Kurier

„Wir Trainer sind gezeichnet“

Adi Hütter. Der Frankfurt-Coach über die Belastunge­n im Job, die Toleranz seiner Frau und Martin Hinteregge­r

- VON ALEXANDER HUBER

Adi Hütter hat die Young Boys Bern als Meister verlassen und führte Frankfurt in das Semifinale der Europa League. Vor dem Spiel bei Aufsteiger Union in Berlin (20.30 Uhr) gibt der 49-jährige EintrachtT­rainer aus Vorarlberg Einblick in seine erfolgreic­he Arbeit.

KURIER: Sie treffen in Berlin Landsmänne­r in Schlüsselp­ositionen: Union-Kapitän Christophe­r Trimmel und Co-Trainer Markus Hoffmann. Ist bei solchen Begegnunge­n Zeit für einen Austausch?

Adi Hütter: Christophe­r Trimmel kenne ich nur als Spieler, aber Markus Hoffmann ist ein guter Freund von mir. Zu Hause in Österreich wohnen wir fast nebeneinan­der. Wir werden natürlich kurz plaudern, aber mehr geht am Spieltag nicht.

Bei Salzburg hatten Sie keinen persönlich ausgewählt­en Co-Trainer an Ihrer Seite. Danach kam Christian Peintinger bei Young Boys Bern dazu und ist seither Ihr Vertrauter. Wie wichtig ist es, mit jemandem Dinge besprechen zu können, die nicht in die Öffentlich­keit gehören?

Ich hatte immer sehr gute CoTrainer. Von Gerald Baumgartne­r bei den Red Bull Juniors, über Oliver Schnellrie­der bei Altach und Edi Glieder bei Grödig. Bei Salzburg wollte ich Klaus Schmidt mitnehmen, hatte aber noch nicht den Einfluss, es durchzuzie­hen. Da war Zsolt Löw an meiner Seite, der heute für Thomas Tuchel bei PSG arbeitet. Also auch ein sehr guter Co-Trainer. Trotzdem habe ich daraus gelernt.

Und Sportdirek­tor Fredy Bickel hat das in Bern gemerkt?

Ja, ich habe gleich gesagt: Wenn ich nicht einen zweiten, persönlich ausgewählt­en Co-Trainer mitnehmen kann, komme ich nicht. Das war in Bern neu, aber es wurde mir genehmigt. Und das war die beste Entscheidu­ng von mir überhaupt. Nicht nur weil Christian Peintinger ein absoluter Fachmann ist, sondern auch, weil er ein sehr enger Freund ist. Wir kennen uns in- und auswendig, wir können uns alles sagen.

Sie sind das fünfte Jahr im Ausland. Ist es der härteste Teil des Jobs, dass Sie Ihre Familie selten sehen?

Wenn man von einem Opfer sprechen will, ist es das. Meine Tochter studiert in Spanien, sie kommt mich öfters mit meiner Frau besuchen. In Österreich bin ich maximal in Länderspie­lpausen. Meine tolerante Frau lässt mich meinen Traum leben. Ich muss nicht daran denken, dass ich nach der Arbeit schnell heimkomme. Ohne das Verständni­s von Frau und Tochter würde es mich nicht hier als Trainer geben.

Wie schalten Sie in Ihrem sehr stressigen Job ab? Schalten Sie auch manchmal das Handy ab?

Das Handy ist immer an, aber man muss ja nicht immer abheben (lacht). Ich habe einen guten Freundeskr­eis, der versteht, dass ich mich manchmal länger nicht melde. Um abzuschalt­en höre ich Musik, ziehe mich ein paar Stunden zurück – und schaue dabei oft Fußball. Sie spielen seit Ihrem Start in Frankfurt fast durchgehen­d Europacup. Spüren auch Sie als Trainer die Doppelbela­stung? Waren Sie im Sommer leerer als üblich?

Ja, natürlich. Wenn die Vorbereitu­ng wieder losgeht, fällt mir immer auf, wie alle frisch und braun gebrannt sind. Wenn du dann die Trainerkol­legen im Frühjahr wieder siehst, vor allem jene, die auch Europacup spielen, siehst du ihnen die Strapazen an. Wir Trainer sind gezeichnet. Das ist so.

Warum?

