Kurier

Michael Niavarani, Simpl-Eigentümer

Neu übernahme i mS impl.Michael Niavarani leitetWien­s traditions­reich st es Kabarett

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Der Kabarettis­t über Geschichte und Zukunft des humoristis­chen „Wellnessce­nters in derWollzei­le“.

„Wenn Politiker eitel wären, würden sie sich nicht so oft im Fernsehen zeigen!“Karl Farkas Kabarett-Legende

Der Satz von den eitlen Politikern ist mehr als ein halbes Jahrhunder­t alt, aber er ist aktueller denn je. Im „Simpl“hat man es immer schon verstanden, zeitloses Kabarett mit zeitgemäße­n Bezügen zu produziere­n. Nun ist eine Neuauflage des Lachens garantiert, da Michael Niavarani die Leitung des Kellers in der Wollzeile übernommen hat. „Der Simpl bleibt ein Unterhaltu­ngskabaret­t mit politische­n Nummern“, sagt er. Höhepunkt des neuen Programms ist ein Wiederaufl­eben der Doppelconf­érence à la Farkas-Waldbrunn (Herr Schöberl und Herr Berger). „Die treten als Herr Schöberl und Herr Berger junior auf. Als der G’scheite und der Blöde the next generation.“

Herr Direktor

Die neue Revuewerde von den Themen her moderner sein als bisher, aber handwerkli­ch altmodisch­er, verrät Niavarani, der den Simpl seinem bisherigen Besitzer Albert Schmidleit­ner abgekauft hat. Der Urkomödian­t ist jetzt Direktor, Autor und Regisseur des ältesten Kabaretts im deutschen Sprachraum. Es ist kein Neubeginn, sondern eine „Rückkehr zu den Wurzeln“, da „Nia“bereits mit 21 Jahren im Simpl aufgetrete­n ist und ihn mit 24 geleitet hat. „Schau ma mal, ob der alteMann Niavarani das auch noch zusammenbr­ingt“, meint der 51-jährige Neo-Eigentümer etwas kokett.

Unser Gespräch findet zwischen zwei Proben des neuen Programms „Arche Noah Luxusklass­e“statt, dessen erste Vorstellun­g am 25. September über die Bühne geht. „Dieser Saal hat für mich etwas Magisches“, sagt Niavarani, „wenn man da runterkomm­t und die Porträts vom Maxi Böhm, vom Moser, vom Grünbaum, vom Hugo Wiener und vom Farkas sieht, die alle hier aufgetrete­n sind und die Leute zum Lachen gebracht haben. Der Simpl ist eigentlich ein Wellnessce­nter in derWollzei­le.“

Vorbild Maxi Böhm

Einem Simpl-Protagonis­ten verdankt es Niavarani, überhaupt am Theater gelandet zu sein. „Mein großes Vorbild war der Maxi Böhm. Ich hab ihn mit 13 Jahren im Fernsehen in dem Stück ,Pension Schöller‘ gesehen. Es hat mich fasziniert, dass da ein Mensch ist, über den andere lachen. Zwei Tage später hab ich ihn in der Mathematik­stunde nachgemach­t und große Lacher erzielt. In Mathematik bekam ich zwar einen Fünfer, aber die Befriedigu­ng über die Lacher war größer als die Frustratio­n über das Nicht genügend.“

Seichter Anfang

Der Simpl wurde 1912 vom Theaterdir­ektor Egon Dorn als „Biercabare­t Simpliciss­imus“gegründet, wobei der Bierkonsum anfangs wichtiger war als die auf der Bühne gesprochen­en Texte. Denn man gab seichte „Nummernpro­gramme“mit zweitrangi­gen Komikern.

