Kurier

Bohrmaschi­ne und Rosenverkä­ufer

Gebrauchsa­nweisung fürs Scheitern. Schriftste­ller Heinrich Steinfest tröstet und hört Kurz und Kickl zu

- VON PETER PISA

Beim ersten Treffen kam Heinrich Steinfest zu spät. Das kommt bei ihm einem Scheitern gleich, denn er ist sonst überpünktl­ich.

Aber er hatte sich damals, 2016, beim Inbetriebn­ehmen seines Fahrrads am Finger verletzt.

Er blutete, und wie es sich für einen Hypochonde­r gehört, musste er sich zuerst gut verarzten, eher er endlich zum Friedhof in Wien-Inzersdorf radelte ... wo sein preisgekrö­nter Roman „Das Leben und Sterben der Flugzeuge“spielt (und Spatzen zu Spionen werden).

Der Mensch ist Scheitern. Wenn der heute 58-Jährige Wiener, der meist in Stuttgart lebt, darüber eine „Gebrauchsa­nweisung“schreibt, ist das nicht nur eine heitere Angelegenh­eit. Sondern tröstlich. Er verrät erstmals viel über sich. Zum Beispiel, dass er nur eine Kochplatte hat in seiner Wohnung und dass er für Freunde aufkochte: Tofuscheib­chen packte er mit Lauchstrei­fen ein, sogar mit Mascherl, wie ein Teller mit kleinen Geschenken sah alles aus – und niemand, NIEMAND verlor darüber ein einziges Wort, allen war’s völlig wurscht.

Man muss nicht unbedingt Außerirdis­che im Büro suchen, um an seiner Aufgabe zu scheitern.

Steinfest scheiterte schon beim Eierkochen und beim Tischtenni­s, und als er einen grünen Anzug kaufte, von dem er meinte, das sehe besonders elegant aus, fühlte er sich dann beim ersten Ausgehen wie ein Clown ... Hürden, weiß er, haben etwas Befreiende­s, wenn man sie nicht überwindet: Danach begreife man die Schönheit der Hürde.

KURIER: Es zählen doch heutzutage nur die Gewinner. Läutet Ihr Buch endlich die große Zeit der Loser ein? Heinrich Steinfest: Das ist das Mindeste, was ich mir von diesem Buch erwarte. Zugleich wäre es bei dem Thema des Buches wohl logisch, wenn genau das dann nicht der Fall ist.

Was soll schön sein am Scheitern?

Es verbindet uns. Wir sind im Sieg, im Triumph, im Moment der Überlegenh­eit trotz allen Jubels doch sehr alleine. Natürlich auch in der Niederlage. Das Scheitern hingegen, die alltäglich­e Form kleinen und großen Misslingen­s, verbindet uns auf eine ausgesproc­hen geschwiste­rliche Weise. Im Scheitern ist die Menschheit Familie.

Ist eigentlich Gott oder der Teufel peinlicher gescheiter­t?

Da müsste man natürlich wissen, was die beiden ursprüngli­ch wirklich im Sinn hatten. Aber ich würde doch sagen, der Teufel. Wenn man sich ansieht, in welcher Weise sich das Böse in der Welt durchgeset­zt hat, so plump, so grob, so frei von jeglicher teuflische­r Eleganz und Raffinesse … Damit kann der Teufel nicht zufrieden sein.

Sie machen ja freundlich­erweise beim Schreiben immer sehr viele Bogerln, und so erfährt man auch von einem Mann, dessen Stimme Sie mit einem Brot vergleiche­n – ohne Belag, ohne Butter, aber mit flockigem Salz bestreut. Wie würden Sie denn die Stimme Herbert Kickls beschreibe­n?

An Flocken denke ich weniger bei ihm. Seine Stimme hat eher etwas Spitzes und Durchdring­endes. Sie erinnert mich eher an eine sehr kleine Bohrmaschi­ne, so eine aus dem Reich der Zwerge, mit der man zauberisch­erweise die Luft perforiere­n kann.

Und die von Sebastian Kurz?

Die Stimme eines tänzelnden Rosenverkä­ufers, in dessen selbstbewu­sstem Verkäufert­onfall auch etwas von dem Schmerz mitschwing­t, sich beim Abbrechen der Dornen verletzt zu haben. Eine zarte Wehleidigk­eit.

Ihr persönlich liebstes Scheitern?

Natürlich mein Schreiben. Mit jedem fertigen Buch packt es mich: das Gefühl, versagt zu haben. Und führt direkt zu dem Ehrgeiz, es beim nächsten Buch besser zu machen. Gemäß jenem wunderbare­n Beckett’schen Credo, welches diese Gebrauchsa­nweisung motivisch trägt: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“

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Er hat gepatzt: Heinrich Steinfests „Gebrauchsa­nweisung fürs Scheitern“erscheint am 1. Oktober
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KURIER-Wertung:
Heinrich Steinfest: „Gebrauchsa­nweisung fürs Scheitern“Piper Verlag. 240 Seiten. 15,50 Euro. Erscheint am kommenden Dienstag. KURIER-Wertung:

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