Kurier

Wien will mehr Geld für Gastpatien­ten

Versorgung. Jeder zweite Grauer-Star-Patient stammt aus einem anderen Bundesland Michael Binder Markus Klamminger Heftiger Schlagabta­usch um Krebspatie­nten

- J. GEBHARD, M. GEBHART

115 Tage muss man warten, wenn man sich im Wiener Krankenhau­s Hietzing einer Katarakt-Operation (Grauer Star) unterziehe­n will. Insgesamt stehen derzeit dort 1.104 Patienten auf der Warteliste.

Mitschuld an den enormen Wartezeite­n ist, dass gerade in der Augenheilk­unde der Anteil der Patienten, die nicht aus Wien stammen, besonders hoch ist. Je nach Spitalssta­ndort liegt er bei bis zu 49 Prozent. Der Großteil dieser Gastpatien­ten kommt aus Niederöste­rreich. Das zeigen aktuelle Daten, die der Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV) im Auftrag von Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) erhoben hat.

Angesichts der bald startenden Gespräche für den nächsten Finanzausg­leich will er (wie berichtet) überprüfen lassen, ob Wien mittlerwei­le nicht deutlich mehr Gastpatien­ten versorgen muss als vereinbart – mit der Konsequenz, dass für die Stadt erhebliche Kosten anfallen, für die eigentlich NÖ aufkommen müsste. Erste Detailzahl­en aus einzelnen Fächern liegen dem KURIER vor (siehe Grafik).

Ausweitung

„Von der Planung her ist Wiens Gesundheit­ssystem für die Versorgung von zwei Millionen Menschen ausgelegt, tatsächlic­h sind es aber bereits drei Millionen“, rechnet Hacker vor. Er möchte nachschärf­en. Sprich: Wien will mehr Geld für die Versorgung der Gastpatien­ten.

Von einer „zunehmende­n Schieflage in manchen Fächern“spricht auch Michael Binder, Medizinisc­her Direktor des KAV. Laut dem Spitalsträ­ger sei sie gerade in der Augenheilk­unde besonders stark ausgeprägt, hier sei der Anteil der Gastpatien­Krankenans­taltenverb­und

ten in den vergangene­n Jahren auch deutlicher als in anderen Fächern angestiege­n. Dabei gehe es meist um eher einfachere Eingriffe, die genauso gut in Spitälern außerhalb Wiens durchgefüh­rt werden könnten. „Aber die Patienten kommen trotzdem nach Wien, weil der Ruf unserer Spitäler sehr gut ist“, so eine KAV-Sprecherin. Knapp die Hälfte der Katarakt-Patienten stamme nicht aus Wien.

Zuletzt schlug auch die AKH-Direktion Alarm, weil die dortige Onkologie-Tagesklini­k aufgrund der wachsenden Zahl von Gastpatien­ten völlig überlastet ist. Patienten werden deshalb darauf hingewiese­n, dass sie ihre Behandlung auch in ihrem Heimat-Bundesland erhalten könnten. In anderen Fächern versucht man ihnen seitens des KAV nahezubrin­gen, wenigstens die Nachbehand­lung wohnortnah­e durchführe­n zu lassen.

Zwar würden auch Wiener Patienten nach NÖ transferie­rt, dies betreffe aber nur akute Fälle, etwa in der Intensivme­dizin oder der Neonatolog­ie, heißt es im KAV. Landesklin­ken-Holding

Im Nachbar-Bundesland lässt man die Kritik nicht gelten: „Wir bemerken bei onkologisc­hen Behandlung­en nur eine moderate Steigerung bei Patienten aus NÖ, die in Wien behandelt werden. Und im stationäre­n Bereich sogar eine leichten Rückgang“, sagt Markus Wahlkampf. Die Debatte um die Versorgung von nö. Patienten in Wiener Spitälern hat den aktuellen Wahlkampf erreicht. „Im ÖVPregiert­en Niederöste­rreich können Krebspatie­nten nicht mit den besten Medikament­en und Therapie behandelt werden, sondern müssen in das von Ihnen kritisiert­e Wiener AKH gehen. Das ist ein Skandal.“Das hielt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ÖVPObmann Sebastian Kurz im TV-Duell am Montagaben­d auf Puls4 vor.

Der Hintergrun­d: Zuletzt hatte AKH-Direktor Klamminger, Medizinisc­her Geschäftsf­ührer der Landesklin­iken-Holding. „Faktum ist: In NÖ werden alle modernen Krebsthera­pien durchgefüh­rt.“Doch jeder Patient habe das Recht auf freie Arztwahl und entscheide – oft mit seinem Arzt – über den Behandlung­sort. Wegen wachsender Patientenz­ahlen habe man zudem eine disloziert­e Augen-Klinik am LK Gmünd eingericht­et.

Gegen „Zahlenspie­le“

„Ganz generell gilt, dass solche Zahlenspie­le nicht für den Wahlkampf taugen, sondern maximal zu einer Verunsiche­rung der Patienten führen“, richtet Klamminger Hacker aus. „ Deswegen sollte man sich Vorwürfe nicht über die Medien ausrichten, sondern gemeinsam an einem Strang für die beste medizinisc­he Versorgung ziehen. Gerne bieten wir an, gemeinsam die aktuelle Situation und Datenlage zu sichten.“

„In manchen Fächern haben wir mittlerwei­le eine zunehmende Schieflage.“

„Solche Zahlenspie­le führen maximal zu einer Verunsiche­rung der Patienten.“

Herwig Wetzlinger Alarm geschlagen: Die OnkologieT­agesklinik in Wiens größtem Krankenhau­s würde wegen des hohen Anteils an Gastpatien­ten an ihre Kapazitäts­grenzen stoßen.

„Sie wissen aber schon, dass das AKH auch mit Steuergeld­ern der Niederöste­rreicher finanziert wird?“, konterte Kurz der ehemaligen Gesundheit­sministeri­n. Diese blieb bei ihrer Kritik: „Niederöste­rreich hat einen Versorgung­sauftrag. Der Wohnort darf nicht über die medizinisc­he Versorgung entscheide­n.“

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