Kabaretts schossen damals wie Pilze aus dem Boden und sperrten ebenso schnell wieder zu. Es ist zwei Künstlern zu danken, dass dies dem Simpl erspart blieb: Fritz Grünbaum und Karl Farkas. Während Grünbaum 1914 erstmals im Simpl auftrat, meldete sich Farkas 1922 auf ein Inserat des Wiener Tagblatts, mit dem „Nachwuchsk­räfte für das Cabaret Simpliciss­imus“gesucht wurden. Er begann als „Blitzdicht­er“: Das Publikum rief ihm prominente Namen zu und Farkas dichtete „blitz“. Als ein Zuschauer „Leo Slezak“sagte, reimte Farkas in Sekundensc­hnelle: „Glaubt mir, dass ich euch keinen Schmäh sag, der beste Sänger ist der Slezak.“

Seine Pointen sprachen sich bald in Wien herum: „Gott hat aus dem Chaos die Welt erschaffen, und wir haben aus der Welt ein Chaos gemacht.“Schließlic­h entwickelt­en Farkas und Grünbaum die Doppelconf­érence wie sie dann nach dem Krieg von Farkas und Ernst Waldbrunn geführtwur­de.

Waldbrunn: Ich hab eine Erfindung gemacht.

Farkas: Was hast du erfunden? Waldbrunn: Tabletten, die den Durst löschen.

Farkas: Wer braucht die? Waldbrunn: Nimm an, du bist in der Wüste, du hast Durst, es gibt kein Wasser. Du nimmst eine Tablette – und der Durst istweg.

Farkas: Das istwunderb­ar! Waldbrunn: Es hat nur einen kleinenNac­hteil. Die Tabletten müssen in Wasser aufgelöst werden.

Grünbaum überlebte die Nazizeit nicht, er wurde im KZ Dachau ermordet. Farkas gelang die Flucht nach Amerika, er kehrte 1950 in den Simpl zurück, um das „größenwahn­sinnig gewordene Nudelbrett“, wie er die kleine Bühne nannte, zu neuer Blüte zu führen. An seiner Seite waren jetzt neben Ernst Waldbrunn und Maxi Böhm auch Heinz Conrads, Fritz Muliar, Ossy Kolmann, Cissy Kraner u. v. a.

Nach Farkas’ Tod im Jahr 1971 spielte das alte Ensemble zwei Jahre weiter, ehe der Simpl an Martin Flossmann überging, der das Kabarett 22 Jahre führte und dann Michael Niavarani die künstleris­che Leitung überließ.

Niavarani tritt in der neuen Revue nicht auf, sehr wohl aber an vier Abenden gemeinsam mit Harald Schmidt, „und wer weiß, vielleicht sticht mich der Hafer und ich spiel eines Tages auch wieder in einer Revue mit“– vorerst ist er aber mit der Leitung des Simpl und seines Globe Wien Theaters voll ausgelaste­t.

Neue Pointen

Dem Autorentea­m um Niavarani ist klar, dass die aktuellen Conférence­n nach dem 29. September – dem Tag der Nationalra­tswahlen – umgeschrie­ben werden müssen. Eine Pointe des Conférenci­ers Joachim Brandl („der aussieht, als hätten Karl Farkas und Martin Flossmann ein uneheliche­s Kind miteinande­r gezeugt“© Michael Niavarani), kann aber bleiben:

„HC Strache weiß nach dem Ibiza-Video nicht, was er beruflich machen soll. Aber nachdem ihm ja aufgefalle­n ist, dass die Oligarchin schmutzige Fußnägel hat, macht er jetzt ein Nagelstudi­o auf: ,Fußpflege Strache, vom kleinen bis zum großenHC.‘“

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 ??  ?? „Der Simpl bleibt ein Unterhaltu­ngskabaret­t mit politische­n Nummern“: Michael Niavarani zwischen zwei seiner Vorgänger, Karl Farkas und Martin Flossmann (rechts)
„Der Simpl bleibt ein Unterhaltu­ngskabaret­t mit politische­n Nummern“: Michael Niavarani zwischen zwei seiner Vorgänger, Karl Farkas und Martin Flossmann (rechts)
 ??  ?? „Größenwahn­sinnig gewordenes Nudelbrett“: die Simpl-Bühne nach ihrer Gründung im Jahr 1912
„Größenwahn­sinnig gewordenes Nudelbrett“: die Simpl-Bühne nach ihrer Gründung im Jahr 1912
 ??  ?? Die Doppelconf­érence lebt wieder auf: Karl Farkas, Ernst Waldbrunn
Die Doppelconf­érence lebt wieder auf: Karl Farkas, Ernst Waldbrunn
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Der Conférenci­er: Joachim Brandl
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