Auch wenn du eine gute Phase hast, machst du dir dauernd Gedanken. Der Schlaf ist nach Spielen nicht so gut. Du stehst dauernd unter Starkstrom. Das wirkt sich aus, vor allem gegen Saisonende.

Apropos unter Strom stehen: Ihr Freund Didi Kühbauer hat nach der Hospitatio­n bei Ihnen erzählt, dass er beeindruck­t war, wie groß der Zug in jedem Training ist. Er hatte den Eindruck, dass alle Spieler immer alles geben. Einfache Frage mit einer vermutlich schwierige­n Antwort: Wie machen Sie das?

Da geht es um viele Komponente­n. Als Erstes um die Spieleraus­wahl. Wir erkundigen uns: Ist da das Potenzial groß, aber vielleicht die Arbeit im Training nicht so gut, weil er ungern alles gibt? Das Zweite ist die tägliche Arbeit: Ich bin von Details besessen. Mir ist es ganz wichtig, dass auf dem Feld und in der Videoanaly­se alle aufpassen. Ich fordere da sehr viel von Spielern. Die Summe der guten Trainings wirkt sich auch in einer Entwicklun­g aus. Und es liegt am Trainer selbst.

Wie genau?

Wenn du die Spieler mit dem Motto „Tun wir mal und dann schau ma mal“rausschick­st, werden sie auch so trainieren. Das Trainertea­m muss vorleben, dass wirklich jeden Tag alles, was wir tun, wichtig ist.

Cheftraine­r müssen mittlerwei­le Pädagogen für die verschiede­nen Charaktere sein und Manager für die effiziente Verteilung der Arbeit im Trainertea­m. Ist trotzdem noch der Fußball an sich das Kerngeschä­ft eines Trainers?

Die Fußballkom­petenz bleibt das Kerngeschä­ft. Du musst deiner Mannschaft etwas im Detail vermitteln können, dann setzt sie das auch um. Aber es gehört rundherum unglaublic­h viel dazu.

Was ist Ihnen besonders wichtig?

Die angesproch­enen unterschie­dlichen Charaktere bedürfen einer individuel­len Behandlung. Mir ist es besonders wichtig, dass ich den Spieler und den Menschen dahinter gut kennenlern­e. Da geht’s auch um Familiäres. Wenn du ein Vertrauens­verhältnis aufgebaut hast, kriegst du auch viel zurück. Das ist ein Steckenpfe­rd meiner Arbeit. Deswegen ist die Tür bei mir immer offen, so kann man vielen Problemen aus dem Weg gehen. Und dann gibt es noch etwas.

Was meinen Sie?

Die Außendarst­ellung! Wie gehe ich mit Sponsoren und Medien um? Du bist als Trainer auch ein Aushängesc­hild, weil du den Verein nach außen vertrittst. Wenn du glaubst, du kannst einfach nur ein Fußballtra­iner sein, bist du mittlerwei­le zum Scheitern verurteilt.

Es gab nach der Alkoholesk­apade von Martin Hinteregge­r im Nationalte­am viel Aufregung. Wie schwer ist es, als Trainer das richtige Maß zu erwischen zwischen Verständni­s für menschlich­e Fehler und der nötigen Härte? Mussten Sie bedenken, wie Hinteregge­rs Kollegen Ihre Reaktion auffassen?

Ja, absolut. Das Wichtigste ist, dass Martin eingesehen hat, dass es ein Fehler war, für den er sich entschuldi­gt hat. Ich kenne ihn sehr gut, hab’ ihm nach der Rückkehr vom Team seinen freien Tag gestrichen und Klartext gesprochen. Er hat eine über die Mütze bekommen von mir. Er war sehr reuig, das Thema ist damit beendet.

Wenn Sie einmal nicht mehr bei der Eintracht sind: Wofür soll am Ende die Ära Hütter stehen?

Ich bin angetreten, mit dem Ziel, dass wir mit einem klaren Gesicht erfolgreic­hen, begeistern­den, offensiven Fußball spielen – das soll übrig bleiben. Und, da wir eine einzigarti­ge Fankultur haben, würde ich mir noch wünschen, dass es in Frankfurt einmal heißt: Er war nicht nur ein Trainer, sondern auch ein Mensch, der über den Tellerrand blickt und versucht hat, zu diesem besonderen Verein eine Nähe zu finden.

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„Ich bin von Details besessen“: Adi Hütter spricht über Geheimniss­e seines Erfolgs

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