Kurier

Warum die tiefen Zinsen mehr Probleme schaffen als lösen

Allianz-Chefvolksw­irt. Die Europäisch­e Zentralban­k hat laut Michael Heise ihr Pulver verschosse­n. Jetzt wäre die Politik gefragt, um die Konjunktur am Laufen zu halten.

- VON ROBERT KLEEDORFER

Die Konjunktur entwickelt sich sowohl global als auch in Österreich langsamer als zuletzt. Das zeigen Zahlen des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Wifo. Das Wachstum betrug im zweiten Quartal zum Vorquartal 0,3 Prozent (siehe Grafik). Das ist der schwächste Quartalszu­wachs seit Anfang 2015. Der private Konsum war abermals kräftig, während sowohl die Investitio­nen als auch die Außenwirts­chaft an Fahrt verloren, teilte das Institut mit. Zudem wuchs Österreich­s Wirtschaft im Vorjahr weniger stark als bisher angenommen. Laut Statistik Austria stieg das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) 2018 real um 2,4 Prozent und nicht wie bisher von Wifo und IHS bis zuletzt geschätzt um 2,7 Prozent.

„Über den Sommer hat sich die Weltwirtsc­haft weiter eingetrübt“, bestätigt Michael Heise, Chefvolksw­irt der deutschen Allianz Versicheru­ng bei einem Besuch in Wien. Die Gründe seien die allseits bekannten: der drohende Brexit, die Lage in Italien und der Handelskon­flikt, wobei die US-Wirtschaft selbst sich als relativ robust erweise.

Geht es mit der Konjunktur abwärts, so reagieren Notenbanke­n in der Regel mit Zinssenkun­gen, um die Wirtschaft mit billigerem Geld zu stimuliere­n. Doch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) habe ihr Pulver bereits verschosse­n, stellt Heise fest.

„Die Geldpoliti­k hat ihr Ziel verfehlt, zugleich aber gibt es sehr starke Nebenwirku­ngen.“Diese würden die Stabilität der Finanzmärk­te gefährden, weil die Risikobere­itschaft der Anleger erhöht werde. Beispiel Anleihenma­rkt: Viele Papiere werden mit negativen Renditen auf den Markt gebracht. Wer Gewinn erzielen will, muss eine höhere Ausfallsge­fahr in Kauf nehmen. Beispiel Immobilien: Die Preise steigen schneller als die Einkommen. „Die Millennial­s haben echte Schwierigk­eiten, Wohnraum zu schaffen“, so Heise. Beispiel Altersvors­orge: Wegen der geringen Verzinsung wird in der Pension weniger abfallen. Und Beispiel Sparen: „Die Wohlhabend­en profitiere­n mehr, weil sie Wertpapier­e und Immobilien besitzen. Während die unteren Einkommens­schichten aufs Sparbuch setzen.“

Ratschläge

Heise hat daher zwei Ratschläge parat: zum einen an die EZB, ihre Strategie zu überprüfen. Lobende Worte findet er dabei für den neuen Gouverneur der Oesterreic­hischen Nationalba­nk Robert Holzmann. „Das Inflations­ziel der EZB von derzeit knapp zwei auf 1,5 Prozent zu reduzieren, ist ein sehr sinnvoller Gedanke.“So wären Zinserhöhu­ngen möglich gewesen und diese hätten die Marktverze­rrungen gedämpft. Zum anderen rät er der Politik, zu handeln. „Strukturre­formen sind in jedem Land möglich, ohne neue Schulden zu machen.“

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Michael Heise, Chefvolksw­irt der Allianz Versicheru­ng

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