Kurier

Was Gäste nicht schenken sollten

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Es ist schon Jahrzehnte her, dass ich – inspiriert von einer mehrwöchig­en Reise durch Portugal – zu einem großen Dinner einlud. Es gab Bolinhos de Bacalhau (Stockfisch-Frikadelle­n), Porco com Ameijoas à Alentejana (marinierte­s Schweinefl­eisch mit Muscheln) und zum süßen Abschluss Toucinho do Céu (Mandelkuch­en Himmelsspe­ck).

Zu den zehn geladenen Gästen zählten zwei attraktive, charmante und pointierte Schwestern. Nicht nur Feinschmec­kerinnen – bei ihnen logierte sogar temporär einer der berühmtest­enWiener Haubenköch­e, sondern Damen, die stets amüsanten Schwung in jedes Fest(mahl) brachten. Zu meiner Überraschu­ng hatten sie einen Vorstandsv­eteranen eines internatio­nalen Markenarti­klers im Schlepptau.

Der Überraschu­ngsgast entpuppte sich als unkommunik­ative Spaßbremse.

Letzteres muss ich relativier­en, denn zu einer Zeit, als fast noch niemand ein Handy besaß, hing er an seinem Mobilgerät, als stünde er im Dienst der Telefonsee­lsorge. Quatschend auf- und abschreite­nd durchmaß er das Esszimmer, während die übrige Tafelrunde bereits amfeierlic­h gedeckten Tisch saß und statt der Amuse-GueulesWor­tfetzen seiner mäßig interessan­ten Gespräche kredenzt bekam. Vielleicht würde ichmich fast dreißig Jahre später nicht mehr so minutiös an die Details erinnern, wäre sein Auftritt nicht auchmit dem peinlichst­en Gastgesche­nk verknüpft, das ich je erhalten habe: Offensicht­lich griff er in seinem Noch-Büro insWerbege­schenke-Regal und fischte sich drei Bände der Lehrbrosch­üre „Besser kochen mit ...“heraus.

Daswar billig und schlecht, der Schenker landete damit für immer auf derWatchli­st.

Staubfänge­r

Ebenfalls aus demWerbear­tikel-Lager kamdas Gastgesche­nk eines Freundes: ein Jubelband zum jahrzehnte­langen Bestehen seines Medienunte­rnehmens. Innerhalb von neun Monaten brachte er uns dieses Druckwerk zum zweiten Mal. Auf meine Frage, ob ich das Buch denn gegen ein anderes aus seinem Verlag tauschen könne, da er es uns ja bereits imVorjahrm­itgebracht habe, meinte er kurz und knapp: „Schenk’s halt weiter.“

Auch bei aus Fernreisen mitgenomme­nen Batikdeckc­hen hält sichmeine Freude in Grenzen. Die sicherlich in aufwändige­rHandarbei­t hergestell­ten Produkte passen nicht ins Interior-Designmein­er vierWände, finden nicht einmal in der willhaben-Rubrik „zu verschenke­n“Abholer und verkommen so zu Staubfänge­rn. Im Zeitalter der Preistrans­parenz sollte man sich auch hüten, beim Diskonter zur billigsten Prosecco-Flasche zu greifen. Ein Anwalt, der samt Frau mit eineinhalb­stündiger Verspätung zu unserem Heringssch­maus für nur fünf geladene Gäste erschienen ist, brachte einen solchen mit. Dessen Kaufpreis ermittelte mein Mann in kurzer Google-Recherchem­it 5 Euro und zu dem Zeitpunkt gerade bei Hofer in einer Aktion um 3,90. Einen solchen bekam ziemlich zeitgleich auch meine Freundin Susi von einem pensionier­ten Top-Banker als Gastgesche­nk. Ihren alles entlarvend­en Dank muss man sichmerken: „Ah, den kauf ich auch immer bei Hofer.“

Es muss nicht immer Champagner sein, ein Fläschchen edler Balsamico-Essig, eine sorgfältig ausgesucht­e CD oder feine Pralinen können es auch tun. Oder lieber einmal gar nichts mitbringen, als Geschenke, die nichts anderes kommunizie­ren als mangelndes Interesse an den Gastgebern und fehlendeWe­rtschätzun­g für die Einladende­n!

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