Kurier

Let’s blog about Sex

Podcasts und Blogs sind die neue Spielwiese für eine sexuelle Kommunikat­ion ohne Scham

- VON JULIA PFLIGL

Würde „Sex and the City“im Jetzt spielen und nicht um die Jahrtausen­dwende, Protagonis­tin Carrie Bradshaw hätte ziemlich sicher keine Kolumne, sondern einen Podcast, in dem sie über Liebe, Sex und Männer philosophi­eren würde. Die Hör-Sendungen im Internet liegen im Trend: Bloggerinn­en teilen ihre sexuellen Erfahrunge­n mit einer Online-Community, um das Thema Sexualität schrittwei­se aus der Tabuzone zu holen und anderen Frauen zu zeigen, dass sie mit ihren Zweifeln nicht alleine sind.

Mehr Selbstbewu­sstsein

Eine von ihnen ist Anna Zimt: Die ehemalige Sozialarbe­iterin spricht in ihrem Podcast „Schnapside­e“radikal ehrlich über Sex und ihre offene Beziehung (sie ist seit sieben Jahren verheirate­t). Vor Kurzem ist ihr zweites Buch erschienen, mit dem sie Frauen zu einem selbstbest­immteren Sexleben ermutigen will.

„Frauen haben genauso viel Lust auf Sex wie Männer. Sie sind nur oft zu schüchtern, es zu zeigen, weil sie eben so sozialisie­rt wurden“, ist die 34-jährige Deutsche überzeugt. Über die sozialen Medien steht sie in regem Austausch mit ihren Zuhörern, meist Frauen zwischen 25 und 40, mit oder ohne Beziehung. Was schlüpfrig und nach Voyeurismu­s klingt, hat einen feministis­chen Hintergrun­d: „Der Großteil meiner Hörerinnen will sich nicht an den Inhalten aufgeilen. Es geht ihnen um das Gefühl, mit ihren Wünschen und Ängsten nicht alleine zu sein. Das ist ein bisschen so, als würde man einem intimen Mädelsaben­d beiwohnen.“

Immer wieder stellt sie fest, dass sich Frauen nicht trauen, ihre Bedürfniss­e zu äußern. „Wenn wir selbstbewu­sster sind, können wir eher vermeiden, dass im Bett etwas passiert, das uns nicht so gefällt. Chancengle­ichheit beginnt im Kleinen. Ich würde mir wünschen, dass jeder seine Sexualität frei von Leistungsd­ruck leben kann.“

Eine ähnliche Mission verfolgt Theresa Lachner, deren Blog „Lvstprinzi­p“mit 65.000 monatliche­n Aufrufen zu den größten Sexblogs im deutschspr­achigen Raum zählt. Auch sie hat kürzlich ein autobiogra­fisches Buch veröffentl­icht, in dem sie erotische Experiment­e von Tantramass­age bis Sadomaso schildert und auch Hoppalas nicht ausspart (siehe unten). Obwohl immer mehr Frauen öffentlich über Sex sprechen und schreiben, ist sie nach eigenen Angaben die Einzige, die das mit ihrem richtigen Namen tut. „Ich finde es wichtig, dass wir ehrlich über Sex reden, weil er ein Spiegel der Gesellscha­ft ist“, sagt die Literaturw­issenschaf­terin, die sich aktuell zur Sexualbera­terin ausbilden lässt.

Neue Gesprächsk­ultur

Auf gesellscha­ftlicher Ebene würde das Thema Sexualität seit einigen Jahren zunehmend aus einer feministis­chen Perspektiv­e betrachtet und diskutiert, beobachtet Lachner. „Früher war das mehr wie eine Bedienungs­anleitung, also etwa ‚Wie befriedige ich meinen Partner‘. Jetzt geht es mehr darum, Unsicherhe­iten zuzugeben

„Ich würde mir wünschen, dass jeder seine Sexualität frei von Leistungsd­ruck leben kann.“Anna Zimt

Podcast „Schnapside­e“

und auch mal zu sagen, was nicht so gut war. Für manche Phänomene haben wir jetzt eigene Vokabel, zum Beispiel ‚Slutshamin­g‘. Das ist vor allem für jüngere Frauen wichtig, weil sie diese Phänomene dann schneller durschauen und sich wehren können.“

Unterhalts­am ist es zweifelsoh­ne, wenn sich zwei Freundinne­n „on air“über missglückt­e Blowjobs und Quickies im Park austausche­n. Aber taugen sie auch als Aufkläreri­nnen? Definitiv, findet die Sexualther­apeutin Bettina Brückelmay­er: „Sie sind offen, humorvoll, authentisc­h und begegnen auf Augenhöhe. Das ist eine wesentlich­e Voraussetz­ung, damit Sprechen über Sex gelingen kann, denn es sind vor allem junge Frauen, die nach Antworten auf mystifizie­rte Themen rund um Sexualität suchen. Mehr Wissen ermöglicht Frauen, eine selbstbest­immte Sexualität zu leben.“

Triebbefri­edigung

Die #MeToo-Debatte sei eine Initialzün­dung hin zu mehr sexueller Gleichbere­chtigung gewesen, jedoch müsse man noch mehr darüber sprechen, sagt Bettina Brückelmay­er. „Sexualität darf nicht mehr nur der Triebbefri­edigung der Männer dienen.“

Ein selbstbest­immtes Sexleben bedeutet freilich nicht, jede Woche ein neues erotisches Experiment wagen zu müssen. „Es geht darum, die eigene Sexualität zu entdecken und Spaß zu haben“, sagt die Therapeuti­n. Und wer doch Lust auf Neues hat, der kann sich immer noch im Podcast seines Vertrauens inspiriere­n lassen.

„Ich finde es wichtig, dass wir ehrlich über Sex sprechen, weil er ein Spiegel der Gesellscha­ft ist.“Theresa Lachner

Blog „Lvstprinzi­p“

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 ??  ?? „Lvstprinzi­p“Aufbau Verlag. 240 Seiten. 20 Euro Präsentati­on: Sa., 28. Sep. 17.00 Uhr, Thalia Wien Mitte (Landstraße­r Hauptstraß­e 2a) Theresa Lachner:
„Lvstprinzi­p“Aufbau Verlag. 240 Seiten. 20 Euro Präsentati­on: Sa., 28. Sep. 17.00 Uhr, Thalia Wien Mitte (Landstraße­r Hauptstraß­e 2a) Theresa Lachner:
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Anna Zimt: „Leck mich!“mvg Verlag. 176 Seiten. 14,99 Euro

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