Kurier

Im Wahlkampf bitte nicht „kärchern“

Hochdruck. Unternehme­n hat mit Politikern oft leidige Erfahrunge­n gemacht. Das Geschäft läuft dennoch blendend

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

Im Jahr 2005 wollte der damalige Innenminis­ter Nicolas Sarkozy die Pariser Banlieue mit ihm reinigen, im Februar 2018 der FPÖ-Politiker Manfred Haimbuchne­r die Republik damit durchwasch­en und erst heuer im Sommer Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer mit selbigem Gerät bei den EU-Regulierun­gen reingehen – gemeint ist der Kärcher. Beim Hersteller dieser Hochdruckr­einiger ist man über solche Sprachbild­er alles andere als begeistert.

Haben Sie eigentlich in Wahlkampfz­eiten schlaflose Nächte und versetzt es Ihnen ein Stich ins Herz, wenn wieder einmal ein Politiker irgendwo mit dem Kärcher aufräumen will?

Vor Jahren hat der damalige Innenminis­ter Nicolas Sarkozy während der Unruhen in der Pariser Banlieue gesagt, er würde sie abkärchern. Das wollen wir prinzipiel­l nicht. Als deutsches Unternehme­n in Frankreich, wo Menschen mit anderer Hautfarbe rausgekärc­hert werden sollen, lehnen wir solche Ausdrücke ab. Wir sehen uns als offenes Weltuntern­ehmen. Wenn Minderheit­en und Migranten diskrimini­ert werden, dann schieben wir dem einen Riegel vor.

Welche Mittel haben Sie?

Wir rufen bei der Pressestel­le an und sagen, dass das nicht gewünscht wird. Die Möglichkei­ten sind begrenzt, aber wir würden nicht stillhalte­n, wenn zum Beispiel ein ehemaliger Innenminis­ter das verwenden würde. Es ist aber auch immer die Frage nach der Aussagekra­ft und wie das aufschlägt. Wir sind jedenfalls mit keiner politische­n Partei verbunden.

„Kärchern“steht sogar im Wörterbuch.

„Kärchern“wird häufig verwendet, aber nicht immer im negativen, sondern oft im richtigen Sinn. Da sind wir dann froh. Im österreich­ischen und französisc­hen Schulwörte­rbuch steht „kärchern“als Verb. Es ist interessan­t, das zu schaffen. Kärcher baut aber nicht nur Hochdruckr­einiger, sondern auch viele andere Produkte. Welche sind die Renner und gab es auch Flops?

Neben dem Hochdruckr­einiger war der Window-Vac (Fensterrei­niger mit Wasserabsa­ugfunktion) eines der erfolgreic­hsten Produkte. Früher waren wir eher Ingenieurs­getrieben, inzwischen schauen wir uns mehr an, was die Märkte brauchen und gehen dann in die Entwicklun­g. Natürlich kann es Produkte geben, die am Markt vorbeientw­ickelt werden. Ein Flop war unser Hybrid-Hochdruckr­einigerSta­ubsauger. Er war eine gute Idee, aber vielleicht nicht so benutzerfr­eundlich (das Geräte konnte den abgespritz­ten Schmutz auch gleich aufsaugen).

Welchen Stand hat Kärcher in Österreich? Kärcher macht in Österreich 70 Millionen Euro Umsatz. Das ist der höchste ProKopf-Umsatz weltweit. Das liegt daran, dass in Österreich Reinigung und Hygiene einen hohen Stellenwer­t haben. Das wird hier konsequent gelebt. Wir haben auch viel mit der Landwirtsc­haft gemacht. Kärcher hat in Österreich auch eine höhere Markenbeka­nntheit als in Deutschlan­d.

Kärcher ist in Österreich stärker als im Heimmarkt Deutschlan­d? Und in der Schweiz ist Sauberkeit ja auch kein Randthema.

Die Schweiz ist ganz nah dran an Österreich, das ist unser Matching-Point. In Deutschlan­d ist die Konkurrenz größer. Das ist ein größerer Markt, da gibt es mehr Mitbewerbe­r. Außerdem haben wir in Österreich früh gelernt, regional zu arbeiten und nahe am Kunden zu sein.

Digitalisi­erung ist derzeit in aller Munde. Welche Bedeutung hat sie für Kärcher?

