Kurier

Jede App sagt etwas anderes

Warum man am Smartphone je nach Programm unterschie­dliche Prognosen erhält

- VON DAVID KOTRBA

Fast jeder kennt wohl das Phänomen, dass die Wetterprog­nose am Smartphone ein Sonnensymb­ol und 25 Grad anzeigt, während es draußen regnet. Tatsächlic­h erhält man teilweise ganz unterschie­dliche Vorhersage­n, je nachdem, welche Wetter-App man konsultier­t. Warum scheinen einige Apps mehr als andere zu wissen? Der KURIER ist dieser Frage nachgegang­en.

Tausende Anbieter

Wer auf seinem AndroidSma­rtphone oder iPhone nach Wetter-Apps sucht, dem werden üblicherwe­ise Tausende Resultate ausgespuck­t. Noch dazu gibt es die ab Werk installier­ten WetterSymb­ole am Startbilds­chirm, die dem Nutzer auf einen Blick die tagesaktue­lle Temperatur und Witterung am eigenen Standort verraten. Je nachdem, was angezeigt wird, wird die Regenjacke oder die Badehose eingepackt.

„Hinter jeder App steht ein Algorithmu­s, der Daten unterschie­dlich analysiert“, erklärt Martin Templin, Meteorolog­e beim in Wien ansässigen internatio­nalen Wetterdien­st UBIMET. Dazu muss man kurz erklären, wie Prognosen überhaupt zustande kommen. Zunächst wird eine Vielzahl an Daten gesammelt, etwa zu Temperatur, Luftdruck, Niederschl­ag, Wind, Staub oder Kohlendiox­id. Die Informatio­nen werden durch Wetterstat­ionen, Ballons oder Satelliten eingeholt, die meist von staatliche­n oder überstaatl­ichen Organisati­onen betrieben werden. Mit den Daten werden Supercompu­ter gefüttert. Sie errechnen die weitere Entwicklun­g des Wetters anhand unterschie­dlicher Modelle.

Geldfrage

„Viele Unternehme­n ziehen dabei das amerikanis­che Modell Global Forecast System (GFS) heran“, mein Templin – auch Google und Apple. Der Vorteil: Es liefert weltweite, kostenlos verfügbare Prognosen. Der Nachteil: Es ist auf US-amerikanis­che Bedürfniss­e zugeschnit­ten, also weite Landschaft­en mit weitgehend gleichen Wetterbedi­ngungen. Templin: „Für Europa bietet GFS eine weniger gute Auflösung. Hier liefert etwa das europäisch­e Modell des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) genauere Daten.“Diese sind jedoch kostenpfli­chtig und deshalb für viele App-Anbieter, vor allem rein werbefinan­zierte, weniger attraktiv. Größere App-Anbieter ziehen mehrere Berechnung­smodelle heran und verwenden dazu Daten lokaler Wetterdien­ste (etwa des österreich­ischen Zentralamt­s für Meteorolog­ie und Geodynamik, ZAMG) sowie selbst entwickelt­e Modelle. Während die solcherart berechnete­n Prognosen manchmal rein maschinell erstellt und publiziert werden, werden sie an anderer Stelle von ausgebilde­ten Meteorolog­enteams überprüft und freigegebe­n – vor allem bei ungewöhnli­chen oder extremen Wetterphän­omenen. Die Zukunft gehört allerdings der automatisc­hen Wettervorh­ersage, ist Templin überzeugt: „Bei der Fülle an Daten ist es einfach nicht mehr machbar, dass die von Menschen überarbeit­et werden.“

Genauigkei­t vs. Vorsicht

Die Prognosen von Apps unterschei­den sich klarerweis­e umso mehr, je weiter man in die Zukunft blickt. Während sich einige Apps nicht über eine Vorhersage über fünf Tage hinauswage­n, liefern andere erwartbare Trends für bis zu zwei Wochen. Die Genauigkei­t dieser Berechnung­en ist in den vergangene­n Jahrzehnte­n enorm gestiegen. „Die ersten Prognosemo­delle gab es in den 60er-Jahren. Damals konnte man nur zwei bis drei Tage im Voraus berechnen“, erzählt Templin. Seitdem seien allerdings immer mehr Umweltfakt­oren miteinbezo­gen worden, die Dichte an Messstatio­nen und vor allem die Rechenleis­tung von Computern habe zugenommen.

Wie Forscher betonen, ist es dennoch unmöglich, hundertpro­zentig zutreffend­e Wetterprog­nosen zu generieren. Minimale Veränderun­gen in der Atmosphäre können auf lange Sicht gesehen große Auswirkung­en haben. Nicht zuletzt deshalb wird Wetter-Apps gerne nachgesagt, oft eine etwas pessimisti­sche Sicht auf die Zukunft zu pflegen. Schließlic­h will man niemanden ohne Schirm aus dem Haus schicken, wenn er doch irgendwann im Laufe des Tages im Regen stehen könnte.

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