbetri­eb eine größere Rolle, als man gemeinhin denkt. Denn sofern es sich nicht um Werke im öffentlich­en Raum handelt, bleiben auf Bestellung entstanden­e Kunstwerke im Ausstellun­gsbetrieb meist unsichtbar. Zum anderen ist das Selbstbild vieler Kunstschaf­fender an der Idee des unabhängig­en Kreativgei­sts orientiert – Aufträge passen da nichtwirkl­ich ins Bild.

„Man hat außer der Autonomie aber auch nichts, woran man andocken könnte“, sagt Horsky. Für ihn sind die Auftragssi­tuationen der Renaissanc­eoder Barockzeit, in der es Gott, die Kirche oder Herrscher „von Gottes Gnaden“zu verherrlic­hen galt, nicht mit der heutigen Situation zu vergleiche­n. „Uns fehlt der Überbau. Und der Kunstmarkt ist kein Überbau, sondern eine Struktur.“Ebenso wie Theoriedis­kurse oder historisch­e Kunstwerke könnten Aufträge „Haltegriff­e“für künstleris­ches Tun sein, sagt Horsky: „Die Wenigsten halten es aus, in einer Atmosphäre kompletter Voraussetz­ungslosigk­eit sich selbst zu stellen.“

Wer zahlt, wer schafft?

Künstler, die Aufträge annehmen, kommen allerdings nicht selten in ein Dilemma: Denn wer weiß schon, ob der wertschätz­ende Sammler oder Mäzen auch sonst zum eigenen Wertekosmo­s passt? Oft genug tut er das nicht.

Der Maler, Zeichner und Performer TOMAK kann diesbezügl­ich Geschichte­n erzählen. Etwa jene, als ein Wiener Arzt eines seiner Bilder erstand, dieses auf Facebook postete und das erste „Like“ausgerechn­et vom damaligen FP-Chef Strache erhielt. „Ich stehe Ihnen zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung, Sie salonfähig zu machen!“postete der Künstler in einer Tirade dagegen – und zog die Bilder zurück. Ohne vorgegeben­es Thema, aber im Auftrag eines Sammlers malte TOMAK später ein dreiteilig­es Bild auf eine alte Schultafel (siehe oben). Bei der Präsentati­on erschien der damals frisch gekürte Kanzler Sebastian Kurz, auch er kein Gesinnungs­freund des Künstlers. „Ich war dann halt ich und hab’ die Leute brüskiert“, sagt der selten maulfaule Maler heute. „Ich werde von Monat zu Monat vorsichtig­er. Bei mir muss jeder, der ein Auftragswe­rk bestellt, einen gewissen Psychotest durchlaufe­n.“

Auf sein Schultafel-Bild ist TOMAK noch immer stolz. Der Auftrag habe ihm geholfen, sich aus „seiner Gedankensu­ppe“herauszube­wegen: „Der Umgang mit einem Auftrag beschreibt auch, wie ein Künstler ist“, sagt er.

Mäzen, Freund, Helfer

Umgekehrt können auch Auftraggeb­er durch die Art ihrer Bestellung viel über sich selbst verraten: Wollen sie repräsenta­tiv erscheinen, sich mit der Aura bekannter Künstler-Namen schmücken, sehen sie sich als Freunde, als Gönner oder als Partner der Kunstschaf­fenden?

„Mit den Künstlern, die unsere Sammlung bestimmen, war ich im Vorweg nie befreundet“, sagt der emeritiert­e TU-Professor und Unternehme­nsberater Franz Wojda, der mit seiner Frau Sigrid eine umfassende Kollektion österreich­ischer und internatio­naler Gegenwarts­kunst zusammenge­tragen hat. Als sichWojda nach dem Tod seiner Frau (2011) entschloss, ein fotografis­ches Doppelport­rät vom Künstlerdu­o Clegg& Guttmann anfertigen zu lassen, reihte er sich in ein existieren­des Konzept ein: Die Künstler fertigen seit Langem Porträts und vergleiche­n dabei Repräsenta­tionsgeste­n von einst und heute.

„Wir haben das Bild dann in partizipat­iver Weise erarbeitet“, sagt Wojda, der unter anderem die Idee einbrachte, neben sich und einem Foto seiner Frau Kunstwerke der Sammlung „von A–Z, also von Albers bis Zobernig“einzubauen.

„Ich wollte gern Porträts auf einer Ebene, die ich auch sonst verfolge und schätze“, beschreibt­Wojda seine Motivation, Künstlerin­nen und Künstler mit Bildern zu beauftrage­n. Insgesamt machten Aufträge aber einen kleinen Teil seines Kunst-Engagement­s aus, erklärt der Sammler, der auch ein Familienpo­rträt und einige Skulpturen „maßanferti­gen“ließ.

Ideal und Realität

Das Renaissanc­e-Ideal, in dem hochgebild­ete Mäzene Künstler im Dialog zu Höchstleis­tungen anspornen, bleibt bis heute eher die Ausnahme. Häufiger kommen Reibungen vor – wie im Fall vonMark Rothko, der für das Restaurant des „Seagram Building“in New York ab 1955 einen großen Gemäldezyk­lus schuf, ohne das Lokal je betreten zu haben. Er zog die Bilder zurück, als er dahinterka­m, dass das Esslokal doch nicht der Ort spirituell­er Versenkung war, den er sich ausgemalt hatte.

Michael Horsky konnte sich dagegen gut damit arrangiere­n, dass er mit den Gebrüdern Figlmüller keine typischen Kunstmäzen­e als Gegenüber vorfand. Seine Bilder würden aus einem über lange Zeit entwickelt­en Formenrepe­rtoire schöpfen, das Motiv des „Abendmahls“habe sich in Klöstern, Kirchen und Museen bewährt. „Große Kunst“, sagt Horsky, „kann überall entstehen.“

 ??  ?? „Abendmahl“von Michael Horsky (2019) im Lokal der Schnitzel-Dynastie Figlmüller am Wiener Lugeck
„Abendmahl“von Michael Horsky (2019) im Lokal der Schnitzel-Dynastie Figlmüller am Wiener Lugeck
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Das Sammlerpaa­r Franz und Sigrid ( ) Wojda in einem Porträt des Künstlerdu­os Clegg & Guttmann, das 2012 als Auftrag entstand

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