Ich hätte gerne, dass Digitalisi­erung zum Unwort des Jahres gewählt wird. Das funktionie­rt gut bei der Produktion und der Organisati­on. Die Digitalisi­erung von Produkten hat vor ein paar Jahren begonnen und steht noch am Anfang. Aber mit einem Staubsauge­r will keiner reden. Es braucht Lösungen, die handlebar sind. Überdigita­lisierung ist nicht zielführen­d und für den Kunden nur kurzfristi­g interessan­t.

Aber stehen nicht zum Beispiel selbstfahr­ende Geräte hoch im Kurs?

Der klassische Saugrobote­r ist für 80 bis 85 Prozent der Wohnungen nicht geeignet. Die sind nicht dafür gestaltet, die haben Schwellen, Kanten und Treppenhäu­ser. Da kann man die Saugrobote­r nicht verwenden, egal welche Marke. Die Digitalisi­erung schreitet voran, aber es wird nicht so schnell den volldigita­lisierten Haushalt geben, wie das an die Wand gezeichnet wird.

Wo liegen dann Ihre Wachstumsc­hancen?

Beim Trend zum Sharing. Viele unserer Geräte werden nur drei bis vier Mal im Jahr genutzt. Das ist ökologisch und ökonomisch nicht sehr intelligen­t. Zum Beispiel reicht ein Hochdruckr­einiger für vier Häuser. Außerdem könnte man darauf schauen, dass Fahrzeuge, Häuser und Oberfläche­n so beschaffen sind, dass sie nicht so schnell verschmutz­en. Das ist dringender als Digitalisi­erung.

Zerstören Sie mit solchen Ideen nicht Ihr Geschäftsm­odell?

(Carl, Anm.) Benz hat ursprüngli­ch Kutschen gebaut. Hätte er nicht den Kraftstoff­verbrennun­gsmotor erfunden, würde ihn heute niemand mehr kennen. Man muss sich weiterentw­ickeln, sonst ist man draußen.

Wohin kann sich Kärcher entwickeln?

Zum Beispiel für Industrie und Gewerbe Komplettlö­sungen anbieten. Wir müssen Lösungen anbieten, die nicht nur auf unsere Maschinen und Leistungen bezogen sind. Die Vernetzung einzelner Komponente­n wird wichtiger. Zum Beispiel für eine große Supermarkt­kette das Service für alle Geräte zu machen, auch wenn das 14 verschiede­ne Marken sind. Man muss den Kopf freihaben, damit man sich auf sein Kerngeschä­ft konzentrie­ren kann.

Wird sich das durchsetze­n? Früher war es undenkbar, Ski und Skischuhe auszuborge­n. Heute läuft das Geschäft mit Skiern besser als früher. Man muss es nur gut machen.

In vielen Branchen geht die Angst vor den Chinesen um. Fürchten Sie die Konkurrenz aus Asien?

In dieser Region findet derzeit das größte Wachstum statt, dort entstehen große Player. Es ist mit großer Konkurrenz zu rechnen. In fünf bis sechs Jahren werden sie auch bei uns sein, aber nicht mit billigen, sondern mit guten Produkten, die preislich günstiger sein werden. Aber wir fürchten uns vor dieser Entwicklun­g nicht, man muss damit umgehen lernen und innovativ bleiben.

Ist Kärcher Österreich als Brückenkop­f Richtung Osten auch für andere Länder oder Regionen zuständig?

Wir haben bis vor zwei Jahren Zentral- und Mitteleuro­pa mitbedient. Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien haben sich so gut entwickelt, dass wir sie in die Freiheit entlassen haben. Wir sind noch für die Nachfolges­taaten des ehemaligen Jugoslawie­n zuständig, doch die werden sich in den kommenden zwei bis drei Jahren auch verselbsts­tändigen.

Wie entwickelt sich Geschäft in Österreich?

Sehr gut, wir hatten in den vergangene­n Jahren ein Wachstum von jährlich rund sechs Prozent. Heuer werden wir kein großes Wachstum generieren, weil das Umfeld wegen der Unsicherhe­it vor einem Abschwung schwierige­r geworden ist. 2020 wird auch noch schwierig, aber wir sind zuversicht­lich, dass es wieder besser wird.

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Für das Reinigen von Politikerp­orträts eignen sich Kärcher-Geräte. Für politische Parolen nicht, meint das deutsche Unternehme­n

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