Bohrmaschine und Rosenverkäufer
Gebrauchsanweisung fürs Scheitern. Schriftsteller Heinrich Steinfest tröstet und hört Kurz und Kickl zu
Beim ersten Treffen kam Heinrich Steinfest zu spät. Das kommt bei ihm einem Scheitern gleich, denn er ist sonst überpünktlich.
Aber er hatte sich damals, 2016, beim Inbetriebnehmen seines Fahrrads am Finger verletzt.
Er blutete, und wie es sich für einen Hypochonder gehört, musste er sich zuerst gut verarzten, eher er endlich zum Friedhof in Wien-Inzersdorf radelte ... wo sein preisgekrönter Roman „Das Leben und Sterben der Flugzeuge“spielt (und Spatzen zu Spionen werden).
Der Mensch ist Scheitern. Wenn der heute 58-Jährige Wiener, der meist in Stuttgart lebt, darüber eine „Gebrauchsanweisung“schreibt, ist das nicht nur eine heitere Angelegenheit. Sondern tröstlich. Er verrät erstmals viel über sich. Zum Beispiel, dass er nur eine Kochplatte hat in seiner Wohnung und dass er für Freunde aufkochte: Tofuscheibchen packte er mit Lauchstreifen ein, sogar mit Mascherl, wie ein Teller mit kleinen Geschenken sah alles aus – und niemand, NIEMAND verlor darüber ein einziges Wort, allen war’s völlig wurscht.
Man muss nicht unbedingt Außerirdische im Büro suchen, um an seiner Aufgabe zu scheitern.
Steinfest scheiterte schon beim Eierkochen und beim Tischtennis, und als er einen grünen Anzug kaufte, von dem er meinte, das sehe besonders elegant aus, fühlte er sich dann beim ersten Ausgehen wie ein Clown ... Hürden, weiß er, haben etwas Befreiendes, wenn man sie nicht überwindet: Danach begreife man die Schönheit der Hürde.
KURIER: Es zählen doch heutzutage nur die Gewinner. Läutet Ihr Buch endlich die große Zeit der Loser ein? Heinrich Steinfest: Das ist das Mindeste, was ich mir von diesem Buch erwarte. Zugleich wäre es bei dem Thema des Buches wohl logisch, wenn genau das dann nicht der Fall ist.
Was soll schön sein am Scheitern?
Es verbindet uns. Wir sind im Sieg, im Triumph, im Moment der Überlegenheit trotz allen Jubels doch sehr alleine. Natürlich auch in der Niederlage. Das Scheitern hingegen, die alltägliche Form kleinen und großen Misslingens, verbindet uns auf eine ausgesprochen geschwisterliche Weise. Im Scheitern ist die Menschheit Familie.
Ist eigentlich Gott oder der Teufel peinlicher gescheitert?
Da müsste man natürlich wissen, was die beiden ursprünglich wirklich im Sinn hatten. Aber ich würde doch sagen, der Teufel. Wenn man sich ansieht, in welcher Weise sich das Böse in der Welt durchgesetzt hat, so plump, so grob, so frei von jeglicher teuflischer Eleganz und Raffinesse … Damit kann der Teufel nicht zufrieden sein.
Sie machen ja freundlicherweise beim Schreiben immer sehr viele Bogerln, und so erfährt man auch von einem Mann, dessen Stimme Sie mit einem Brot vergleichen – ohne Belag, ohne Butter, aber mit flockigem Salz bestreut. Wie würden Sie denn die Stimme Herbert Kickls beschreiben?
An Flocken denke ich weniger bei ihm. Seine Stimme hat eher etwas Spitzes und Durchdringendes. Sie erinnert mich eher an eine sehr kleine Bohrmaschine, so eine aus dem Reich der Zwerge, mit der man zauberischerweise die Luft perforieren kann.
Und die von Sebastian Kurz?
Die Stimme eines tänzelnden Rosenverkäufers, in dessen selbstbewusstem Verkäufertonfall auch etwas von dem Schmerz mitschwingt, sich beim Abbrechen der Dornen verletzt zu haben. Eine zarte Wehleidigkeit.
Ihr persönlich liebstes Scheitern?
Natürlich mein Schreiben. Mit jedem fertigen Buch packt es mich: das Gefühl, versagt zu haben. Und führt direkt zu dem Ehrgeiz, es beim nächsten Buch besser zu machen. Gemäß jenem wunderbaren Beckett’schen Credo, welches diese Gebrauchsanweisung motivisch trägt: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“