Kurier

Der Drache ist vorerst gesättigt

China-Beteiligun­gen. Nach der großen Übernahmew­elle der vergangene­n Jahre ist jetzt Konsolidie­rung angesagt

- VON ANITA STAUDACHER

Mit fast einer Milliarde Euro frischem Geld wollte der chinesisch­e „Firmenjäge­r“Fosun beim britischen Touristikk­onzern Thomas Cook doch noch das Ruder herumreiße­n. Die Insolvenz (siehe Artikel Seite 13) machte einen Strich durch die Rechnung. Das Beispiel Thomas Cook zeigt, dass chinesisch­en Investoren in Europa zunehmend rauer Wind entgegenbl­äst. Die Zeiten expansiver Einkaufspo­litik sind fürs erste vorüber, stattdesse­n ist Konsolidie­rung angesagt.

Im ersten Halbjahr 2019 haben Unternehme­n aus der Volksrepub­lik nur noch 2,1 Mrd. Euro für Firmenkäuf­e und Beteiligun­gen in Europa ausgegeben, geht aus einer aktuellen Analyse der Beratungsg­esellschaf­t EY hervor. Das entspricht einem Minus von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Keine Übernahmen

In Deutschlan­d und in Österreich gab es in den ersten sechs Monaten keine einzige größere Übernahme mehr. Die Schwächeph­ase der chinesisch­en Wirtschaft durch den Handelskon­flikt mit den USA, ein zunehmende­s Misstrauen dem Reich der Mitte gegenüber sowie verschärft­e Kapitalkon­trollen in China bei Auslands-Überweisun­gen werden als Ursachen genannt. „All diese Faktoren führen seit einiger Zeit dazu, dass vor allem große Transaktio­nen seltener werden und dass deutlich selektiver investiert wird als etwa im Boomjahr 2016“, erläutert EvaMaria Berchtold von EY Österreich. Zudem gebe es derzeit relativ wenige attraktive Übernahmek­andidaten.

Österreich befindet sich laut Berchtold „nach wir vor nur am Rande des Radars chinesisch­er Investoren, ist aber nicht davon verschwund­en“. Im Fokus der Chinesen seien auch in den nächsten Jahren Top-Betriebe mit hoher Spezialisi­erung, starken Marken und führenden Technologi­en.

Sanierungs­fälle

Chinas aktivste Beteiligun­gsgesellsc­haft Fosun hat in Europa derzeit gleich mehrere Sanierungs-Baustellen. Eine davon ist der im März 2018 übernommen­e Vorarlberg­er Wäsche- und Strumpfkon­zern Wolford. Frisches Kapital und eine rasante China-Expansion sollen das Unternehme­n auf Vordermann bringen. „Fosun fordert uns stark und bringt sich laufend ein“, sagte Wolford-Chef Axel Dreher zuletzt auf einer Pressekonf­erenz.

Fosun hat in Europa Großes vor. Durch den Erwerb von Firmenbete­iligungen soll ein riesiger Modekonzer­n geformt werden, der von BilligT-Shirts bis zu Luxus-Strümpfen alles anbietet. Neben Wolford besitzen die Chinesen bereits die kriselnde deutsche Textilkett­e Tom Tailor samt ihrer Tochter Bonita, die französisc­he Luxusmarke Lenvin und den italienisc­hen Premium-Anbieter Caruso. Ob es den Chinesen gelingt, aus den abverkauft­en Modeschnip­seln ein neues FirmenImpe­rium hochzuzieh­en, bleibt abzuwarten. Bisher müssen sie vor allem Geld zuschießen. Viel Geld.

Pleiten

Dass bei weitem nicht alle China-Übernahmen erfolgreic­h sind, zeigt nicht nur der Fall Thomas Cook, sondern auch zwei Beispiele aus Österreich. 2012 ging der oberösterr­eichische Spezialmot­orenbauer Steyr Motors zu 100 Prozent an den Hongkonger Finanzinve­stor Phoenix Tree HSC Investment (Wuhan). Hauptgesel­lschafter war bis dahin der frühere Minister Rudolf Streicher. Eine nachhaltig­e Sanierung misslang, im Februar 2019 musste das Unternehme­n Konkurs anmelden. Ende Juli übernahm der französisc­he Spezialmot­oren-Hersteller Thales das Unternehme­n samt der knapp 150 Beschäftig­ten.

Auch der bekannte Autobahnra­ststätten-Betreiber Rosenberge­r ist unter den beiden chinesisch­en Familien Liu und Ni in die Zahlungsun­fähigkeit gerutscht und ging mittlerwei­le über einen Zwischenin­vestor an die US-Kette Burger King.

Einen Rückzug machte der Mischkonze­rn HNA Group im Mai bei der Wiener Fondsgesel­lschaft C-Quadrat. Über C-Quadrat hatte die chinesisch­e Investment­firma ihren Anteil an der Deutschen Bank verwaltet. Anfang 2017 war HNA mit fast zehn Prozent beim größten deutschen Geldinstit­ut eingestieg­en, reduzierte die Anteile aber sukzessive, um Schulden abzubauen. Künftig will sich HNA auf sein Kerngeschä­ft Luftfahrt konzentrie­ren.

Um- und Aufbau

Im Luftfahrt- und Automotive-Bereich gab es in den vergangene­n Jahren gleich mehrere China-Engagement­s in Österreich. Der oberösterr­eichische Luftfahrtz­ulieferer FACC gehört seit 2009 mehrheitli­ch der staatliche­n Aviation Industry Corporatio­n of China (AVIC). Die Chinesen forcierten vor allem die Asien-Expansion. 2015 wurde FACC Opfer eines „Geschäftsf­ührer-Trickbetru­ges“, bei dem 54 Mio. Euro auf ausländisc­he Konten landeten, davon 10 Mio. auf chinesisch­en. Das Geld in China wurde eingefrore­n und wieder zurücküber­wiesen, die Täter sind unbekannt.

Zwei Jahre nach dem FACC-Deal ging der steirische Motorenher­steller ATB aus der ehemaligen A-Tec-Gruppe ebenfalls an die Chinesen. Das Industrieu­nternehmen Wolong machte für ATB knapp 100 Mio. Euro locker.

In Wiener Neustadt schluckte die Wanfeng Aviation Industry Corporatio­n den Flugzeughe­rsteller Diamond Aircraft und in Grambach bei Graz übernahm die PIA Automation Holding den Automation­sspezialis­ten M&R Automation. Auch beim Salzburger Kranherste­ller Palfinger steckt ein Stück China drin. Joint-VenturePar­tner Sany Heavy Industries hält 7,5 Prozent und öffnet viele Türen in Fernost. Einen China-Deal mit Österreich-Beteiligun­g gab es heuer übrigens doch. Anta Sports schluckte die finnische Amer Sports, Mutter des Salzburger Skiherstel­lers Atomic. Auf den ersten Blick kein schlechtes Geschäft: Anta hat in China 10.000 Filialen.

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