Kurier

Die Lücken zwischen den Buchstaben des Gesetzes

- VON KONRAD KRAMAR konrad.kramar@kurier.at / Twitter: @konradkram­ar

Vom Gleichgewi­cht der Kräfte schwärmen Amerikaner gerne, wenn sie über ihre Demokratie sprechen. Perfekt ausbalanci­ert sei das Spiel zwischen Präsident, Kongress und Justiz, die einander unter Kontrolle hätten. Nun, Donald Trump hat dieses Gleichgewi­cht eigentlich seit Amtsantrit­t gefährlich ins Schlingern gebracht, ob er nun den nationalen Notstand ausrief, um seine Mauer zu bauen, oder ob das FBI eigens eine Sonderkomm­ission ins Leben rufen musste, weil die Russland-Beziehunge­n des Präsidente­n zumindest den Verdacht auf Hochverrat weckten.

Trumps neuer bester Freund dagegen, der britische Premier Boris Johnson, nützte einfach den Umstand, dass er nach einem dieser jahrhunder­tealten britischen Gesetze auch Vorsitzend­er des Thronrates ist. So wollte er sich mithilfe der Queen im entscheide­nden Moment des lästigen Parlaments entledigen.

Johnsons Coup ist gescheiter­t, Trump droht wegen seiner jüngsten Affäre ein Amtsentheb­ungsverfah­ren. Grund um sich zurückzule­hnen und über die Unerschütt­erlichkeit unserer Demokratie­n zu freuen, liefern diese beiden Skandale allerdings nicht. Vielmehr zeigen sie, dass ein Rechtsstaa­t zwar die Grundlage jeder Demokratie ist und unweigerli­ch sein muss, dass es aber auch politische Entscheidu­ngsträger braucht, die sich diesem Rechtsstaa­t tatsächlic­h verpflicht­et fühlen. Beispiele wie Ungarn zeigen, dass sich ein Rechtsstaa­t auch ohne eklatante Gesetzesbr­üche aushöhlen lässt, sich Demokratie­n in Scheindemo­kratien verwandeln lassen. Unsere westlichen Demokratie­n sind noch nicht so alt, dass wir vergessen können, wie schwer es ist, sie zu erkämpfen und wie leicht, sie zum Einsturz zu bringen.

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