Österreich-Fan und Initiator der Sanktionen
Tabubruch. Chirac akzeptierte weder Le Pen noch Haider
Chirac war ein ÖsterreichFan, was sich nicht nur bei seiner Urlaubswahl mehrmals äußerte. Er unterhielt innige Kontakte zu seinen bürgerlichen Gesinnungsfreunden in der ÖVP-Spitze. Als Präsident verlieh er dem österreichischen Ex-Außenminister und damaligen ÖVP-Ehrenobmann Alois Mock und dem Europapolitiker und späteren Klubobmann der ÖVP, Andreas Khol, die französische Ehrenlegion. Umso heftiger reagierte er auf die überraschende Wende von ÖVPObmann Wolfgang Schüssel Anfang 2000 zur Koalition mit der FPÖ.
Schüssel hatte nämlich zuvor Chirac beigepflichtet, als dieser in Frankreich jegliches Bündnis mit der Partei des Rechtstribuns Le Pen ablehnte. Dabei versicherte Schüssel dem französischen Gesinnungsfreund, dass auch die ÖVP mit der FPÖ von Jörg Haider keinesfalls koalieren würde. Als dann Schüssel im Februar 2000 doch die Koalition mit der FPÖ wagte, gehörte Chirac zu den Initiatoren des Boykotts der schwarz-blauen Regierung durch die übrigen 14 EU-Mitgliedsstaaten: Österreichische Diplomaten wurden nicht zu Zeremonien eingeladen, die bilateralen Kontakte eingeschränkt. An der Präsenz Österreichs bei Beamten- und Ministertreffen der EU änderte sich aber nichts.
In Österreich hatte dies zwei gegensätzliche Folgen: die anfänglich bedeutende Protestbewegung gegen die Regierungsbeteiligung der Haider-FPÖ fühlte sich bestärkt. Aber je länger der diplomatische Boykott anhielt, desto mehr empfanden große Teile der Bevölkerung dies als Kränkung. Dabei trat die Kluft zwischen dem Umgang Österreichs mit der NS-Vergangenheit und der Einstellung der Öffentlichkeit in den meisten übrigen westeuropäischen Staaten zu Tage: Die gelegentlichen Sprüche, mit denen Jörg Haider die NSVergangenheit teilweise verteidigte und den Veteranen der NS-Armeen Lob zollte, wurden in Österreich von vielen als Kavaliersdelikte abgetan, während sie anderswo als reueloses Beharren wahrgenommen wurden.
Die Sanktionen wurden nach sechs Monaten auf Anraten eines von der EU eingesetzten „Weisenrats“aufgehoben. Sie hatten aber dazu beitragen, die Ambitionen von Haider auf Kärnten zu begrenzen, was sich nachträglich als Finanzkatastrophe für dieses Bundesland erwies, aber den Staat Österreich möglicherweise vor einem ähnlichen Debakel bewahrte.